nur Tod und Verderben. Nicole Heuer-Warmbold

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Название nur Tod und Verderben
Автор произведения Nicole Heuer-Warmbold
Жанр Языкознание
Серия
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783742730459



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gefoltert und gedemütigt, sie saß nicht nackt und gefesselt auf einem Stuhl, während jemand ihr dreckige, schändliche Lügen über den Menschen erzählte … Hör auf damit! Er presste die Augenlider zusammen, ließ den Kopf hängen und bemühte sich ruhig zu atmen, er brauchte seine Kraft, seinen letzten Rest Stärke. Verdammt, er war Gardist, und die Gardisten waren die Besten der Besten. Er konnte doch jetzt nicht aufgeben, er musste durchhalten, klammerte sich an ihren Namen, suchte diesen ach so schwachen Kontakt.

      „Du sagst gar nichts.

      „Ich habe nichts zu sagen.

      „Gar nichts?

      Wusste Satorian, wer er war, erinnerte er sich? „Glaubt Ihr, sie weihen einen Gardisten in ihre Pläne ein? Glaubt Ihr, Domallen oder auch nur mein Hauptmann fragt mich um Rat, mich?!

      „Vielleicht hätten sie dann weniger Schwierigkeiten.

      „Was für …

      Das Auftauchen weiterer Soldaten unterbrach ihn. Kahane kam, begleitet von einem weiteren Mann, ins Zimmer, und Hiron musste sich zwingen, nicht zu reagieren, ruhig und untätig auf dem Stuhl sitzen zu bleiben, als er ihn erkannte. Barreck musterte ihn kalt lächelnd. „Einen interessanten Gesprächspartner habt Ihr da, Satorian. Ich störe doch nicht etwa?“ Spöttisch verbeugte er sich in seine Richtung. „Hauptmann Hiron Ligoban. Ihr habt Euch kaum verändert, wenn Ihr mir die Bemerkung gestattet.

      „Barreck.

      Doch weder Barreck noch Kahane legten Hand an ihn, und die Soldaten schafften ihn wieder in den Keller zurück. Als hätten sich ihre Pläne abrupt geändert – oder bloß ein Trick.

      * * *

      Der heftige Schneefall der letzten drei Tage war in strömenden Regen übergegangen, alles war nass und trübe, grau, die Ebenen durch die Regenschleier ein eintöniges Nichts, die Weite nur zu ahnen. Mara führte den Wallach am Zügel neben dem Wagen, auf dem Ondra mit ihren Kindern saß, platschte missmutig durch den Schlamm. Mavi hockte, in ihren Reitmantel gewickelt, wie ein Wichtel im Sattel, nicht mehr wie ein verschrecktes, panisches kleines Tierchen. Ron dachte nicht im Traum daran, zu Fuß zu gehen: ein Gardist ritt, und nicht allein, weil er zu Pferde beweglicher war. Er hielt den Zug zusammen, achtete darauf, dass niemand zurückblieb oder vom Weg abkam. ‚Wie ein Hütehund’, hatte Bogat, der ältere Mann in Ondras Begleitung, der Verwalter ihres und Leifs Hauses in Dalgena, gesagt, und so ganz falsch war der Vergleich nicht. Obgleich Mara die Flüchtlinge nicht als Schafe sah. Und er, Ron, hatte – natürlich – Späher ausgesandt, nach hinten und zu den Seiten. Es war nicht notwendig, sie wurden nicht verfolgt, Mara wusste es, Liz wusste es ebenso, doch Ron hatte ihr bloß ruhig zugehört, verhalten genickt und trotzdem getan, was er für richtig hielt. Nun, er hatte das Kommando, und vermutlich fühlten sich die Leute sicherer. Beschützt, behütet. Manchmal hörte Mara ein Lachen von einem der Wagen, häufiger allerdings Jammern und Klagen. Von denen, die gehen mussten.

      „Ihr versteht euch gut? Du und … ähm, Ron?“

      Verwundert sah Mara zu, wie Ondra vom Wagen herunterkletterte, um neben ihr zu gehen. Sie hatten die letzten Tage nicht viel miteinander geredet und Mara war sich ziemlich sicher, Ron gerade nicht nachgeschaut zu haben, nachdem er ihr mitgeteilt hatte, sie kämen gut voran. „Ja, manchmal.“

      „Nur manchmal?“

      Mara zuckte die Achseln. „Manchmal ist es schwer, mit ihm zurechtzukommen.“

      „Den Eindruck hatte ich ehrlich gesagt nicht, er sieht dich …“ Ondra seufzte, biss sich auf die Lippen. „Ich habe gesehen, wie ihr euch geküsst habt, Mara.“

