Lenin dada. Dominique Noguez

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Название Lenin dada
Автор произведения Dominique Noguez
Жанр Документальная литература
Серия
Издательство Документальная литература
Год выпуска 0
isbn 9783038550327



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(…) belebten aber als landfremde Elemente die Tische einheimischer Kaffeehäuser.44

      Solche Zeugnisse tragen dazu bei, dass wir schliesslich eines der Rätsel aufklären können, welches noch immer die Anfänge des Cabaret Voltaire umgibt. Im sonst ausserordentlich genauen Bericht über den Eröffnungsabend vom 5. Februar, den sein Organisator Hugo Ball kurz danach niederschreibt, bleibt ein Programmpunkt tatsächlich merkwürdig dunkel, da anonym:

      Mde. Hennings und Mde. Leconte sangen französische und dänische Chansons. Herr Tristan Tzara rezitierte rumänische Verse. Ein Balalaika-Orchester spielte entzückende russische Volkslieder und Tänze.45

      Augenblicklich bemächtigt sich eine Hypothese unseres Verstandes: Lenin und seine Freunde! Wahrhaftig, wer sonst, wenn nicht sie, diese aufrichtigen Russen von revolutionärer Gesinnung, hätte es denn wagen können, in einem Künstler-Cabaret der Avantgarde zu singen, um den «Volksliedern» Russlands im Zürich von 1916 den Weg zu bereiten? Einige könnten an ein Orchester auf der Durchreise denken, das an diesem Tag in der Schweizer Stadt haltgemacht hat. Das käme einem Wunder gleich. Denn viele Russen waren damals auf den Strassen nicht anzutreffen, auch auf den schweizerischen nicht. Kommt hinzu, dass diese russische Präsenz keineswegs von kurzer Dauer war. Hugo Ball erklärt im bereits zitierten Text, dass sie nach dem Eröffnungsabend eine «Russische Soiree» veranstaltet hätten. Und unter dem Stichwort «Russische Soiree» vermerkt er am 4. März 1916 in seinem Tagebuch:

      Ein kleiner gutmütiger Herr, der schon beklatscht wurde, ehe er noch auf dem Podium stand, Herr Dolgaleff (sic), brachte zwei Humoresken von Tschechow, dann sang er Volkslieder. (…)

      Eine fremde Dame liest Jegoruschka von Turgenjew und Verse von Nekrassow.46

      Lieber Genosse! (…) Wir kommen am 4. Februar. Wenn möglich, suchen Sie uns ein Zimmer, das man jeweils für eine Woche mieten kann, für zwei Personen.56

      Konnte das (Wohn-)Problem geregelt werden, und ist somit der 4. Februar das reale Ankunftsdatum Lenins in Zürich? Oder müssen wir gar noch weiter zurückgehen? Ein präziser Hinweis drängt uns dazu: Ein weiterer Brief vom folgenden Tag an denselben Empfänger weist uns auf den Mittwoch, 2. Februar. Denn dieser mit «Sonntag Abend» (30. Januar) datierte Brief ist ganz einem einzigen Ereignis gewidmet, das drei Tage später stattfinden soll:

      Lieber Genosse! Eben erst habe ich erfahren, dass am Mittwoch in Zürich eine internationale Konferenz des Büros der Jugendorganisationen stattfindet. (…) Ich bitte Sie sehr, 1. in Erfahrung zu bringen (taktvoll: das ist alles konspirativ), und zwar möglichst konkret: Datum, Ort, Dauer, Zusammensetzung; 2. festzustellen, ob nicht auch ein Vertreter unserer Partei teilnehmen kann.57

      Hier mag Lenin der Form halber Charitonow noch so sehr nahelegen, «selbst teilzunehmen»,