Название | Mark Feller |
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Автор произведения | Michael Bardon |
Жанр | Языкознание |
Серия | Mark Feller |
Издательство | Языкознание |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783742763556 |
Ich schob meinen Stuhl zurück und stand auf. Mein rechtes Knie schmerzte. Mein Ellbogen und der Nacken fühlten sich aber wieder ganz okay an.
Ich war müde und sehnte mich nach ein paar Stunden Schlaf. Doch daran war im Moment nicht zu denken. Es wurde höchste Zeit, dass ich mir einen Überblick über das verschaffte, was meine neuen Kollegen in den vergangenen zweieinhalb Wochen an Fakten zusammengetragen hatten.
*
»Das liegt durchaus im Bereich des Machbaren«, sagte der Pilot, während er in den Rückspiegel äugte und nach Verfolgern Ausschau hielt. Nichts zu sehen; er hatte nichts anderes erwartet.
»Ja, das bekomme ich hin.« Er setzte den Blinker, um einen Traktor zu überholen. Der Blödmann fuhr ohne Licht. Scheiß Bauer!
»Möchten Sie, dass ich ein paar Tage warte oder soll ich Feller auf der Prioritätenliste ganz nach oben setzen?«, fragte er, den Blick stur auf die schmale Landstraße gerichtet. Gleich kam die scharfe S-Kurve, dahinter tummelten sich oft viele Rehe. Warum auch immer?
Vierhundert Meter weiter zweigte die Straße zum alten Forsthaus ab, das er vor gut fünf Jahren über einen Mittelsmann ersteigert hatte.
Die elektronisch verzerrte Stimme in seinem Kopfhörer schien für einen Moment über die Frage nachzudenken. Kein Problem, er hatte Zeit. Viel Zeit!
Der Pilot schaute erneut in die Rückspiegel. Linker Außenspiegel, Innenspiegel, rechter Außenspiegel. Alles klar, kein anderes Fahrzeug weit und breit. Das war gut!
Er freute sich auf sein Zuhause. Das einsam gelegene Forsthaus entsprach genau dem Ideal, das er vom Wohnen hatte. Hier fand er zur Ruhe, hier konnte er nach einem stressigen Auftrag, der Hektik den Rücken kehren und an den Drohnen – sie waren sein Leben – herumschrauben.
Am anderen Ende der Leitung erwachte die elektronische Stimme wieder zum Leben. Sie forderte ihn auf, er solle zuerst Mark Feller ausschalten. Der Staatssekretär sollte dann im zweiten Schritt folgen.
Er nahm es emotionslos hin, sein Job hatte viele Facetten. Für ihn spielte es keine Rolle, wen er mit seinen Drohnen umbrachte. Er tötete schließlich nicht aus Lust oder weil er eine perfide Genugtuung dabei empfand. Nein, so war das nicht! Er tötete nur dann, wenn er von einem Auftraggeber die Weisung dazu erhielt. Gefühle waren da fehl am Platz und über das Warum und das Wieso zerbrach er sich schon seit langer Zeit nicht mehr den Kopf.
»Geht klar«, sagte der Drohnenkiller und versprach seinem Auftraggeber, sich umgehend mit Mark Feller zu befassen. Er war erleichtert, bedeutete der neue Auftrag doch, dass ihm sein missglückter Anschlag nachgesehen wurde.
Für den Moment jedenfalls.
Bei einem neuerlichen Versagen konnte die Sache schon ganz anders aussehen. Fressen und gefressen werden … Er schwamm als Hecht in einem Haifischbecken, dessen war er sich durchaus bewusst.
Doch seine Art zu töten war etwas ganz Besonderes. Das verschaffte ihm eine gewisse Souveränität – er war ein Star, zumindest in der Killerszene.
Für den Moment war also alles im Lot. Er würde seinen Fokus auf Feller legen und alles über den Kerl herausfinden, was für den Job vonnöten war. Sobald er Feller ausgeschaltet hatte, konnte er sich wieder mit dem Staatssekretär befassen und seinen ursprünglichen Auftrag, mit ein wenig zeitlichem Verzug, endlich zum Abschluss bringen.
-6-
Tag 2
Der Strahl der Taschenlampe wanderte mit unerbittlicher Helligkeit auf sie zu. Tahire kniff ihre Augen noch ein wenig fester zusammen; sie zwang sich, ruhig und gleichmäßig zu atmen. Als ob sie schliefe. Als ob sie sich in ihr Schicksal gefügt hätte.
Reiß dich zusammen! Du darfst dem Kerl nicht auffallen.
