Ich glaubte immer an die Kraft in mir. Bianca Sissing

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Название Ich glaubte immer an die Kraft in mir
Автор произведения Bianca Sissing
Жанр Зарубежная психология
Серия
Издательство Зарубежная психология
Год выпуска 0
isbn 9783906872063



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Haliburten Forest & Wild Life Reserve Ltd. Ich liebte es, mit Dad zu zelten. Das war richtiges, kanadisches Zelten. Wir mussten vier Stunden fahren, um zu unserem kleinen Platz in der Wildnis zu kommen, der in der Mitte des Waldes an einem See lag, wir hatten einen einfachen kleinen Anhänger mit, und auf dem Platz war eine Feuerstelle. Wir gingen stundenlang fischen, saßen in einem Boot, manchmal redeten wir und manchmal waren wir einfach nur still. Wir genossen die Natur und warteten darauf, dass ein Fisch anbiss. Oder wir wanderten stundenlang durch den Wald und entdeckten die Details des Waldes. Diese Ausflüge hatten eine starke Wirkung auf mein Leben. Bis heute liebe ich es, im Wald spazieren zu gehen. Ich kann stundenlang auf verschiedenen Wegen wandern, mir die Bäume anschauen und die durch das Wetter verursachten Veränderungen beobachten. Ein Wald ist ein magischer Ort, voller natürlicher Energie, mit der wir uns aufladen können, wenn wir dessen gewahr und offen dafür sind.

      Zwei Jahre nach Dads Auszug, 1986, verschlechterte sich Moms Zustand derart, dass sie mit der Diagnose starke endogene chronische Depression in die psychiatrische Abteilung eines Krankenhauses eingeliefert wurde.

      Bis dahin wusste ich nur, dass Mom manchmal traurig war und manchmal wütend. Zuweilen schlief oder weinte sie sehr viel, aber ich verstand nie warum. In diesen frühen Jahren hatte Mom, wenn es darauf ankam, wirklich alles verdammt gut im Griff. Sie hatte gute Jobs, schöne Kleider an, hielt sich fit (außer dem Rauchen) und hielt das Haus in Ordnung. Wir sind zurechtgekommen und waren beide aktiv. Doch als wir unser altes Haus verließen, begannen die Dinge, sich langsam aufzulösen. Es gelang Mom wirklich gut, ihre Depressionen vor mir zu verstecken. Ich merkte damals noch nicht, wie schlecht es wirklich um sie stand. Wie konnte ich auch? Ich war erst sieben Jahre alt.

      Dann musste Mom eines Tages ins Krankenhaus gehen, in eine psychiatrische Klinik, und dort bis auf Weiteres bleiben.

      Ich lebte von da an bei meinem Vater, der jetzt mit einer anderen Frau zusammenlebte. Mom und Dad waren nie verheiratet gewesen. Ich war ein uneheliches Kind und trug Moms Nachnamen. Das hat manchmal zu vielen Fragen geführt, zum Beispiel: Warum hatte ich einen anderen Nachnamen als mein Dad? Damals, in den Achtzigerjahren, war es noch verpönt, ein außereheliches Kind zu haben. Dad wollte heiraten und hatte Mom sogar gefragt, doch Mom hatte ihre Gründe, warum sie nicht heiraten wollte.

      Nun veränderte sich meine Lebenssituation extrem. Dad vermietete unser ganzes Haus und lebte mit seiner Freundin und ihren beiden Töchtern in deren Haus. Das hieß, dass ich auch bei ihnen leben musste. Wow! Das waren für eine Siebenjährige bedeutende, traumatische Lebensveränderungen. Mom musste ins Krankenhaus, Abteilung Psychiatrie, niemand wusste wie lange, und ich zog in ein fremdes Haus, zu meinem Vater, seiner Freundin und ihren beiden Töchtern. Und ich musste die Schule wechseln. Heute bin ich erstaunt darüber, dass ich nicht depressiv wurde oder ein wildes, unkontrollierbares Kind. Wenn ich daran zurückdenke, sehe ich, dass meine einzige Möglichkeit, das alles durchzustehen war, immer positiv zu denken, immer nach dem silbernen Faden am Horizont Ausschau zu halten, und zu ahnen, dass es noch schlimmer sein könnte, und dass es irgendwann besser wird.

      Vielleicht fragst du dich jetzt: »Woher weiß eine Siebenjährige, dass es gut ist, positiv zu denken und zu überlegen, dass die Umstände noch schlimmer sein könnten?« Ehrlich gesagt, ich weiß nicht, woher oder warum ich das wusste. Ich wusste es einfach. Ich dachte, dass Mom im Krankenhaus ist, damit es ihr wieder besser geht, und wenn ich bei Dad lebte, konnte ich mehr Zeit mit ihm verbringen, was auch positiv war. Ich wusste, dass es Kinder gab, die gar keine Eltern mehr hatten, die sich um sie hätten kümmern können, und die bei fremden Leuten lebten. Und dass war meinem Gefühl nach noch schlimmer als meine Situation. Ich lebte einen Tag nach dem anderen und konzentrierte mich nur darauf, diesen Tag zu erleben.

      Schon im Alter von sieben Jahren und durch die Erfahrungen der letzten zwei Jahre wusste ich, dass der nächste Tag wieder völlig anders sein konnte als der heutige, und dass sich in einem Moment alles verändern kann. Ich versuchte, so gut ich konnte, in jedem Moment positiv zu denken, und ich glaubte, dass, wenn ich positiv eingestellt bliebe, sich die Dinge dann entsprechend positiv entwickeln würden. Großartige Gedanken für eine Siebenjährige. Ja, aber wenn man in einem so zarten Alter schon so viel erlebt hat, dann entwickeln sich die Gedanken, Handlungen und Emotionen über das Alter hinaus.

