Alexanders letzter Traum. Heinz-Joachim Simon

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Название Alexanders letzter Traum
Автор произведения Heinz-Joachim Simon
Жанр Языкознание
Серия
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783862826650



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auf die Ziegen aufpassen. Er war nicht besonders unglücklich darüber.

      „Seht zu, dass ich euch wiedersehe!“ sagte er mit schiefem Grinsen.

      „Spitames ist ein guter Jäger. Der Beste.“

      „Mag sein. Aber das hilft dir nichts, wenn der Bär sich um dich kümmert.“

      „Apollon ist mit mir.“

      „Dann sag ihm, dass seine Schwester Artemis dir beistehen soll.“

      Ich nickte und wir ritten den Berg hinunter ins Tal.

      Noch bevor wir die Wälder erreichten, fing es an zu regnen. Kein gewöhnlicher Regen, denn es goss Hunde und Katzen, wie es bei uns heißt. Man konnte zeitweilig nicht die Hand vor Augen sehen. Als wir endlich den Wald erreichten, wurde es besser, da uns das Blattwerk vor dem übelsten bewahrte, dennoch war es unangenehm. Nass bis auf die Haut waren wir schon lange. Spitames ritt mir voran. Ich hatte keine Ahnung, wohin es ging und warum er welche Richtung einschlug. Es wurde immer steiler und gegen Abend erreichten wir die Baumgrenze, ohne dass die Tiere einmal unruhig geworden waren. Mit einem Knurrlaut schwang sich Spitames vom Pferd und schlug eine Rast vor. Nach einigen vergeblichen Versuchen gelang es schließlich, ein Lagerfeuer zu machen. Spitames hatte an alles gedacht, nicht nur an Proviant für uns, der aus Brot, Oliven, Wein und einem Schinken bestand, sondern auch an die Hunde, die sich schwanzwedelnd um ihn drängten. In hohem Bogen warf er ihnen die Fleischbrocken zu und ihre langen Zähne blitzten auf und meine Befürchtung, dass sie nur halb so gefährlich waren wie sie aussahen, verschwand wie Schnee in der Sonne.

      „Wie geht es weiter?“ fragte ich den Wolfstöter.

      „Jetzt ruhen wir uns erst einmal aus. Morgen haben wir einen schweren Tag vor uns.“

      „Und du glaubst wirklich, dass wir auf ihn stoßen werden?“

      „Ja“, bestätigte Spitames und stocherte in dem Feuer herum, so dass die Funken hoch sprühten.

      „Weswegen vermutest du das?“

      „Vermuten? Ich habe ihn jetzt ein halbes Jahr verfolgt. Ich kenne seine Gewohnheiten. Morgen erreichen wir ein Hochtal. Dort werden wir auf seine Fährte stoßen und wir werden die Hunde frei lassen und dann wird es soweit sein!“ Für seine Verhältnisse war es eine lange Erklärung.

      Am nächsten Morgen, ich hatte nicht besonders gut geschlafen und mir eine tüchtige Erkältung eingehandelt, ging es weiter. Dem Apollon sei Dank, hatte es aufgehört zu regnen. Anfangs ging es noch ein wenig den Gebirgszug hoch, bis dann die Felsen nackt und weiß vor uns lagen. Endlich ritten wir hinunter in ein Tal mit einem Fluss. Der Wald reichte bis an das Ufer heran. Der Alte nickte zufrieden, als er im Wasser Fische hochspringen sah.

      „Das mag er.“

      Wir ritten durch das Wasser auf die andere Seite des Flusses. Es reichte uns bis zu den Schenkeln und war kalt und rein und floss schnell. Man konnte die Fische auf dem Grund sehen. Die Steine am anderen Ufer schimmerten wie Edelsteine und wir ließen die Pferde im seichten Wasser noch einmal saufen. Dann ging es weiter, immer am Fluss entlang.

      Es war hoher Mittag, als Spitames absprang und zur Sonne hochsah, die uns endlich für die vorangegangenen Regentage entschädigte. Dennoch war es kalt. Wir waren in einem Hochtal. Der kalte Wind war unangenehm. Spitames ging in die Knie, und nun sah ich es auch. Der Abdruck der Bärentatzen.

