Mo Morris und der Staat der Flüchtlinge. Benedict Dana

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Название Mo Morris und der Staat der Flüchtlinge
Автор произведения Benedict Dana
Жанр Языкознание
Серия
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783752922332



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Menschen. Die Idee kam uns, nachdem jemand anderes kurzfristig ausgeschieden ist. Ich möchte Ihnen Carlos Lozano vorstellen. Er ist der Präsident des UN-Treuhandrats. Sie haben Glück, nicht jeder lernt ihn persönlich kennen!“

      Als Mo Lozanos kräftige Hand schüttelte, spürte er intuitiv sofort, dass er einen grundehrlichen und integren Mann vor sich hatte. Die Sympathie schien beidseitig zu sein, da ihn Lozano mit ausgesprochener Freundlichkeit begrüßte.

      „Ich habe einiges von Ihnen gehört, Dr. Morris, und freue mich sehr über Ihre Teilnahme an unserer Operation. Wenn Sie bei diesem Fall auch nur halb so erfolgreich wie bei Ihrem letzten sind, wäre für uns das Meiste schon gewonnen. Eine große Belohnung kann ich Ihnen allerdings nicht versprechen. Wie man hört, scheinen Sie Geld auch gar nicht mehr unbedingt nötig zu haben.“

      „Geld ist nicht alles auf der Welt. Die Ehre, für eine Organisation wie die UN zu arbeiten, ist ja eigentlich schon Bezahlung genug. Obwohl es ja immer auch sehr viel Kritik an ihr gegeben hat…“

      Mo biss sich auf die Zunge, da seine Bemerkung beinahe an einen diplomatischen Fauxpas grenzte. Es war nicht gerade der richtige Moment, auf Kritik an der UN zu sprechen zu kommen, wenn man das erste Mal im Leben einen derart hohen UN-Repräsentanten traf. Es war zu spät, denn Lozano hakte sofort voller Neugier nach:

      „An welche Art von Kritik dachten Sie genau? An allem, was groß ist, wird auch immer viel kritisiert. Das ist eigentlich ganz normal.“

      Seine Freundlichkeit ließ um keinen Deut nach und er schien an einer ehrlichen Antwort aufrichtig interessiert zu sein. Seine unerwartete Offenheit reizte Mo dazu, mit dem dunkelsten Aspekt herauszurücken, der ihm spontan einfiel.

      „Wie ich hörte, wurde das Gelände des UN-Hauptquartiers von einer alt bekannten Familie gestiftet. Der Name dieser Familie ruft Assoziationen an bestimmte elitäre Zirkel hervor. So sollen etwa gewisse Freimaurerkongregationen, die den alten Traum von einer neuen Weltordnung und einer Eine-Welt-Regierung noch nicht aufgegeben haben, die UN als ein sehr geeignetes Vehikel für die Erfüllung ihrer Träume sehen…“

      Lozano war zu klug, um sich gänzlich naiv zu geben, und so ließ er ein verstehendes Lachen hören und versicherte sofort:

      „Ich weiß genau, worauf Sie anspielen, glauben Sie mir. Es kursieren einige Theorien in dieser Richtung, die manche auch Verschwörungstheorien nennen. Ich persönlich weiß sogar, dass einige Aspekte dieser Theorien nicht ganz unberechtigt sind. Allerdings darf ich Sie beruhigen: Ich bin überzeugt, keine Geheimgesellschaft der Welt wird jemals einen solchen Einfluss erlangen, dass sie eine globale Institution wie die UN unterwandern kann. Überhaupt halte ich persönlich es für unmöglich, diese Welt jemals zu einen und eine einzige Weltregierung aufzubauen. Auch wenn sich der Begriff Einigung grundsätzlich positiv anhört, bin ich sicher, dass eine solche einheitliche Weltregierung niemals in der Lage wäre, den Bedürfnissen all der verschiedenen Menschen in all den verschiedenen Erdteilen auf angemessene und demokratische Weise gerecht zu werden.

      Obwohl die Gründung supranationaler Vereinigungen im beginnenden dritten Jahrtausend im Trend zu liegen scheint – die EU ist eines der deutlichsten Beispiele dafür – glaube ich nicht, dass sich dieser historische Trend langfristig als vorherrschende Staats- beziehungsweise Regierungsform durchsetzen wird. Ich erinnere Sie: Die Sowjetunion, eine der größten Staatenbünde überhaupt, zerfiel, bevor die EU ihre Grenzen niedergerissen und den Euro eingeführt hat. Länder und Nationen, Staatenbünde und Organisationen entstehen und vergehen und entstehen wieder neu. Die Geschichte, wie wir sie momentan erleben, zeigt uns fast nichts, was es nicht schon einmal gegeben hätte. Auch Währungsunionen hat es schon lange vor dem Euro gegeben. Wir alle erleben nur einen winzigen Ausschnitt aus der großen Weltgeschichte und nehmen uns meiner Ansicht nach viel zu wichtig dafür.

