Brain Cloud. Matthias Houben

Читать онлайн.
Название Brain Cloud
Автор произведения Matthias Houben
Жанр Языкознание
Серия
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783847689737



Скачать книгу

war, da er selbst sich noch nicht entschieden hatte.

      In seinem leichten Sommerjackett über der Designerjeans, das Haar zurückgekämmt und zu einem langen Zopf über der Schulter getragen, sah er wahrscheinlich so cool und relaxed aus, dass jeder Hansel glaubte, sich vorpfuschen zu dürfen.

      GAB grinste leicht vor sich hin bei dem Gedanken, dem lästigen Vorpfuscher alle Konten zu sperren und die Einträge bei den Behörden zu löschen. Ein Kinderspiel für einen Computer Profi.

      „Bitte schön.“

      Die blauen Augen der Verkäuferin sahen ihn auffordernd an. Jetzt half nichts mehr, er musste sich entscheiden und kaufte ein Brötchen und einen Croissant.

      Während er zahlte und auf das Wechselgeld wartete, dachte er daran, dass es bald Zeit wurde, sich wieder einen Job zu besorgen. Nicht des Geldes wegen, da war er bereits versorgt. Aber das langweilige und eintönige in den Tag hinein leben, begann ihn mittlerweile zu frustrieren. Er kam sich mehr und mehr nutzlos und antriebslos vor, fühlte mit jedem neuen Tag, wie sich ein Stück der alten Neugierde von ihm löste und in Lethargie überging. Inzwischen hatte er sich angewöhnt, mehr auf sein Äußeres zu achten, als er es vorher jemals getan hatte. Die Farbe von Hemden passend zur Hose auszusuchen war ihm ebenso wichtig geworden, wie darauf im Auge zu behalten, dass die Schuhe zum Gürtel und die Lederjacke zu den beiden anderen passten.

      Der Blick in die Schaufensterscheibe zeigte ihm, dass er einen guten Geschmack und ausreichend Geld besaß, selbigen auch zu bedienen. Die junge Verkäuferin lächelte ihm nach, als er aus ihrem Gesichtsfeld verschwand, was wohl auch an dem Trinkgeld liegen mochte, das er ihr großzügig überlassen hatte.

      Es wurde wirklich Zeit, etwas zu ändern.

      Er hatte sich in dieser öden Kleinstadt lange genug versteckt.

      Am Anfang war es noch interessant gewesen, alles neu gestalten zu müssen, Wohnung, Einkaufsgewohnheiten. Nach und nach hatte er sich die kleine Welt um den Marktplatz mit ihren Boutiquen und Geschäften erschlossen, gestaltete seine Tage mit Lesen, Einkaufen und Kaffeetrinken. Aber irgendwie war mittlerweile die Luft raus.

      Einen Computer hatte er seit langer Zeit nicht mehr angefasst.

      Und das war auch gut so, obwohl sich das schwieriger gestaltete, als das Rauchen aufzugeben. Was er aber vor Kurzem wieder angefangen hatte. Sich mit Computern zu beschäftigen, hätte alte Dämonen wieder erweckt, deren Einfluss er dennoch spürte und erfolglos zu verdrängen suchte.

      Während er sich in aller Ruhe am Bürgersteig stehend eine Zigarette zu drehen begann, nahm er aus den Augenwinkeln eine große schwarze Limousine wahr, die langsam auf ihn zurollte. Schwarzer, amerikanischer SUV mit getönten Scheiben und brabbelndem Achtzylinder.

      Er beleckte mit der Zungenspitze sorgfältig die Gummierung des Zigarettenpapiers, drehte die fertige Zigarette ein paarmal Hin und Her und wollte sie sich in den Mundwinkel schieben, als er einen heftigen Stoß im Rücken spürte.

      Der rechte Arm wurde ihm nach hinten gebogen, eine starke Hand hatte ihn im Nacken gefasst und beugte seinen Oberkörper der sich weit öffnenden Wagen Tür entgegen. Sein rechtes Knie stieß an etwas Hartes, seine Brötchentüte fiel auf den Boden. Er rutschte lang dahingestreckt mit dem Kinn über eine Ledersitzbank, spürte, wie ein Ärmel des Jacketts hochgeschoben wurde, danach einen kurzen Stich, dann fiel die schwarze Lederbank komplett über ihm zusammen und hüllte ihn ein.

      Schwarz, sehr schwarz und muffig.

      Als er wieder aufwachte, lag er da, spürte nichts außer grenzenloser Schwere, als hätte man ihn mit Blei ausgegossen. Er konnte sich nicht bewegen, spürte seinen Körper nicht, als wäre der weit entfernt. Es roch und schmeckte merkwürdig, unbekannt, medizinisch, scharf und doch süß. Er konnte die Augen nicht mehr aufhalten und flog beiseite.

