Liebesblues. Christine Jörg

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Название Liebesblues
Автор произведения Christine Jörg
Жанр Языкознание
Серия
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783847619611



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Hinweg läuft alles glatt, doch als er sich zum Rückweg anschickt, beginnt es leicht zu regnen. Es hindert ihn nicht daran weiterzufahren. Man ist schließlich nicht aus Zucker. Und überhaupt, was bedeutet denn schon ein Regenguss?

      Bei Immenstadt wird der Regen stärker, doch Gerd ignoriert zunächst die Wasserflut von oben. Die Tropfen prasseln immer kräftiger auf ihn herab. Seine Brille ist voll von Regentropfen. Aus diesem Grund beschließt er in einem verfallenen Stadel Unterschlupf zu suchen. Zwar ist er schon nass und es hätte nichts mehr ausgemacht, die kurze Strecke nach Hause zu fahren, doch er steigt ab und stellt sein Fahrrad an die Außenwand der Hütte.

      Vorsichtig, um nicht über ein unvorhergesehenes Hindernis zu stolpern, tritt er ins dunkle Innere des Stadels ein. Er stellt fest, das Dach ist an einigen Stellen leck, doch schließlich findet er hinten im Dunkeln einen trockenen Unterschlupf. Hier will er abwarten, bis der Regen nachlässt.

      *

      Schon seit einiger Zeit hat Marianne sich auf gemütliche freie Osterfeiertage mit Franzi gefreut. Doch als sie am Gründonnerstag von der Arbeit gerädert nach Hause zurückkehrt, liegt Franzi mit Fieber im Bett.

      Also ist an die Tagesausflüge und Bummeln, wie sie es geplant haben, nicht mehr zu denken.

      Am Ostersonntag fällt Marianne die Decke auf den Kopf. Sie muss raus und etwas unternehmen, ob nun Franzi krank ist oder nicht. Immer kann sie nicht Rücksicht nehmen. Schließlich ist in fast allen Fällen Marianne diejenige die Rücksicht nimmt. Meistens gibt sie bei Streitereien oder Unstimmigkeiten nach, nur damit der Haussegen nicht schiefhängt. Sie legt Wert auf ein harmonisches Zusammenleben, was man von Franzi nicht immer behaupten kann.

      Heute also holt Marianne ihr Fahrrad aus dem Keller und beschließt eine kleine Radtour zu unternehmen. Weit will sie nicht fahren. Auch die Wettervorhersage ist nicht rosig. Sie braucht schlicht und einfach frische Luft um die Nase. Nur die Spaziergänge mit ihrem Hund genügen Marianne nicht. Die ganze Woche verbringt sie tagsüber im Büro, da braucht sie am Wochenende Bewegung.

      Ihr Weg führt Marianne auf dem Illerdamm nach Kempten. Die Winterpause ist zu Ende. Also genau das Richtige um in Radlerform zu kommen.

      Marianne ist schon auf dem Rückweg, als der Himmel sich öffnet und seine Tränen fallen lässt. Schwarz ist das Firmament schon längere Zeit, doch sie hat gehofft, auch den Heimweg trocken überstehen. Aber es soll nicht sein. Das Glück scheint ihr dieses Wochenende nicht hold zu sein. Erst Franzi krank, dann auch noch der heftige Regen!

      Bei der ersten Möglichkeit, die sie ausmacht beschließt Marianne sich unterzustellen. Sie entdeckt einen Stadel. Als sie sich nähert, stellt sie fest, dass sie nicht die Erste ist, die hier Unterschlupf sucht. Ein Fahrrad steht bereits da. Was heißt hier Fahrrad? Eine Luxusmaschine! Zumindest verglichen mit ihrem alten Drahtesel. Jetzt hat sie keinerlei Lust auf Gesellschaft jeglicher Art, doch im Augenblick hält Marianne es für sinnlos weiterzufahren. So wie es im Moment gießt!

      Sie gesellt ihr Fahrrad zu dem, das bereits an der morschen Holzwand lehnt. Vorsichtig schiebt sie die quietschende Tür zum Stadel auf. Die Scharniere sind nicht gut verankert. Die Tür droht in den Stadel zu fallen. Marianne kann sie gerade noch festhalten. Vorsichtig tritt sie ins Dunkel ein. Ihre Augen haben sich noch nicht an die Finsternis gewöhnt. Sie zwinkert ein paar Mal, doch es hilft nichts. Sie kann nichts ausmachen.

      Kapitel 2

      „Kommen Sie nur herein“, begrüßt sie sofort eine freundlich klingende Männerstimme.

      Zwar weiß Marianne, dass sich schon eine Person im Inneren des Unterstandes befindet, trotzdem zuckt sie zusammen.

      Zögernd folgt sie der Aufforderung und bringt nur ein: „Entschuldigung“, hervor.

