Название | Allerhand Kreuzköpf |
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Автор произведения | Karl Schönherr |
Жанр | Языкознание |
Серия | |
Издательство | Языкознание |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783847681410 |
»Beim Speck spart sie«, dachte er sich; »dafür wird sie mir ’s Schmalz aufbraucht habn! Euch kennt man schon!«
Er ging kühl gemessen weiter zum Schmalzkasten, drehte den Schlüssel um und riß die Tür auf. Da bot sich ihm die zweite Überraschung. Stramm in Reih und Glied, wie preußische Grenadiere, standen die Schmalzhäfen da.
»Ja, wenn sie nit laar sein«, beargwöhnte der Stumpfl. »Mich schmiert man nit an!«
Er hob von jedem Topf den Deckel; sie waren alle mit goldgelbem Schmalz bis an den Rand gefüllt.
In seinem Argwohn stach der Stumpfl mit einem Holzstäbchen noch tief in jeden Hafen bis zum Grund.
»Durch und durch Schmalz!«
Er sagte noch immer kein Wort zur Juli, als er die Tür wieder verschloß. Aber er ließ ihr ehrerbietig den Vortritt. Jetzt noch hinunter in den Erdäpfelkeller. Es traten dem Stumpfl die Augen heraus, wie er den mächtigen Kartoffelberg vor sich liegen sah. Er wühlte wie besessen in dem Haufen herum, ob nicht etwa die Halbscheid Steine mit eingelagert wäre. Aber es waren alles gute, knollige Kartoffeln und auch nicht eine faule darunter.
Es läßt sich nicht beschreiben, mit welchen Augen der Stumpfl nun seine Spitzjuli anschaute.
»Weibets, kannst du hexn? Wie kommt denn jetz dös?«
Da ereiferte sich die Spitzjuli heftig:
»Wie dös kommt? Weil die Laster alle nur ihre Heiratsflausen im Kopf habn und die Wirtschaft verschlampn lassn! So kommt’s!« Dann nestelte sie den Schlüsselbund wieder an ihre magere Hüfte und ging, ohne sich weiter um den Bauer zu kümmern, der Wirtschaft nach.
Des andern Tags nach dem Mittagessen vertauschte sie ihre blaue Küchenschürze mit einer besseren weißen und sagte zum Bauer:
»I geh nur auf a halbes Stündl ins Dorf um Garnspulen; will im Winter spinnen, man erspart viel!« Der Stumpfl sah ihr so lange durch den Fensterausguck nach, bis der Waldweg ihre knochige Gestalt aufgeschluckt hatte. Er sah schon alle Kästen voll Leinwand und Tuchkugeln und schwur sich, diese Wirtschaftsmaschine nicht mehr von seinem Hofe zu lassen. Die Juli war ihm lieber als ein altes Hufeisen, das ja auch Glück bringen soll.
Gegen Abend kehrte sie wieder heim. Sie tat tiefgekränkt und warf, ohne ein Wort zu sagen, das Spulenbündel auf den Tisch.
Als der bestürzte Stumpfl fragte, was es mit ihr habe, begann es sie zu stoßen; sie nahm die Schürze vor das Gesicht und lief laut aufheulend aus der Stube. Der Stumpfl hielt nach seiner Häuserin Umschau. Er fand sie in ihrer Kammer. Der Kleiderkasten stand weit auf, die Schubladen waren ausgezogen. Die Spitzjuli kniete auf dem Boden und packte ihre Sachen. Da erschrak der Stumpfl bis ins Mark und wollte wissen, wie und was. Aber sie gab auf keine Frage eine richtige Antwort, mullte nur und bockte und packte ihre Habseligkeiten in ein großes Bettlaken, das sie vor sich auf dem Boden ausgebreitet hatte. Denn sie besaß ja kein Köfferle mehr. In gleichmäßiger Zeitfolge schluchzte sie immer nur die Worte heraus:
»I bin keine solchene!« Und wenn der Bauer fragte: »Ja, was für a welchene?« und begütigend nach ihrer Hand greifen wollte, stieß sie ihn jedesmal ab, wie ein lästiges Geziefer, und fuhr ihn an:
»Weil i mir das nit nachsagn laß!« Mehr war aus ihr nicht herauszuquetschen.