      Danach fühlte er ein Ruckeln, glaubte in weiter Ferne Stimmen zu hören, wurde hochgehoben und hart wieder abgesetzt, rollte ein Stück vor sich hin und dämmerte wieder weg.

      Fluggeräusche, Düsentriebwerke, Kälte und Schwärze.

      Weit hinten ein schwaches Licht, leicht schwankend im Rhythmus eines konstanten Pochens in seiner linken Stirnhälfte. Etwas Kaltes hielt sein Handgelenk gefangen und klapperte. Sein Kreuz schmerzte, aber immerhin spürte er etwas, öffnete mühsam die Augen und schloss sie geblendet wieder.

      Ein riesiger verschwommener Mond taumelte vor ihm hin und her und dröhnte mit tiefem Bass ihm entgegen: „ Hey Alter.“

      Lieber wieder die Augen schließen, alles nur ein Traum.

      Er hatte sein Brötchen noch nicht gegessen. Die Zigarette war ihm hingefallen. Er hatte sich das Knie angestoßen, sein tauber rechter Arm baumelte in etwas metallisch Kaltem.

      „Hey Alter.“ Seine Wange wurde getätschelt, wenn auch nicht eben sanft.

      Breite Schultern, ein riesiger Kopf fast übergangslos aus den Schultern wachsend. GAB blinzelte vertränt in die Höhe.

      „Na also, wird doch.“

      Diese Stimme.

      Irgendetwas versuchte in seinem Gedächtnis wieder nach oben zu tauchen. Er blinzelte erneut, sah auf einen Dreitagebart, der dunkel schimmerte.

      „Hallo GAB.“

      Er schaute hoch auf sein rechtes Handgelenk, das mit einer silbernen Handschelle an einem Bettgestell festgehalten wurde.

      „Reine Vorsichtsmaßnahme, damit du nicht herausfällst. Können wir gleich abmachen.“

      Jimmy grinste ihn aufmunternd an. Der alte Jimmy, noch größer, noch beleibter, noch speckiger.

      Also doch alles nur ein Traum.

      Er schloss die Augen und versuchte wieder in die Bäckerei zurückzugehen. Junge Verkäuferin mit hübschen blauen Augen, vorwitziger Drängler in grauer Arbeitskleidung, duftende Brötchenauslage hinter blank geputzter Scheibe, mit niedlichen kleinen, handgemalten Preisschildchen.

      Aber es gelang nicht.

      „Komm ich helfe dir.“

      Er wurde aufgerichtet, Jimmy hob ihn kurz an, als wiege er nichts.

      Ja Jimmy, der aussah, als sei er fett und dick und träge, was keineswegs stimmte, wie GAB wusste. Unter dem angefressenen Dickleib schlummerte ein gut durchtrainiertes Muskelkorsett.

      „So.“

      Kurzes Gehantele und Geklirr, sein rechter Arm fiel willenlos auf das Bett, auf dem er jetzt aufrecht saß.

      „Mensch Alter, bin ich froh, dich hier zu sehen.“

      Jimmy setzte sich auf die Bettkante und schaute ihn erwartungsvoll an. Das Bettgestell quittierte ihr addiertes Gewicht mit einem stählernen Ächzen.

      GAB war alles andere als froh hier und jetzt irgendwo zu sein und zudem auch noch mit Jimmy, der letzten Person, der er begegnen wollte.

      „Was soll das?“

      Gut, ein ziemlich idiotischer Gesprächsanfang, aber mehr wollte ihm nicht einfallen.

      Jimmy grinste ihn verlegen an und rubbelte mit einer Hand an seinen Bartstoppeln.

      „Tja, ein wenig bin ich wohl schuld.“

      Ein wenig war gut, Jimmy war eigentlich immer für jedes Desaster verantwortlich gewesen. Seine Verantwortung für Ereignisse stand in recht gesundem Verhältnis zu seinen Körpermaßen. Beides nahm offensichtlich unaufhaltsam zu.

      „Weißt du, meine Geschäftspartner können recht kompromisslos sein und ich habe gesagt, dass wir dich brauchen.“

      Tja und jetzt war er hier, von den kompromisslosen Partnern in ein Auto gezerrt, betäubt, verschleppt. Man hätte auch anrufen können.

      Er versuchte in Jimmys dunklen Augen so etwas wie Scham zu sehen, aber die blinzelten unternehmungslustig wie eh und je. Keine Spur von Reue oder Schuldbewusstsein.

      GAB versuchte sich