      „Ist er es?“

      „Solche Pratzen hat nur unser Kyros.“

      Er stieß die Hunde mit der Schnauze in die Spuren und diese verwandelten sich, rannten plötzlich unruhig hin und her und blickten nicht mehr glubschig, sondern kalt, gemein und mordlüstern. Sie nahmen die Spur auf und wir ritten ihnen nach. Es ging weiter am Fluss entlang bis zum Abend, ohne dass wir Kyros zu sehen bekamen. Wir begegneten einigen Hirschen und sogar einem Berglöwen, aber dies war nicht unser Wild. Wir beachteten die Tiere kaum und sie ahnten wohl, dass wir diesmal nicht hinter ihnen her waren und sahen nur kurz auf. Wir rasteten im Schatten eines Felsens. Ich war hundemüde. Unsere Molosser dagegen hätten weitergemacht, wenn wir dies zugelassen hätten. Spitames musste ihnen ein paar Fleischstücke in den Rachen werfen, damit sie Ruhe gaben. Es war kalt hier oben und ich war froh, dass ich den Wolfsmantel mitgenommen hatte. Ein Geschenk von Spitames. Ich schlief unruhig. Plötzlich hörte ich eine Lyra. Im Lichtschein des Mondes schwebte er herab. Aber statt der Lyra hatte Apollon diesmal einen silbernen Speer in der Hand.

      „Sei guten Mutes. Auch Zeus ist jetzt mit dir. Du bist auf dem Weg, der zu den Sternen führt.“

      Eine Botschaft, die mich erregte und doch auch Furcht auslöste. Ich, der Kröterich, sollte den Sternen nahe kommen? Ich fand, dass ich bisher von den Göttern nicht gerade bevorzugt worden war.

      Als ich aufwachte, fühlte ich mich wie gerädert. Ob Apoll nun wirklich da gewesen war oder ich dies geträumt hatte, hätte ich nicht beantworten können.

      „Du, mir ist Apoll heute Nacht erschienen“, gestand ich Spitames beim Frühstück.

      „Wurde auch Zeit, dass er sich rührt!“ knurrte Spitames. Seit ich ihm erzählt hatte, was mir beim Erdrutsch widerfahren war, hielt er mich ohnehin für etwas Besonderes.

      „Vielleicht habe ich es auch nur geträumt.“

      „Vielleicht. Vielleicht aber auch nicht“, erwiderte er und beäugte mich, als wäre ich eine Statue im Tempel.

      „Was ist denn?“ fragte ich irritiert.

      „Du hast so eine Helligkeit an dir.“

      „Unsinn.“

      „Nein. Da ist irgendetwas in deinem Gesicht.“

      Ich sah es um seinen Mund zucken und nahm einen Zweig und warf ihn nach ihm und er protestierte kichernd.

      „He, dafür habe ich dir die Treffsicherheit nicht beigebracht.“

      „Verscheißere mich nicht noch einmal. Von wegen Helligkeit und so. Möchte mal wissen, was Apollon gemeint hat.“

      „Erzähl!“

      Und ich wiederholte die Worte des Apollon und diesmal lachte er nicht.

      „Es geht also los.“

      „Was geht los?“

      „Seit deinem Aufenthalt im Hades weiß ich, dass die Götter mit dir etwas vorhaben. Kann sein, dass das nicht immer angenehm wird, und in der Vergangenheit war es für dich ja auch nicht besonders angenehm, aber sie wollen dich auf den Weg schicken. Nichts geschieht aus Zufall. Du stehst am Anfang und nun geht es los und vielleicht gehört diese Jagd auf Kyros dazu.“

      Für Spitames war dies eine ungewöhnlich lange Rede. Mein Freund und Lehrer wurde in letzter Zeit, so fand ich, langsam zur Quasselstrippe.

      „Dann wollen wir nicht über die Götter reden, sondern unserem Kyros folgen“, schlug ich vor.

      „Apollon hatte einen Speer dabei?“

      „Ja. Einen silbernen Speer.“

      „Das ist gut.“

      Ich wusste nicht, was daran gut sein sollte. Er aber schien es für bedeutsam zu halten.

      Am Nachmittag verloren wir die Spur, weil es wieder angefangen hatte zu regnen. Spitames fluchte, wie nur alte Männer fluchen können, die einiges erlebt haben. Wir ritten auf gut Glück weiter. Auf einmal hörten wir ein ersticktes Brüllen und Spitames hob den Arm und wir zügelten die unruhig schnaubenden Pferde und lauschten. Wieder hörten wir ihn brüllen. Es konnte nur unser Kyros sein.

      „Er kämpft mit einer Hirschkuh, und sie scheint sich tüchtig zu wehren.“

      „Dann los!“

      „Noch nicht. Nun wollen wir erst einmal sehen, was unsere Vorhut ausrichtet!“ knurrte Spitames.

      Die Molosser hatten mittlerweile auch begriffen, worum es ging und jagten durch das Gebüsch davon. Wir banden die Pferde fest,