      „Ah, verstehe. Und Liz oder sonst jemand, am wahrscheinlichsten aber Liz, hat dir davon erzählt, dass ich mit Davian verheiratet bin.“

      „Woher … Das ist richtig, ja. Liz-Rasul …“, Ondra stockte, „der Zauberer … er hält sehr viel von dir, von deinen Fähigkeiten.“

      Sie schwieg einen Moment, den Kopf gesenkt, ein dickes Tuch zum Schutz vor dem Regen eng um sich geschlungen. „Was ich … Du hast tatsächlich diesen brutalen, versoffenen Kerl geheiratet?“

      „Wenn du damit Davian meinst, ja.“

      „Aber warum, du … Himmel, Mara, du, du …“ Betreten schaute Ondra auf den Boden vor ihren Füßen, nicht zu Mara. „Musstest du … Glaubtest du, ihn heiraten zu müssen?“

      „Nein, wieso? Ich wollte …“ Mara schüttelte ärgerlich den Kopf und lachte dann plötzlich auf, als sie verstand, worauf Ondras Frage abzielte. „Oh, nein, wirklich nicht. Ich musste Davian nicht heiraten. Wir wollten beide. Heiraten.“

      „Aber …“ Wieder zögerte Ondra, und Mara war sicher, sie stellte nicht die Frage, die ihr zuerst durch den Sinn ging. „Du bist doch schwanger?“

      „Hm, ja. Bist du allein drauf gekommen oder hat dir das auch Liz erzählt?“

      „Mara, du …“ Ondra griff nach Maras Oberarm, ließ aber sofort wieder los, als ihre Finger das kalte Metall des Kettenhemdes berührten, ihr Gesicht blass. „Sei doch nicht so schrecklich schwierig und empfindlich!“

      Mit zusammengekniffenen Augen musterte Mara sie, entspannte ihre Hände. „Weißt du, ich habe keine Lust mehr auf diese ewig gleichen Reaktionen und Vorhaltungen. Ich liebe Davian und er liebt mich und wir erwarten ein Kind. Doch jetzt ist er bei seiner Einheit, nicht hier, und in wenigen Tagen wird die erste große Schlacht dieses Krieges stattfinden und ich … Und Ron … ja, verdammt, er ist mein Leibwächter, aber er ist auch ein Freund, obwohl er das wohl nicht gern hört, und wenn wir uns küssen, dann … dann hilft mir das, dann macht es die Sache ein klein wenig leichter. Für den Augenblick.“

      „Welche Sache, du … Meinst du damit meinen … Hiron?“

      „Unter anderem, ja. Ihn und die anderen Gefangenen und … und noch eine Reihe anderer Dinge. Geschehnisse.“

      „Lassan sagte, du wüsstest … du hättest gesagt …“ Ondra fasste nach Maras Hand und umklammerte sie. „Lebt er? Mara, lebt er?“

      Noch. Doch wie lange würde Hiron durchhalten? Mara nickte nur, ihre Kehle eng, und blickte Ondra ruhig ins Gesicht. Diese weinte fast. „Weißt du, ob … Ist er …“

      Mara war übel. „Du erwartest doch nicht ernsthaft, dass ich dir irgendwelche Einzelheiten nenne, Ondra?“

      Erschrocken, entsetzt starrte Ondra sie an und ließ ihre Hand los. „Nein, ich … Heißt das, du weißt, was …“

      Erneut nickte Mara und konzentrierte sich auf das Gefühl der nassen, glitschigen Zügel in ihrer Linken, die Wärme des Wallachs neben ihr. Mavi war fast eingedöst und Mara berührte sein Knie, beinah froh über die Ablenkung. „He, fall mir nicht runter. Willst du lieber auf einen Wagen?“

      Blinzelnd sah er Mara an und schüttelte stumm, fast schon trotzig den Kopf. Sie grinste verhalten, tauchte unter dem Hals des Pferdes durch und schwang sich in den Sattel, nickte Ondra zu. „Ich kann dir nichts sagen.“

      Ondra nickte gleichsam, Tränen in den Augen. Oder Regen. „Und … und der Kleine?“

      „Mavi? Oh, er wird reden, wenn er es für notwendig hält. Lass ihm Zeit.“

      „Mara, du … Pass bitte auf dich auf.“

      „Das macht Ron. Jedenfalls heute noch und morgen.“

      „Wie meinst du das?“

      „Er kommt nicht mit uns nach Samala Elis.“

      „Obwohl er dein … dein Leibwächter ist?“

      „Vor allem ist er Gardist, und die Garde kämpft.“

      „Gilt das denn nicht für alle Gardisten, die uns begleiten?“

      „Vermutlich werden sie ebenfalls gehen, ebenso die meisten Fußsoldaten. Hier besteht keine Gefahr mehr, Ondra,