      Ich persönlich wäre schon zufrieden, wenn sich eine Vereinigung wie die UN weiterhin über einige Jahrhunderte halten könnte und erfolgreich die Aufgaben erfüllen würde, für deren Erfüllung sie gegründet worden ist: Kriege verhindern, den Frieden festigen, befreundete und befeindete Nationen an den Verhandlungstisch holen, die Einhaltung der Menschenrechte sichern und jeden Ausbruch von Barbarei so schnell wie möglich im Keim zu ersticken.“

      Lozanos spontane, kleine Ansprache bewies, wie sehr er es als Präsident des Treuhandrates gewohnt war, Reden zu halten. Bevor Mo zu einer angemessenen Antwort ansetzen konnte, bemühte sich Goldsworthy, das Gespräch nicht weiter ausufern zu lassen und in eine andere Richtung zu lenken.

      „Vielleicht freut es Sie zu hören, Dr. Morris, dass das Tagesprogramm in Kürze ein Mittagessen in der Cafeteria vorsieht. Heute Nachtmittag werden Sie dann nähere Einzelheiten über die administrativen Strukturen, die Gebiete und die verschiedenen Orte und Städte der UN-RN erfahren. Es handelt sich um ein Seminar, das außerhalb des Geländes in einem Bürogebäude in der Nähe stattfinden wird. Sie werden über die technische Ausstattung, die Sie dort antreffen werden, erstaunt sein. Unser Hauptsitz hier am United Nations Plaza ist bereits mit einer gewissen historischen Patina überzogen, doch dort werden Sie das moderne Gesicht der UN kennen lernen. Sie werden eine dreidimensionale Animation erleben, die Ihnen alles Wesentliche zeigt, was Sie nach Ihrer Ankunft in Ihrem Zielgebiet erwarten wird.“

      „In der Tat haftet den Räumen hier nach rund 70 Jahren bereits etwas Historisches an. Die Architektur dieses Saales hat in meinen Augen fast etwas Kultisches oder Religiöses an sich…“

      Mo lachte und wies dabei zu dem Platz des Präsidenten der UN-Generalversammlung, der ihn bereits kurz nach dem Betreten des Saales an einen Altar erinnert hatte.

      „In vielen großen Ideen ist erheblich mehr enthalten, als man bei alltäglicher Betrachtung auf Anhieb erkennen kann“, fiel Lozano mit einem enigmatischen Lächeln dazu ein. Der vieldeutig klingende Satz blieb unkommentiert stehen, da Goldsworthy nach einem schnellen Blick auf seine Uhr Aufbruchsstimmung verbreitete.

      „Auf Mr. Lozano und mich wartet ein Meeting im Sekretariatshochhaus. Wir wollten uns nur kurz versichern, dass die Teilnehmer der Arbeitsgruppe zu ihrem ersten Treffen vollzählig erschienen sind. Wir werden uns vor Ihrer Abreise noch einige Male begegnen. Die Vorbereitung wird ja noch etwa 10 Tage in Anspruch nehmen und ich selber werde nächste Woche vor Ihnen allen einen Vortrag über die UN-RN halten.“

      Als sich die Beiden daraufhin bereits abwenden wollten, schob Goldsworthy noch hinterher:

      „Haben Sie sich eigentlich schon mit Miss Merizadi unterhalten?“

      Der Klang seiner Stimme und sein Lächeln signalisierte Mo genau, wie sehr in dieser Frage eine besondere Bedeutung lag.

      „Ja, warum?“, entgegnete er mit einem forschendem Blick.

      „Ach nur so, ich wollte es nur wissen. Sofia ist eine wunderbare Frau. Sie leistet beim Treuhandrat eine fabelhafte Arbeit. Ich arbeitete früher schon einmal in Genf mit ihr zusammen. Sie ist sehr ehrgeizig und engagiert, was auch erklärt, warum sie sich vorübergehend für die Arbeit als verdeckte Ermittlerin beworben hat. Ihr Vater war im Iran ein bekannter Atomwissenschaftler, der in die USA auswanderte. Ihre Mutter stammt aus Syrien, weswegen sie sowohl persisch als auch arabisch spricht. Das sind natürlich die idealsten Voraussetzungen für den Job.

      Sie ließen durchblicken, Sie hätten einige Spanisch- und Französischkenntnisse, Dr. Morris? Ich denke, drei Sprachen dürften insgesamt mehr als genügen, um im Flüchtlingsstaat zurechtzukommen.“

      Goldsworthy und sein hochrangiger Begleiter warteten eine Antwort hierauf nicht mehr ab und ließen ihn mit einem letzten Gruß allein. Mo stellte zufrieden fest, dass Mayfield seine Ausführungen über den großen Kuppelsaal mittlerweile beendet hatte und im Begriff war, die Gruppe in Richtung des Ausgangs zu führen.

      Als sie schließlich wieder in das Foyer des Besucherzentrums gelangt waren, wurde ihnen der Beginn der Mittagspause verkündet und sie stiegen die Treppe zur Cafeteria hoch. Bei ihrem Betreten wurde Mo sofort von den hohen Panoramascheiben angezogen, die direkt auf den East River hinauswiesen. Er schaute versonnen über das Sonnen beschienene Wasser zu einigen Grünflächen am gegenüberliegenden Ufer hinüber und bemerkte dabei nicht, wie sich ihm nach einiger Zeit Sofia Merizadi von