      „Na, Sie hat es auch toll erwischt“, stellt die Stimme aus dem Hintergrund fest und fügt hinzu, „bleiben Sie nicht an der Türe stehen, dort ist das Dach undicht.“

      Marianne bewegt sich immer noch nicht. Am liebsten wäre sie sofort wieder aus der Hütte gelaufen. Doch da hört sie den Mann, den sie nicht ausmachen kann, auffordernd sagen: „Kommen Sie schon herein! Haben Sie keine Angst, ich beiße nicht.“

      Langsam gewöhnen sich ihre Augen an die Dunkelheit des Stadels. Nun kann sie am anderen Ende einen Mann unbestimmten Alters, etwas größer als sie selbst, ausmachen.

      Zögernd tritt sie weiter in die Hütte ein. Schließlich ist sie kein kleines Mädchen mehr, weshalb ist Marianne nur immer so überaus vorsichtig, um nicht zu sagen ängstlich?

      Schon nach ein paar vorsichtigen Schritten bekommt sie die ersten Tropfen vom undichten Dach auf ihrem nassen Kopf zu spüren. Nochmals sagt sie sich, es ist ausgemachter Quatsch, hier angehalten zu haben. Sie hätte genauso gut direkt nach Hause fahren können. Schließlich ist sie schon nass. Was kann sich daran noch ändern? Im Gegenteil, wenn sie jetzt hier in diesem Stadel herumsteht und darauf wartet bis der Regen nachlässt, wird sie sich erkälten. Ihr wird unweigerlich kalt. Aber nun ist es zu spät. Zudem hätte komisch ausgesehen, wenn sie schlagartig die Flucht ergriffen hätte. Deshalb zwingt sie sich, so ruhig und sicher wie nur möglich auf den Mann zuzugehen. Er wird ihr schon nicht den Kopf abbeißen, wie er sich ausgedrückt hat.

      „Grüß Gott“, ist das Erste, was ihr als Gruß einfällt. Wie üblich benimmt sie sich wie die Dame von Welt, die sie noch nie war. Sie macht sich lächerlich wie immer. Egal wo sie ist, sie ist und bleibt der Trampel, der Elefant im Porzellanladen. Lockere Umgangsformen liegen ihr nicht. Alles in ihr verkrampft sich sofort.

      „Leider kann ich Ihnen keine Jacke umhängen, wie das in Filmen geschieht“, meint der Mann nun lachend, „ich habe nämlich auch nur meine nasse Radlerkluft an.“

      „Das macht nichts“, gibt sie zur Antwort, „schließlich bin ich selbst schuld, wenn ich nass geworden bin. Ein Blick zum Himmel und ich hätte wissen müssen, dass Regen kommt und ich wäre zu Hause bleiben können.“

      „Oh, das wäre aber schade gewesen“, fährt der Fremde unbeirrt fort, „dann hätten wir uns nicht in diesem romantischen Stadel getroffen.“ Marianne hört ihn leise lachen. Sie tritt fröstelnd einen Schritt zurück.

      Ist das witzig sein oder was, fragt sie sich. Sie sollte einfach kehrtmachen und ihr Hinterteil wieder aus der Hütte bewegen, doch sie starrt ihn nur dümmlich an. Eine passende Antwort fällt ihr wie üblich nicht ein. So war es immer mit ihr. Vielleicht bewundert sie deswegen Franzi so sehr. Ja, der eine redet gewandt und gibt Kontra, und der andere steht immer nur da und staunt, wie jemand so geistreich ist. Marianne beneidet schlagfertige Menschen. Sie schaut zu diesen Leuten auf. Wenn sie ganz ehrlich ist, auf Franzi ist sie richtig stolz. Vielleicht aber ist es die Schlagfertigkeit der anderen, die Marianne letztendlich lähmt und sie sogar rede- und denkfaul macht.

      *

      Was ist das nur für eine schüchterne oder soll ich vielleicht sagen, verklemmte, Frau, denkt Gerd. Dabei sieht sie, so wie er es erahnt doch recht passabel, ja sogar anziehend aus. Auf seine ganzen geistreichen Reden geht sie nicht ein. Oder sind seine Reden vielleicht nicht geistreich? Wie kann er sonst noch versuchen, sie aufzuheitern? Vielleicht sollte er sie dazu überreden mit zu ihm zu kommen. Er könnte ihr von seiner Kleidung leihen.

      *

      Immer noch starrt Marianne den fremden Mann an. Er sieht ganz ordentlich, zwar nass, aber normal aus. Sie nimmt an, dass er Anfang bis Mitte Vierzig sein mochte. Wie schon erklärt, ist er etwas größer als sie selbst, also größer als ein Meter fünfundsechzig. So gesehen ist es nicht schwierig größer als sie zu sein. Mit eins fünfundsechzig überragt sie nicht gerade die anderen Menschen.

      Um nicht immer den Fremden anzustarren wendet sie sich um und blickt durch die einzige Öffnung, die als Fenster dient.

      Sie will nicht ewig schweigen, also sagt sie: „Es scheint jetzt weniger zu regnen. Ich glaube, ich breche wieder auf.“

      „Sie holen sich den Tod, wenn Sie jetzt weiterradeln“, wirft der Mann sofort ein. „Wo wohnen