Rebellen gegen Arkon. Hans Kneifel

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Название Rebellen gegen Arkon
Автор произведения Hans Kneifel
Жанр Языкознание
Серия Atlan: Traversan-Zyklus
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783948675264



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Welches Spiel spielten die Traversan-Arkoniden, nachdem ich ihnen die Kastanien aus dem Feuer geholt hatte? War ich für sie nichts anderes als eine Garrabo-Figur, die man beliebig hin und her schob? Die Saat des Zweifels war aufgegangen und keimte, doch ich durfte nicht zulassen, dass sie wuchs und um sich griff.

      Ich schlug endlich die Augen auf. Hologramme ringsum vermittelten den Eindruck einer sonnenüberfluteten Planetenlandschaft. Nur die Bildschirmgalerien und die inmitten einer Hügelkette deplatziert wirkenden medizinischen Geräte störten den Eindruck. Ein Meer von Khasurn, dem kelchförmigen arkonidischen Riesenlotos, bewegte sich sanft im Wind. Zwei Mediziner hantierten in meiner Nähe.

      Du vertraust ihnen demnach immer noch, stellte der Logiksektor fest.

       Was stört dich daran?

       Nichts, großer Arkonidenhäuptling, rein gar nichts.

      Dass ich ungefähr drei Stunden ohne Besinnung gewesen war, erfuhr ich, als Tamarena da Traversan erschien. Die Prinzessin war ernsthaft besorgt. Ihre rauchig-dunkle Stimme zitterte, und die hellroten Augen hatten viel von ihrem Glanz verloren. Dafür zeichneten sich dunkle Ringe unter den Lidern ab.

      »Es ist für mich unbegreiflich, Atlan. Traversan steht tief in deiner Schuld, das wissen wir alle. Dennoch sind wir nicht einmal fähig, deinen Schlaf zu bewachen. Zwei Sicherheitskräfte wurden heimtückisch ermordet.«

       Sie versucht, deine Gedanken zu lesen.

       Ich hab‘s bemerkt.

      Der Blick ihrer mandelförmigen Augen war wieder ausdrucksstärker geworden. Mittlerweile wusste ich um Tamarenas telepathische Fähigkeiten; doch meine Abschirmung konnte sie nicht durchdringen, wenn ich es nicht wollte. Selbst im geschwächten Zustand hielt mein mentaler Schirm.

      »Nert Kuriol braucht sich meinetwegen nicht zu sorgen«, wehrte ich ab.

      »Das tut er aber.«

      Mit einer heftigen Bewegung streifte Tamarena ihr halblanges platinblondes Haar zurück.

      »Niemand hat mit einem Spion des Tai Ark‘Tussan in den eigenen Reihen gerechnet. Deine Kabine ist ausgeglüht. Wir haben den verkohlten Leichnam des Attentäters geborgen oder vielmehr das, was von ihm übrig ist. Seine Identifizierung ist für uns lebenswichtig.«

      Ich nickte und versuchte, mich aufzurichten. Aber Tamarena drückte mich sanft, doch unwiderstehlich zurück. Obwohl ich mich noch schwach fühlte, schob ich ihre Hand zur Seite und setzte mich am Rand der antigravgestützten Liege auf.

      Nachdenklich ruhte der Blick der Prinzessin auf mir.

      »Andere wären an dem Gift gestorben«, sagte sie leise. »Du scheinst nicht einmal unter den Folgen zu leiden.«

      »Mir geht es gut.«

      Ich stand langsam auf und streifte die Kleidungsstücke über, die für mich bereitlagen. Die Schnittwunde am Oberarm war mit Bioplasma verklebt, ebenso einige verbrannte Hautfetzen. In ein bis zwei Tagen würde alles narbenfrei abgeheilt sein, dafür sorgte schon der Zellaktivator.

      »Unkraut vergeht nicht«, fügte ich hinzu.

      »Bitte?«

      Ich ignorierte ihren verblüfften Blick ebenso wie das amüsierte Kichern des Extrasinns. Natürlich wohnten zwei Seelen in meiner Brust, die arkonidische, aber auch eine terranische, die in Jahrtausenden gewachsen war. Terra war meine zweite Heimat – dass ich irdische Redewendungen benutzte, war für mich selbstverständlich, darüber zerbrach ich mir schon lange nicht mehr den Kopf.

      »Wieso wusstest du von dem Gift?«, stellte ich die Gegenfrage.

      »Vielleicht eine Vorsehung der She‘ Huhan«, antwortete einer der Mediziner, nachdem die Prinzessin ihn mit einem kaum merklichen Nicken dazu aufgefordert hatte. »Die brennende Kabine, Ihre blutende Armwunde, Admiral – und so gefährlich das Gift auch ist, seine Molekülgruppen sind mit einem Standardtest zu identifizieren. Sie müssen jetzt ruhen …«

      »Ich bin weder krank noch gebrechlich«, fuhr ich auf. »Und darüber wünsche ich keine Diskussion.«

      Sollte er meine robuste Konstitution ruhig den She‘Huhan, den arkonidischen Sternengöttern, zuschreiben. Der Zellaktivator war und blieb mein persönliches Geheimnis.

