Название | Zwiebelsuppe à la Jules |
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Автор произведения | Louis Geras |
Жанр | Языкознание |
Серия | |
Издательство | Языкознание |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783738041088 |
Kaum war Alex einen Schritt zur Seite getreten, gab sie Gas und brauste an ihm vorbei. Sie bog in die nächste Seitenstraße ein und verschwand aus Alex‘ Blickfeld. Erleichtert aufatmend blickte Alex ihr hinterher.
Das hätte ihm noch gefehlt, wenn hier ein großes Polizeiaufgebot aufgetaucht wäre. Dann dachte er wieder ans Meeting und sah auf seine Armbanduhr… und stellte zu seinem Entsetzen fest, dass er sie vergessen hatte. Sie lag noch in der Wohnung, wahrscheinlich neben dem Bett und … .
In diesem Moment schlug die Turmuhr drei Mal. Dreiviertel. „Wieder zu spät.“, stöhnte Alex auf. Das dritte Mal in zwei Wochen. Das würde mächtigen Ärger geben. Die Uhr konnte er auch ein anderes Mal holen.
Die Kollegen redeten ohnedies schon mehr oder weniger hinter vorgehaltener Hand über seine verlängerten Mittagspausen. Einige konnten sich aber auch nicht mit anzüglichen Gesten und Bemerkungen zurückhalten. Erst gestern forderte Matt Seitz, einer der Kreativ-Mitarbeiter, ihn auf ihnen endlich seine ‚Neue‘ vorzustellen. Dabei grinste er süffisant und tauschte einen Blick mit Olsen Kahlbach , der neben ihm saß und gerade seinen Joghurtlöffel anzüglich abschleckte. Nur mit Mühe konnte sich Alex zurück halten, ihm nicht eine seiner Fäuste ins Gesicht zu schleudern. Matt hatte, genauso wie Olsen, auch seine Finger nicht von Christina lassen können.
In Erinnerung daran presste Alex seine Lippen fest zusammen und ballte wütend die Fäuste, so dass sich die Knöchel weiß unter der Haut abhoben.
Einige Minuten nach Drei erreichte er endlich die Büros der Marketing-Art-Design Firma Wilkers, zurzeit die bedeutendste Werbeagentur der Stadt, für welche Alex seit fast fünf Jahren arbeitete. In den vergangenen Jahren hatte er einige großartige Werbeideen umgesetzt und war maßgeblich am stetigen Aufstieg der Firma beteiligt gewesen.
Der Konferenzraum fürs Meeting lag im fünften Stock des Bürogebäudekomplexes.
Alex hetzte durch die leeren Gänge und ließ sich schließlich, eine Entschuldigung murmelnd, keuchend auf einen der wenigen freien Stühle fallen, die sich um den langen Tisch im Konferenzraum drängten.
Die Besprechung war schon im vollen Gange. Der Abteilungsleiter, der gerade über einen wichtigen Kunden lamentierte, warf ihm einen verärgerten Blick zu. Alex wagte ebenfalls einen flüchtigen Blick in die Runde, der ihm mehrere spöttisch oder fragende – manchmal genüsslich-anzügliche – Blicke bescherte. Er senkte seine Augen auf die vor ihm liegenden Unterlagen und blätterte scheinbar interessiert darin herum, ohne jedoch auch nur das Geringste zu erfassen.
Die Besprechung dauerte noch mehr als eine Stunde an, aber Alex bekam nur die Hälfte davon mit, zu sehr war er mit seinen Gedanken noch bei den letzten Geschehnissen.
Er hatte es doch nicht nötig … diese Treffen. Er war jung – naja, knapp über Dreißig - und sah auch gar nicht so übel aus – fand er, und auch einige seiner Freunde sagten das. Er konnte sicher jederzeit eine ehrliche Beziehung mit einer hübschen jungen Frau haben. Aber stattdessen traf er sich heimlich, verstohlen in dieser Wohnung. Und schwor sich doch jedes Mal, wenn die Tür ins Schloss fiel, nicht mehr dorthin zu gehen. Dieser Beschluss hielt genau zwei – manchmal auch nur einen Tag. Und dann wartete er.
Er wusste, dass das absurd war, wie überhaupt die ganze Situation. Hätte ihm vor einem Jahr jemand gesagt, dass er so ein Verhältnis eingehen würde, er hätte ihn wahrscheinlich verprügelt. Und nun ….. saß er darin fest.
Er schaffte es nicht, sich von diesem spontanen Entschluss – War es überhaupt ein Entschluss? - den er vor knapp drei Monaten gefasst hatte, loszureißen. Damals hatte er verzweifelt versucht die Trennung von Christina zu verarbeiten. Er war von einer Veranstaltung zur anderen gehetzt. Immer auf der Suche nach Ersatz.