      Meine Eltern einigten sich darauf, dass ich Mom im Krankenhaus besuchen durfte, wann immer ich wollte. Das einzige Problem, das sich daraus ergab, war, dass das Krankenhaus ziemlich weit von uns entfernt lag, und nach der Schule gab es immer recht viel Verkehr, entweder auf dem Weg ins Spital oder auf dem Weg nach Hause. Da Dad wusste, dass es wichtig für mich und für Mom war, dass wir uns regelmäßig sahen, machte er es möglich. Manchmal war die Zeit im Auto länger als die tatsächliche Besuchszeit. Aber so war das eben. Und es war gut, dass wir uns überhaupt sehen konnten.

      Mom im Krankenhaus zu besuchen, insbesondere auf der psychiatrischen Station, war …, na, sagen wir ein außergewöhnliches Abenteuer für eine Siebenjährige. Da waren alle möglichen Leute. Einige von ihnen sahen normal aus, wie Mom, andere irgendwie krank, fahl, mit schlaffen Augen. Sie hatten keine Energie. Wieder andere waren völlig überladen mit Energie und konnten nicht stillsitzen. Und manche sah man gar nicht, man hörte durch die Wände und Türen nur ihr lautes Schreien und merkwürdige Laute. Wenn ich durch die Flure ging, bekam ich viele verschiedene Dinge mit, die ich nicht kannte. Ich hörte und sah Leute, die auf entsetzliche Weise schrien oder stöhnten, wovon jedes Kind beängstigende Träume haben würde. Ich sah Leute, die unkontrollierbare Anfälle und Wutausbrüche hatten, die von den Krankenschwestern festgehalten werden mussten, um ruhiggestellt zu werden. Ich sah manche, die sich selbst schlugen, die sich mit sich selbst unterhielten oder mit einem leeren Stuhl neben sich. Oder sie sagten unsinnige Dinge zu Leuten, die sie gar nicht kannten. Obwohl ich so etwas nie zuvor erlebt hatte, hatte ich niemals Angst. Mom versicherte mir immer wieder, dass wir an einem sicheren Ort waren, und dass es überall Doktoren und Krankenschwestern gab, die aufpassten, dass nichts passierte. Mom erklärte mir, dass diese Menschen auf unterschiedliche Weise krank waren und Hilfe brauchten, und dass wir sie weder verurteilen noch Angst vor ihnen haben sollten. Es sind Menschen wie alle anderen. Sie werden aufgrund einer Krankheit dort behandelt und sollten als Menschen respektiert werden.

      Diese Worte habe ich nie wieder vergessen. Sie haben mich Mitgefühl, Verständnis und Akzeptanz für alle Menschen gelehrt. So einfache Worte, mit einer so kraftvollen Bedeutung. Ich versuche, jeden Tag nach diesen Worten zu leben. Ich werde immer daran und an die psychiatrische Abteilung erinnert, wenn ich Leute auf der Straße (oder irgendwo anders) sehe, die mit sich selbst reden, in einem desorientierten Zustand sind oder offensichtlich auf irgendeine Weise auffallen, die anders sind als der Mainstream. Ich erinnere mich dann daran, dass ich ihre Geschichte nicht kenne. Ich weiß nicht, wo sie waren oder was sie alles durchgemacht haben. Und selbst wenn ich es wüsste, ist das immer noch kein Grund, Menschen zu verurteilen.

      Es gibt keinen Grund, Menschen zu verurteilen. Wir sollten andere überhaupt niemals verurteilen. Ich weiß, manchmal ist es nicht einfach, sich daran zu halten. Und manchmal ertappe ich mich dabei, irgendwelche oberflächlichen Gedanken über jemanden zu haben. Doch dann versuche ich, das Ego immer wieder schnell zu verscheuchen und sage mir: »Ich kenne ihre Geschichte nicht.« Wenn du dich das nächste Mal dabei ertappst, dass du irgendwelche urteilenden Gedanken über jemanden hast, dann wiederhole drei bis fünf Mal für dich selbst: »Ich kenne ihre Geschichte nicht.« Das kann dir helfen, dir deiner Gedankenmuster bewusster zu werden und sie zu verändern.

      Die meisten depressiven Menschen schenken der Nahrung, ihrer persönlichen Hygiene und Pflege oder dem Loslassen von Emotionen nicht viel Aufmerksamkeit. Mom war eine gute Patientin. Sie hörte auf ihre Ärzte, nahm die Medizin, ging zur Therapie und folgte einem gesunden Essensplan, der drei vollständige Mahlzeiten pro Tag garantierte. Das war ein wichtiger Teil ihres Lern- und Heilungsvorgangs im Krankenhaus. Da meine Mutter auf dem richtigen Weg war, gesund zu werden, stimmten die Ärzte zu und erlaubten ihr, nach Südafrika zu reisen, um ihren biologischen Vater zu besuchen. Sie glaubten, dass so eine Reise hilfreich und therapeutisch richtig wäre. Ich war noch nie in Südafrika gewesen und hatte bisher auch niemanden von der Familie meiner Mutter getroffen. Also reisten meine Mutter und ich während meiner Sommerferien nach Südafrika und blieben dort noch ein bisschen länger.

      Das war 1988, das