Ein Schauer kroch über ihren Rücken, als sie daran dachte, was der Wächter vor ein paar Minuten mit der armen Oleay angestellt hatte. Ihr leises Wimmern … sie hörte es noch immer. Dieser Unmensch, dieser Barbar, hatte Oleay aus dem Nachbarverschlag gezerrt und brutal vergewaltigt. Einfach so, nur weil sie ihm gefallen hatte. Es war mit Abstand das Grausamste, das Tahire in den letzten Monaten gesehen hatte. Arme Oleay …
Jetzt! Das gleißende Licht verharrte für ein paar Atemzüge auf ihrem Gesicht. Genau wie bei Oleay – sie hatte das von ihrer Pritsche aus beobachtet. Tahire lag ganz still. Sie ignorierte ihre Angst, ignorierte ihren Hass und sie ignorierte die blendende Helligkeit, die trotz ihrer geschlossenen Lider bis zu ihren Sehnerven vordrang. Lange würde sie das allerdings nicht durchstehen. Sie spürte Tränen aufsteigen.
Nach einer Ewigkeit – es kam ihr vor, als wäre ein ganzer Tag verstrichen – wanderte der Lichtstrahl endlich weiter. Tahire atmete erleichtert auf, öffnete die Augen und sah, wie der Lichtkegel nun eine andere Frau erfasste, ihre Freundin Faizah. Auch sie lag ganz still, schaffte es jedoch nicht, ein leichtes Blinzeln zu unterdrücken.
Halt durch Faizah, halt durch …
Tahire hielt den Atem an, während sie wie gebannt zu ihrer Freundin hinüberstarrte. Sekunde um Sekunde verstrich, bevor der Lichtstrahl von Faizah abließ und der Verschlag für die acht Frauen wieder in der Dunkelheit versank. Tahires Herz hämmerte schmerzhaft gegen ihre Brust. Schweiß rann ihr übers Gesicht, obwohl sie fröstelte; es war kühl und zugig in der alten Lagerhalle.
Sie schlang die Arme um den Leib und lauschte in die zurückgekehrte Dunkelheit hinein. Die Schritte des Wächters … ja, sie entfernten sich. Sie hörte ganz deutlich sein Schlurfen, und sie sah durch die Ritzen ihres Gefängnisses, wie der Kegel seiner Taschenlampe sich dem nächsten Verschlag näherte.
Gelobt sei Allah …
Er hatte seine schützende Hand über sie und Faizah gehalten. Doch warum hatte er zugelassen, dass man sie aus der Unterkunft verschleppt hatte, in der sie seit fast zwei Monaten gelebt hatten? Sie dachte an das alte Hotel, das zu einem Flüchtlingsheim umgebaut worden war. Sie hatten sich dort wohlgefühlt und den Schutz gefunden, den es in ihrer Heimat schon seit langer Zeit nicht mehr gab. Und jetzt waren sie hier, eingepfercht in einen Verschlag, gehalten wie Ziegen für die Schlachtbank.
Sie schüttelte den Kopf. Warum hatte Allah das zugelassen? Welchen Weg hatte er für sie und Faizah vorgesehen? Oder war das seine Strafe, weil sie ihr Land verlassen hatten und über das Meer zu den Ungläubigen geflohen waren?
Bitte nicht!
Sie schlug die Hände vors Gesicht.
»Wir müssen hier raus …« Eine Hand legte sich auf ihre Schulter, während die Stimme neben ihrem Ohr weiterflüsterte. »Tahire … hörst du, was ich sage? Wir müssen sehen, dass wir von hier wegkommen. Diese Männer sind Bestien. Die haben nichts Gutes mit uns vor.«
Sie schüttelte ihren Kopf. Eine sinnlose Geste, die ihre Freundin Faizah in der Dunkelheit nicht sehen konnte.
»Tahire … Hast du gehört was ich eben gesagt habe? Wir müssen von hier verschwinden.«
Abermals schüttelte Tahire ihren Kopf. Dann wurde ihr bewusst, dass Faizah ihre stumme Verneinung gar nicht sehen konnte.
»Wie … wie soll …« Sie brach ab, als im Verschlag nebenan ein paar Frauen zu schimpfen begannen. Schlagartig war die Halle von Leben erfüllt. Lichter flammten auf, während weitere Frauen in das Gekreische mit einstimmten.
»Ich habe mich hier drinnen umgesehen«, wisperte ihre Freundin. Ihre Stimme klang jetzt aufgeregt, fast schon verschwörerisch. »Hör mir zu, es ist wichtig. Da hinten in der Ecke sind ein paar der Bretter nicht richtig fest. Sie wackeln ein bisschen. Wir müssen versuchen, ob wir sie weiter lockern können.« Faizahs Griff wurde fester. »Das ist unsere Chance, Tahire. Wenn wir sie losbekommen, können wir uns hier rausschleichen und nach einem Weg suchen, diesen Männern zu entkommen.«