Es war bei einer Ausstellung eines zeitgenössischen Künstlers, als sie sich trafen. Sie redeten, lachten, tranken. Und irgendwie und irgendwann landeten sie in der Wohnung. Ihrem Liebesnest. Damals hatte er am Morgen danach die Flucht ergriffen. Aber dann trafen sie sich wieder. Ungeplant. Und landeten wieder im Bett. Danach tauschten sie ihre Telefonnummern. Seit damals wartete er ständig auf den nächsten Anruf. Aber er wusste, auf Dauer würde er dieses Verhältnis nicht geheim halten können.
Wollte er es geheim halten? Wollte er dieses Verhältnis überhaupt? Er war sich nicht sicher – so wie über die wenigsten Dinge in seinen derzeitigen Leben.
Unbewusst zeichnete er auf seinen Unterlagen Kringeln und gezackte Linien. Er konnte sich nicht auf das Meeting konzentrieren.
Gerade hatte er beschlossen, dass er dieses Mal nicht auf den Anruf warten würde und auch nicht auf Abruf bereit stehen würde, als Werner Bacher, der Marketingabteilungsleiter, sich mit der Frage: „Was halten Sie davon, Alex?“, an ihn wandte. Das Dumme daran war nur, das Alex, nicht wusste wovon. Daher brachte er nur ein stotterndes fragendes, etwas tonloses „Ich bin ganz ihrer Meinung!?!?“ heraus, das ein unterdrücktes spöttisches Auflachen seiner Kollegen zur Folge hatte.
Der mörderische Blick, mit dem Werner Bacher ihn daraufhin bedachte, sagte ihm, dass diese Antwort meilenweit von dem entfernt lag, was von ihm erwartet wurde. Er spürte wie ihm die Röte ins Gesicht schoss, was die Peinlichkeit noch verstärkte.
Es war nicht das erste Mal, dass er in letzter Zeit bei einem Meeting so danebenlag mit einer seiner Antworten. Als Werner Bacher ihn am Ende der Konferenz noch zum Bleiben aufforderte, während alle anderen eilends den Raum verließen, wurde ihm heiß. Er brauchte nicht noch mehr Probleme, als er ohnedies schon hatte. Aber ein persönliches Gespräch mit Herrn Bacher deutete i m m e r auf Probleme hin.
Der Marketingleiter räusperte sich und fing schließlich mit den Worten an: „Ich weiß, dass Ihnen die Freundin vor einigen Wochen…“ („Einige Wochen!!! Es sind inzwischen schon fast fünf Monate!“, dachte Alex.)…. abhandengekommen ist. Aber schön langsam müssen Sie wieder in die Gänge kommen, Herr Wolf. Ich habe Verständnis dafür, dass man einige Zeit braucht um darüber hinwegzukommen. Schließlich war es ….naja, …schwierig….“ Er räusperte sich abermals verlegen. „…Sie wissen schon. Jedenfalls kann es so nicht weiter gehen. Reißen Sie sich endlich zusammen, ansonsten kann ich Sie nicht länger schützen. Die Personalabteilung mistet - wie Sie sicher mitbekommen haben - weiterhin unproduktive Mitarbeiter aus. Sie sind ein großartiger Mitarbeiter, wenn Sie bei der Sache sind. Aber in letzter Zeit scheinen Sie ständig abwesend zu sein. Geistig und auch immer öfter körperlich. Machen Sie endlich wieder ihre Arbeit, Herr Wolf. So kann es nicht weitergehen. Ich fürchte, dass man Sie andernfalls ….“ Werner Bacher unterbrach seinen Satz und sah ihn bedeutungsvoll an.
Alex zog schuldbewusst den Kopf ein und schwieg. Er hätte auch nichts zu sagen gewusst, denn Werner Bacher hatte ausnahmsweise Recht.
Seit Christinas öffentlichen Abgang und seinem neuen – zugegebener Maßen - etwas schwierigen Verhältnis war er wie weggetreten. Er schaffte es nicht einen klaren Gedanken zu fassen.
Gerade war er wieder weggetreten gewesen, denn er hatte nicht einmal bemerkt, dass sein Vorgesetzter in seiner Rede fortgefahren war. Daher hörte Alex nur noch: „….oder nehmen Sie sich eine Auszeit. Eine Woche Urlaub steht ihnen ohnedies noch zu. Fahren Sie weg. Schalten Sie ab. Tun Sie, was immer Sie wollen. Aber kommen Sie endlich wieder in der Realität an.“
Alex nickte. Vielleicht…. war es wirklich am besten eine Woche Urlaub zu nehmen. Seine Wohnung aufzuräumen und Christinas Reste, die immer noch überall herumlagen und ihn ständig an die Geschehnisse erinnerten, wegzuschaffen und … über sein Leben nachzudenken.
„Ja, vielleicht haben Sie Recht. Eine Woche würde mir sicher gut tun“, erklärte er sich daher ohne Widerstand murmelnd einverstanden.
Er registrierte, dass Werner Bacher sichtlich erleichtert über seine Zustimmung reagierte.
Da es nichts mehr zu sagen gab, schob Alex den Sessel unsicher zurück und stand auf. Er wollte nur noch weg. Er ließ die Unterlagen achtlos liegen und griff nach seiner