Das Collier der Lady Ira. Mara Laue

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Название Das Collier der Lady Ira
Автор произведения Mara Laue
Жанр Языкознание
Серия Ein Edinburgh-Krimi mit Glen Kincaide
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783948483500



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denn die roten Steine verteilten sich von dieser Ballung aus wie eine Fontäne aus Blutstropfen abwärts auf der Mauer.

      Glen stieg aus und öffnete die hintere Wagentür. Sein blonder Labrador Shade sprang heraus, rannte zum nächsten Busch und hob das Bein. Glen nahm seinen Aktenkoffer aus dem Kofferraum, verriegelte die Tür und wartete, bis Shade sich erleichtert hatte, ehe er einen leisen Pfiff ausstieß und zum Haupteingang des Manors ging. Shade sprintete an seine Seite und trabte neben ihm her. Glen verzichtete auf eine Leine, wo er die nicht wegen irgendwelcher Vorschriften benutzen musste, denn er hatte Shade bestens erzogen, sodass der Hund ihm aufs Wort – oder Handzeichen oder Pfiffe – gehorchte.

      Forthwater Manor stand unter Denkmalschutz, weshalb die Tür immer noch ein aus Eichenbohlen gefertigtes, mit silberfarbenen Beschlägen versehenes Monstrum war. In der Mitte prangte das schmiedeeiserne Clanwappen der Moncreiffes, die die Burg erbaut hatten: ein sich aufbäumender Löwe mit dem Clanmotto »Sur Esperance« – »über allem die Hoffnung« – halbkreisförmig darüber. Darunter befand sich ein riesiger Klopfer, der als »Klingel« fungiert hatte, bevor neben der Tür ein echter Klingelzug angebracht worden war. Glen zog daran. Tief in der Burg erklang ein Gong. Shade knurrte leise.

      Glen warf ihm einen verweisenden Blick zu. »Benimm dich!«, forderte er den Hund auf. Shade sah ihn treuherzig an, wedelte mit dem Schwanz und hechelte, was aussah, als würde er Glen anlächeln. »Keine Chance! Auf die Unschuldsmiene fall ich nicht rein.«

      Als hätte Shade ihn verstanden, ließ er die Ohren hängen.

      Hinter der Tür erklangen gedämpfte Schritte. Sekunden später wurde sie von einem Mann um die fünfzig geöffnet. Dessen Lächeln gefror bei Glens Anblick, und er starrte ihn schockiert an. Zwar machte der Schock gleich darauf einer von Erröten begleiteten Verlegenheit Platz, aber der Mann konnte seine spontane Reaktion beim Anblick der Narben in Glens Gesicht, die sich über das Auge, die rechte Wange und den Hals bis unter den Hemdkragen zogen, nicht ungeschehen machen. Er war gewöhnt, dass man ihn entweder schockiert, mitleidig oder verächtlich ansah, denn die Narben fielen jedem als erstes ins Auge, selbst wenn er wie heute einen Anzug trug und wie aus dem Ei gepellt wirkte. Dennoch verspürte er immer noch jedes Mal einen Stich im Inneren.

      Er enthob den Mann weiterer Verlegenheit. »Mr Ian Craig?« Glen reichte ihm eine Visitenkarte. »Glen Kincaid von der Versicherung Currie and Stewart. Ich komme wegen Ihres Antrags auf Versicherung eines Colliers.«

      Der Mann nickte, nahm die Karte und blickte flüchtig darauf. »Ich habe Sie erwartet. Bitte, kommen Sie herein.«

      »Darf mein Hund mit? Ich versichere Ihnen: Er weiß sich zu benehmen.«

      »Gerne.« Craig öffnete die Tür weit, lächelte Shade zu und vermied, Glen noch einmal ansehen zu müssen. »Ich hatte früher auch Hunde. Traditionelle Jagdhunde, obwohl ich schon lange nicht mehr jage. Aber so eine ganze Meute frisst einem die Haare vom Kopf. Deshalb habe ich sie schließlich abgeschafft. – Hier entlang, bitte.«

      Glen folgte dem Mann in ein relativ kleines Büro, dessen moderne Einrichtung in krassem Kontrast zum altertümlichen Äußeren der Burg stand.

      Craig forderte ihn mit einer Handbewegung auf, vor einem Schreibtisch Platz zu nehmen, hinter den er selbst sich setzte. »Weil Forthwater Manor unter Denkmalschutz steht, darf ich das Äußere nicht verändern und muss auch einen großen Teil des Inneren erhalten. Aber wenigstens mein Büro konnte ich einrichten, wie ich wollte.«

      Glen setzte sich, und Shade legte sich neben ihn. Der Hund kannte die Prozedur und wusste, dass er sich bei Kundenbesuchen möglichst ruhig und unauffällig zu verhalten hatte.

