Название | Mo Morris und der Staat der Flüchtlinge |
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Автор произведения | Benedict Dana |
Жанр | Языкознание |
Серия | |
Издательство | Языкознание |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783752922332 |
„Gehören Sie etwa auch zu denjenigen, die undercover in die UN-RN einreisen sollen? Ich kann mir kaum vorstellen, dass eine Frau wie Sie als Agentin arbeiten soll! Einer Wissenschaftlerin müsste doch eigentlich ein anderes Aufgabengebiet zufallen.“
Die Bemerkung war eher als Kompliment gemeint, aber bei der schönen Feministin, in deren feinen, orientalischen Zügen die Spuren eines gewissen Stolzes nicht zu übersehen waren, löste sie geradezu Empörung aus.
„Denken Sie, eine Frau wäre nicht in der Lage dazu, eine solche Aufgabe zu erfüllen? Noch dazu, wenn sie gebildet ist? Bis auf Mr. Mayfield ist jeder, den Sie heute hier sehen, so etwas Ähnliches wie ein künftiger Agent. Dass die Leute nicht so aussehen und größtenteils über einen untypischen Werdegang verfügen, betrachten wie als Teil einer besonderen Strategie. Im Grunde sind Sie es, der in diesem Club die größte Ausnahme darstellt. Soweit ich weiß, hat man sich für Ihre Teilnahme an dem Projekt erst sehr kurzfristig entschieden. Ihr Gesicht ist während Ihres letzten Falles immer wieder durch die Medien gegangen, was für eine verdeckte Ermittlung natürlich nicht sehr günstig ist. Sie werden vielleicht ein paar Veränderungen an Ihrem Aussehen vornehmen müssen.“
Mo folgte den umfangreichen Ausführungen, die Mayfield über den Sicherheitsrat von sich gab, schon länger nicht mehr und war plötzlich nur noch an der gut informierten Frauenrechtlerin interessiert.
„Wie viele von diesen Leuten hier sind von der UN?“, wollte er von ihr wissen, während sie sich auf zwei der gut gepolsterten Sessel der Galerie niederließen.
„Ziemlich genau die Hälfte. Wir können bei den meisten unserer Projekte nur über eine begrenzte Zahl eigener Mitarbeiter verfügen und sind gezwungen Externe zu rekrutieren. Bei besonderen Operationen hat es auch Versuche gegeben, mit verschiedenen Geheimdiensten zu kooperieren. Wegen der möglichen Interessenskonflikte hat sich dies in der Praxis jedoch oft als schwierig erwiesen. Die UN verfolgt grundsätzlich andere Ziele, als es Nationen tun. Die Einmischung eines nationalen Geheimdienstes in die Angelegenheiten der UN kann unter Umständen zu nachhaltigen Verstimmungen bei diversen UN-Mitgliedsländern führen.“
„Das ist leicht nachzuvollziehen. Soweit ich weiß, besaß die UN in ihren Einrichtungen bisher keine echten, eigenen Hoheitsrechte, sondern nur diplomatische Immunität. Mit der Gründung der UN-RN hat sich das geändert. Ich könnte mir vorstellen, dass nicht alle Nationen diesen Machtzuwachs der UN positiv sehen.“
„Selbstverständlich nicht, Dr. Morris. Ich bin übrigens nicht so einseitig und ideologisch befangen, nicht auch Kritik an unserer Organisation zulassen zu können. Offiziell ging es der UN nur darum, bestimmte Menschenrechtsstandards in den Gebieten der UN-RN zu wahren und besonders betroffene Nationen von den hohen Einwanderungszahlen zu entlasten. Aber im Hintergrund ging es natürlich immer auch um den Machtzuwachs, der mit dem Großprojekt des Flüchtlingsstaates verbunden ist. Keine Organisation, so menschlich und moralisch sie sich in ihren Zielen auch immer geben mag, kann sich davon freisprechen, an der Ausweitung ihrer eigenen Einflusssphäre interessiert zu sein. Als supranationale Vereinigung wird die UN grundsätzlich besonders kritisch daraufhin geprüft, ob ihr Machtzuwachs auf Kosten einzelner Nationen geht. Die Gebiete, die der UN von diversen afrikanischen und europäischen Ländern sowie von Russland und der Türkei zur Verfügung gestellt wurden, wurden ausdrücklich nur als eine zeitlich befristete Überlassung definiert. Die UN-RN gelten als eine hoheitliche Sonderform, die nicht mit den ideellen Hoheitsansprüchen der UN als solches identisch sind. Das ist eine juristische Unterscheidung, die eine gewisse Tragweite hat. Mit dieser Regelung soll von vornherein ausgeschlossen werden, dass die UN auf längere Sicht durch die Beanspruchung fremder Gebiete die Unterwanderung und Auflösung einzelner Nationen anstreben könnte. Zu dieser Regelung gehört auch, dass die in der UN-RN beschäftigten Angestellten und Beamten zu 60 Prozent aus denjenigen Ländern rekrutiert werden müssen, die die entsprechenden Gebiete zur Verfügung gestellt haben.“
Merizadi beendete ihre Erläuterungen, da sich die Gruppe anschickte, die Galerie wieder zu verlassen und zu dem nächsten Saal zu wandern.