      Zweieinhalb Stunden später ging die Sonne über der Hauptstadt Erican auf. Travs Nachtauge, der einzige Mond des Planeten, hing als riesiger, rot schimmernder Ball dicht über dem Horizont. Seine gewaltige Größe entsprang aber einzig und allein einer optischen Täuschung, hervorgerufen durch Lichtbrechung und den nahezu waagerechten Standort.

      Die holographische Wiedergabe der erwachenden Stadt war trügerisch, sie gaukelte eine Ruhe vor, die es nicht gab. Unter der scheinbar friedlichen Oberfläche brodelte es – wir hatten eine Schlacht gewonnen, nicht jedoch den Krieg.

      Nert Kuriol da Traversans Falten in den Augenwinkeln waren tiefer geworden, überhaupt wirkte sein Gesicht heute eingefallen wie nach einer langen Nacht ohne Schlaf. Mit zwei Fingern massierte er seine Nasenwurzel – aber noch schwieg er. Und keiner der Anwesenden wagte es, vor ihm das Wort zu ergreifen.

      Wir hatten uns im kleinen Konferenzraum neben der Hauptzentrale des Flaggschiffs eingefunden, das immer noch auf dem Raumhafen von Erican stand. Der Nert war erst vor wenigen Minuten an Bord gekommen. Zu seiner Linken saß die Prinzessin, ihm gegenüber der Kapitän zweiter Klasse Irakhem, Kommandeur des Flaggschiffs und zugleich ranghöchster Offizier von Traversan. Neben ihm Eshveran on Keithy, Kapitän dritter Klasse und Irakhems Stellvertreter als Befehlshaber der Flotte, sowie Lesantre, der Chef des planetaren Geheimdienstes.

      Lesantre war gemeinsam mit dem Nert und zwei schwer bewaffneten Uniformierten eingetroffen, die mittlerweile vor dem Konferenzraum Wache standen – Staffage oder Notwendigkeit, ich würde es vermutlich sehr schnell erfahren.

      Prinzessin Tamarena blickte aufmerksam in die Runde. Nur meine Gedanken konnte sie nicht erfassen. Immerhin hatte ich mehr Vertrauen in ihre telepathischen Fähigkeiten als in die hochdekorierten Wachen vor dem Schott.

      »Für Traversans Ruhm und Ehre«, begann der Nert.

      Mit knappen Worten drückte er seine Bestürzung über den heimtückischen Anschlag auf mein Leben aus und zugleich seine Freude, mich nahezu unverletzt zu sehen. Floskeln zwar, aber ehrlich gemeint.

      Gegen Nert Kuriol da Traversan wirkte der Geheimdienstchef mit seinen nur 1,75 Metern Größe untersetzt. Ich hatte inzwischen erfahren, dass er einst mit Kuriol auf diesen Planeten gekommen war und den Geheimdienst aus dem Nichts heraus aufgebaut hatte. Lesantre wirkte gelegentlich brutal, er war aufbrausend, doch auf jeden Fall loyal. Auch jetzt betonte er wieder, tief in Nert Kuriols Schuld zu stehen, ohne jedoch Details preiszugeben.

      »Keon‘athor Atlan«, er wandte sich mit einer angedeuteten Verbeugung an mich, »ich habe alles unternommen, damit der erschreckende Vorfall ein einmaliges Geschehen bleibt. Außerdem konnten wir den Attentäter bereits aufgrund einer genetischen Analyse identifizieren. Sein Name war Tomaren – ein illegitimer Spross aus der Verbindung des Patriarchen der unbedeutenden Tomar-Sippe mit einer Essoya, einer Nichtadeligen.«

      Ein Springerabkömmling also. Anzunehmen, dass er es auf Traversan zu einigem Reichtum und Ansehen gebracht hatte.

      »Tomaren erschien vor wenigen Monaten, kurz nach den ersten Unstimmigkeiten mit Sonnenkur Pyrius Bit«, fuhr Lesantre fort. »Inzwischen sehen wir das nicht mehr als Zufall, damals jedoch erbrachten unsere Nachforschungen nichts Nachteiliges. Und dass er sich die Bürgerrechte auf Traversan erkaufte …«

      … war vermutlich mit einer beachtlichen Zahlung verbunden gewesen. Ich hörte nur noch mit halbem Ohr hin. Tomaren hatte allein gearbeitet. Jeder seiner Schritte innerhalb der letzten fünf Tage war inzwischen peinlich genau nachvollzogen worden. Er hatte während dieser Zeit keine Möglichkeit gehabt, einen versteckten Funkspruch an den Sonnenkur abzusetzen. An Bord des Flaggschiffs war er durch Bestechung gelangt, der betreffende Thos‘athor, ein Offiziersanwärter also, hatte seine Verfehlung bereits zugegeben