      »Ja, Denkmalschutz ist Segen und Fluch zugleich«, stimmte Glen ihm zu. Er öffnete seinen Aktenkoffer, nahm einen Stapel Papiere heraus und reichte ihn Craig. »Wenn Sie sich den Vertrag bitte sorgfältig durchlesen wollen, Sir.«

      Craig nickte, war aber in die Betrachtung der Visitenkarte vertieft. Er runzelte die Stirn und blickte Glen flüchtig an. »Sie sind – Versicherungs-Detektiv

      Glen glaubte, einen Hauch von Entsetzen, in jedem Fall aber Empörung, in der Frage zu hören. »Im Hauptberuf. Aber da auch eine renommierte Versicherung wie Currie and Stewart nicht jeden Tag mit Versicherungsbetrug zu tun hat, fungiere ich auch als Bote, der Verträge überbringt.« Glen deutete auf den Vertrag, den Craig vor sich hingelegt hatte. »Und natürlich vergewissere ich mich in Fällen wie diesem, dass der zu versichernde Schmuck echt ist. Haben Sie das Gutachten über das Collier schon erstellen lassen?«

      »Ja, wie gewünscht.« Craig zog eine Schublade auf, nahm einen Schnellhefter heraus und reichte ihn Glen. »Der Gutachter hat es erst gestern geliefert, obwohl ich ihn schon vor über zwei Wochen damit beauftragt hatte. Hatte angeblich zu viel zu tun.« Das klang vorwurfsvoll und ungläubig.

      Glen nahm den Hefter und setzte seine Lesebrille auf, bevor er ihn öffnete. Im Briefkopf prangte das Logo von John Mac­Bean als vereidigtem Schmuckgutachter neben dem Clanwappen, einer aufgerichteten Katze, die eine Pfote auf einem Schild abgestützt und die andere wie zum Schlag erhoben hatte. Dazwischen standen MacBeans Name und Kontaktdaten. Mac­Bean war in der Branche ein bekannter und geachteter Mann. Seine Gutachten und Wertschätzungen galten als akkurat und korrekt.

      MacBean hatte das Collier ausführlich beschrieben, bestehend aus einzeln in Gold gefassten einundzwanzig Saphiren im Altschliff – dem Vorläufer des Brillantschliffs – mit Rose Cut, bei dem die Steine ohne untere Spitze in die Fassung gebettet waren, die eine Köcherfassung mit massivem Goldboden darstellte. Den Mittelpunkt bildete ein lupenreiner schwarzer Diamant im Tropfenschliff, eingebettet in zwei Reihen aus dreiundvierzig einzeln gefassten Diamanten, ebenfalls mit Altschliff. Zwischen den Saphiren saßen zwanzig winzige goldgefasste Rubine wie Perlen, und einer verdeckte die goldene Öse des schwarzen Diamanten. Der war etwa fünfmal so groß wie die Saphire. Die Schließe bildeten zwei goldene Haken, die wie winzige Drachen geformt waren, die ihre Köpfe umeinander wanden, wenn sie geschlossen wurde. MacBean hatte die Karatzahl jedes einzelnen Steins angegeben und den reinen Materialwert mit 841.093 Pfund Sterling beziffert. Da es sich aber um ein verarbeitetes Schmuckstück und somit ein Kunstwerk und außerdem um eine Antiquität handelte, gestand MacBean ihm den Wert von anderthalb Millionen Pfund zu. Und zu diesem Preis wollte Craig das Collier versichern.

      »Das Collier ist eine Legende«, erklärte Craig. »Zumindest eine Familienlegende. Einer meiner Vorfahren – Angus de Monncrefe, dessen Vater im siebzehnten Jahrhundert diese Burg bauen ließ – hat es für seine Frau, Lady Ira, als Hochzeitsgeschenk anfertigen lassen. Sie stammte aus einem Nebenzweig des Königshauses, und die Ehe war nur ein politisches Arrangement, mit dem eine Allianz zementiert werden sollte, die dem Haus Gloucester eine zusätzliche Zahl von Kämpfern sicherte. Vermutlich war das der Grund, warum die beiden – Ira und Angus – einander nie geliebt haben.«

      Glen blickte von MacBeans Gutachten auf. »Lassen Sie mich raten: Ihr Vorfahre hat die Lady mit anderen Frauen betrogen.«

      Craig nickte. »Mätressen waren zu der Zeit nicht ungewöhnlich. Und ein Laird wie Angus hat sich natürlich auch bei den weiblichen Untergebenen bedient. Den Skandal, der zu der Legende führte, hat aber Lady Ira verursacht. Sie nahm sich nicht nur ebenfalls einen Geliebten, der obendrein ein Pferdebursche und nicht standesgemäß war, sondern ist auch mit ihm bei Nacht und Nebel mitsamt ihrer Schmuckschatulle und diesem Collier verschwunden.« Craig deutete auf das Gutachten, in dem Glen soeben zu einem ganzseitigen Foto des Colliers geblättert hatte. »Zumindest glaubte man das. Angus jagte seine Leute hinter den beiden her, aber man fand sie nicht. Sie sind nie wieder aufgetaucht, und man glaubte schließlich, es sei ihnen gelungen, sich auf irgendwelchen Schleichwegen nach Irland oder Frankreich oder anderswo hin abzusetzen, weit weg von Schottland.«

      Glen klappte den Schnellhefter zu, legte ihn zur Seite und setzte die Brille ab. »Was ein Irrtum war«, stellte er fest, denn der Fund des Colliers war vor drei Wochen durch alle Zeitungen gegangen. Da hing das Collier noch um den Hals der toten und offensichtlich ermordeten Lady Ira, deren sterbliche Überreste sowie die eines Mannes im Keller von Forthwater Manor bei Renovierungsarbeiten entdeckt worden waren.

      Craig nickte. »Wie sich jetzt