„Könnte vielleicht einer der Gründe für unseren Auftrag mit dieser Regelung in Zusammenhang stehen?“, entgegnete Mo ahnungsvoll, während sie sich wieder erhoben.
„Diese Vermutung ist nicht ganz falsch, Dr. Morris. Es geht um Korruption aber auch um andere Dinge. Sie ist in den verschiedenen Gebieten unterschiedlich stark ausgeprägt. In manchen müssen wir fast die gesamten Kräfte unseres eigenen Personals aufwenden, um die übrigen 60 Prozent der Angestellten zu kontrollieren. Auf Dauer ist das natürlich ein untragbarer Zustand, der mit immensem Aufwand verbunden ist.“
Obwohl sich die Unterhaltung gerade erst entwickelt hatte, zog sich Merizadi plötzlich wieder von ihm zurück, indem sie auf einen untersetzten, schwarzhaarigen Mann mit dichtem Vollbart und runder Brille wies und meinte:
„Ich werde ein paar Takte mit einem Kollegen reden. Ich würde mich freuen, wenn wie unsere Unterhaltung später fortsetzten könnten.“
So überraschend wie die Ankündigung kam, so schnell verschwand sie an der Seite des Mannes, der durch seinen schwarzen Bart und seine Nickelbrille wie ein arabischer Universitätsprofessor aussah, aus dem Saal.
Er war wieder allein und fiel erneut an das Ende der Gruppe zurück, während Mayfield seine Führung durch das UN-Gebäude fortsetzte. Er ging dabei sehr gewissenhaft und gründlich vor, da er offenbar nicht vorhatte, auch nur einen einzigen der übrigen Räume und Säle auf seinem Rundgang auszulassen. Mo beobachtete immer wieder verstohlen, wie sich Merizadi mit dem schwarzhaarigen „Professor“ angeregt unterhielt. Obwohl er sie noch gar nicht kannte, fühlte er fast so etwas wie Eifersucht, nachdem sie ihm nach dem kurzen, aber intensiven Gespräch so plötzlich und unvermittelt ihre Aufmerksamkeit entzogen hatte.
Auf der langen Führung stellte sich bald Langeweile ein und sein Interesse erwachte erst sehr viel später wieder, als sie einen wichtigen Hauptsaal betraten: Es war der Saal, in dem die UN-Generalversammlung zusammenkam. Sein Wahrzeichen, die markante, riesige Kuppel, die das Gebäude nach außen sichtbar überragte, verlieh ihm etwas von dem Charakter eines Sakralbaus. Der Eindruck wurde durch die Sitzreihen verstärkt, die eine gewisse Analogie zu Kirchenbänken aufwiesen, sowie durch das riesige UN-Emblem, das an der Stirnseite des Saals von einer großen, goldenen Fläche umschlossen wurde. Der Tisch mit den drei Plätzen für die Vorsitzenden der Versammlung, der sich direkt am Fuß der goldenen Fläche befand, bekam in Mos Wahrnehmung Ähnlichkeit mit einem Altar, auf dem die große Idee der weltweit geeinten Nationen gleichsam religiös zelebriert wurde.
Er bekam keine Gelegenheit, den eindrucksvollen Raum weiter auf sich wirken zu lassen, weil er Dr. Timothy Goldsworthy an der Seite eines untersetzten, dicken Mannes den Saal betreten sah. Als Goldsworthy ihn erspähte, steuerte er direkt auf ihn zu und dirigierte dabei den Anderen lebhaft redend und gestikulierend neben sich her. Im Vergleich zu dem extravaganten, modisch gekleideten Goldsworthy, dessen Bewegungen an die eines stolzen Pfaus erinnerten, wirkte sein schwarzhaariger, südamerikanisch aussehender Begleiter durch seine würdige Haltung und seine aufgeräumten Gesichtszüge wie ein durch und durch seriöser Kerl.
„Dr. Morris, was für eine Freude Sie hier zu sehen!“, wurde er bald von Goldsworthy mit einer etwas künstlich wirkenden Überschwänglichkeit begrüßt. Dabei hielten sie sich im Eingangsbereich des Saales auf und wurden von einigen aus der Gruppe neugierig beäugt. „Ich war mir nicht ganz sicher, ob Sie meiner Einladung hierher wirklich folgen würden. Ich hatte schon die Befürchtung, Sie könnten sich zu dem Abenteuer nicht entschließen, da es einige Entbehrungen mit sich bringt. Ein Luxusleben können wir Ihnen auf Ihrer Reise in der UN-RN natürlich nicht bieten.“
„Da kennen Sie mich schlecht. Wenn ich sage, ich komme, komme ich!“, versicherte Mo mit einem Ton heiliger Überzeugung, der ein freundliches Grinsen in die Gesichter der Männer treten ließ.
„Natürlich, natürlich, ich scherze