So konnte der Bauer nichts weiter tun, als dastehen wie der gefrorene Jörgl im Märchen, der den mühsam gehobenen Schatz vor seinen Augen versinken sieht, weil er den Zauberspruch nicht kennt, um ihn zu halten. Als die Spitzjuli alle ihre Habseligkeiten zusammengeworfen hatte, faßte sie zweimal je zwei Zipfel des Leintuchs, zog sie mit energischen Griffen zu Knoten, und der Pack lag wanderfertig vor ihr auf dem Boden. Nun schrie sie es unter einem Tränenschwall hervor:
»Die Leut im Dorf sagn, wir zwei hätten’s miteinand!«
Sie streckte wie abwehrend die Hände mit weitgespreizten Fingern gegen den Stumpfl und sah ihn an, als wollte sie ihn mit den Augen spießen. Dann vergrub sie ihr Gesicht tief in die Füllung der Schranktür, so daß ihr sittenstrenger Haarknoten mit dem Pfeil hinten aufstand wie ein Entenbürzel. Nun überkam den Stumpfl jene große Angst, die in den Traumbücheln mit der Nummer 90 bewertet ist; er stand am Scheideweg. Vor seinem geistigen Auge bimmelten herrliche Speckseiten auf endlosen Rauchstangen, volle Schmalztöpfe marschierten in Doppelreihen auf, ein Kartoffelhaufen türmte sich haushoch empor. Und diese Mehrerin seines Reiches sollte ihm nun auf immer verloren sein. All das hätte er am Ende noch verwinden können. Aber der Gedanke, daß diese Arbeitsmaschine sich nun bald auf einem andern Bauernhöfl in Gang setzen würde, ging über Stumpfls Kraft. So sagte er schüchtern: »Juli! Jetz wär einer da, in allen Ehrn!«
Da drehte sich die Juli mit einem kräftigen Ruck herum, lugte mit einem Aug hinter dem vorgehaltenen Zipfel der Schürze hervor und sagte rasch:
»Wo?«
Sie spekulierte mit dem einen grauen Katzenauge die ganze Kammer ab, sah sogar zur Decke hinauf, nur nicht auf den Stumpfl. Bis der mit seinem krummen Arbeitsfinger auf seine Wenigkeit zeigte und mit der andern Hand ein ungefüges Kreuzzeichen machte, was die priester liche Einsegnung versinnbildlichen sollte. So hielt der Stumpflbauer um die überspielte Orgel an. Da ließ die Juli auch vom andern Auge den Schürzenzipfel fallen und tat unsäglich erstaunt:
»Na, so was! Da hätt i mir jetz eher den Tod einbildet!«
Dann machte sie ein ernstes Gesicht und sagte strenge:
»Stumpflbauer, so a Sach kann man nit übers Knie abbrechen; das will guet überlegt sein!«
Das Bäuerlein verbrachte eine unruhige Nacht der Erwartung. Aber bis zum nächsten Tag hatte es sich die Spitzjuli doch zum Günstigen beschlafen und sagte mürrisch genug:
»In Gottsnamen!« Und packte ihre Ausstattung wieder aus dem Leintuch in den Kasten.
Sie brauchte kein Köfferle mehr.
Als die Hochzeit vorüber war, legte die Juli dem Bauer ihre knochige Hand auf die Schulter und sagte bloß: »Thomas, jetz habn mer’s!« Als sie noch Spitzjuli gewesen war, hatte sie im Dienste so viele Monate lang ihre inwendige Wut, an der manche Weibetser immerfort leiden, zurückdrängen müssen; jetzt, als verehelichte Stumpfl, brauchte sie ihrer Natur nicht mehr länger Zwang anzutun.
Das Bäuerlein tröstete sich:
»Kannst nix machen! Angschmiert ist man mit die Weiber allemal, sowie man nur an einer anstreift! Aber sie bringt mein Hof in die Höh!« Schmalz, Speckseiten, Erdäpfel, und heuer kamen noch die Tuchkugeln dazu. Denn was wird die Juli über die langen Winterabende an Garn gesponnen und dem Weber abgeliefert haben!
Da kam so um Michäli herum der Weitenbrunner Bote gefahren und hielt vor dem Stumpflhof.
»Schöne Speckseitn, Schmalz, Erdäpfel hätt i«, sagte er zum Bauern, der vor der Tür auf der Hausbank saß.
»Brauch nix, hab selber zum verkaufn!«
»Oha! Dei Häuserin hat mir aber vorigs Jahr haufenweis abkauft«, murrte der Bote und fuhr kopfschüttelnd weiter.
Der Stumpfl stand mit offenem Munde da; ihm ahnte was. Er hätte gern auf der Stelle seinem Weib den Schlüsselbund abverlangt, aber er überlegte sich’s; denn morgen war Sonntag, und da will man doch mit heilem Gesicht zur Kirche kommen.
Da wollte er lieber warten, bis sie einmal schlief. Und die Gelegenheit ergab sich bald.
Die Stumpflbäurin schlief jetzt oft bis in den hellen Morgen, und jedermann im Hause hütete sich, sie zu wecken.
Das Bäuerlein drehte mit zittrigen Händen den Schlüssel zur Speckkammer um und sah nach oben. Aber sosehr er auch seine Äuglein zusammenkniff und das ganze Kämmerlein abspekulierte, nicht ein einziges Speckseitchen sah er baumeln. Es grinsten ihn nur die nackten Rauchstangen an.
Dem Stumpfl schwamm es vor den Augen. Er lief zum Schmalzkasten und riß die Töpfe heraus. Sie waren alle bodenleer.