Plymmie, die Wolfshündin, stand geduckt und den Kopf vorgeschoben vor einer Seitenwand des Kellergewölbes und knurrte sie an. Ihre Nackenhaare waren gesträubt. Dieses Kellergewölbe gehörte zu einer abgebrannten Plantage dicht bei Panama. Hasard und seine Männer hatten hier Quartier bezogen. Jetzt wurden sie aufmerksam. Was Plymmie da anknurrte, war ein Loch am Fuß der Seitenwand. Smoky nahm einen längeren Holzspan, entzündete ihn über einem Talglicht und schob ihn in das Loch, denn Carberry hatte gemeint, das wäre ein Rattenloch – war's auch! Denn Sekunden später flitzte ein grauer Schatten heraus. Plymmie warf sich herum und fegte hinter der Ratte her. Sie hätte warten können, denn vier weitere Ratten folgten…
Oka Mama raste den Niedergang zur Back hoch, dann blieb sie abrupt stehen, fuhr herum und schleuderte ein Messer. Carberry, der sie verfolgt hatte, wich mit einem Fluch aus. Das Messer sirrte an ihm vorbei und blieb mit einem dumpfen Laut im Schanzkleid stecken. Oka Mama stürtzte zur Segellast, wo der letzte Schatz der Mardengo-Bande versteckt war. Lieber wollte sie die Schatztruhe im Wasser versenken, als sie diesen englischen Bastarden in die Hände fallen zu lassen. Sie stieß dabei unablässig schrille Schreie aus, deren Mißton Carberry mächtig auf den Geist ging. Er setzte ihr nach, und an der Segellast erwischte er sie. Als er sie packte und herumriß, hatte sie plötzlich eine Pistole in der Faust. Die Mündung der Waffe schwenkte hoch und schien sich in Carberrys Nase bohren zu wollen…
One-Eye-Doolin hieß er in einschlägigen Kreisen, und das fehlende Auge ersetzte er durch doppelte Tücke, Gerissenheit und Brutalität. Seine Kerle standen ihm in nichts nach. Ihr Schiff war auf den Namen «Scorpion» getauft, und das besagte auch eine ganze Menge. One-Eye-Doolin hatte sich in den Kopf gesetzt, sein Glück in der Karibik zu suchen – und dabei mal so eben den legendären Seewolf auszunehmen, von dem in den Kneipen Comwalls die wildesten Gerüchte umliefen. Als er ihm dann jedoch gegenüberstand, war's nichts mit dem Ausnehmen, das Gegenteil war der Fall, und One-Eye-Doolin konnte noch froh sein, wie ein geprügelter Hund davonschleichen zu dürfen…
Die Insel im südlichen Sargassomeer hatte sich als Falle entpuppt. Ihre schmale Passage in die liebliche Bucht hatte die «Isabella VIII» zwar durchsegeln können, aber da hatte der Sturmschwell die Galeone über die Barriere getragen. Jetzt gab es kein Zurück mehr. Die Insel schien unbewohnt, aber dann entdeckten die Seewölfe Feuerstellen am Strand. Lebten hier Kannibalen? Plötzlich war der eiserne Carberry spurlos verschwunden, und damit begann eine Serie mysteriöser Geschehnisse…
Sie waren von der Teufelsinsel geflohen, hatten die tobende See durchschwommen und den Strand von Guayana erreicht. Aber jetzt lag vor ihnen der Dschungel, undurchdringlich, geheimnisvoll, feindlich. Von drüben, von der Teufelsinsel, näherten sich die Verfolger. Die Männer um den Seewolf hatten nichts weiter als eine Axt und ein paar Messer – und ihren Mut. Und sie zeigten, daß sie nicht nur auf See zu kämpfen verstanden…
Smead zog den Verurteilten mit dem Tau hoch. Der Mann mit dem roten Kopftuch half ihm dabei. Alle sahen zu, wie der arme Teufel mit den Beinen strampelte und nach Luft rang. Dann erstarben die Bewegungen des Mannes. Schlaff hing er am Tau. So war die Großrah der «Kyrie eleison» zum Galgen geworden. Orman Smead war der Henker. Hündisch ergeben blickte er zu Webster auf, dem Großmeister dieser puritanischen Sekte, der ihm gnädig zunickte. Die Gemeinde murmelte Beifall. Das Gemurmel wurde zu einem heiseren Rufen, dann zu einer Art Jaulen. Dan O´Flynn und Batuti, als heimliche Beobachter dieser grausigen Szene, hatten genug gesehen und zogen sich in die Dünen zurück…
Sie fanden das sagenhafte El Dorado, und es war wie ein Traum, ein goldener Traum. Aber sie wußten nicht, daß ihnen jemand gefolgt war – Spanier, verrückt in ihrer Gier nach Gold, und eine Horde von Krokodilmännern, die den Spaniern untertan waren. Und darum mußten die Seewölfe kämpfen, um das Geheimnis von El Dorado zu wahren und den Inkas Frieden zu bringen…
Niemand auf dem Zweimaster der Piraten sah, wohin Ferris Tuckers Höllenflasche rollte – nämlich durchs offene Schott des Achterdecks und von dort die Stufen des Niedergangs hinunter. Sie landete im Pulverdepot des Zweimasters. Und dort ging sie hoch. Was sie auslöste, war ein brüllendes, flammendes Inferno, in dessen Mittelpunkt ein glutroter Feuerkern stand. Das Schiff wurde von seinem Heck her aufgerissen wie ein Kinderspielzeug aus dünnem Holz. Die Trümmerteile wirbelten in alle Himmelsrichtungen. Und da wurde es Zeit für die Seewölfe, in Deckung zu gehen…
Das Schiff wirkte düster und gespenstisch – trotz der ornamentalen Pracht, die es zierte. Es schickte sich an, den Kurs der «Isabella» zu kreuzen. Dabei sahen die Seewölfe nur einen Mann an Deck der Dschunke. Er stand allein und verlassen achtern am Kolderstock. Vor dem Gesicht trug er eine Maske aus Leder mit einer Ausbuchtung für die Nase. Für die Augen waren schmale Schlitze vorgesehen. Der Mann schien starr vorauszublicken. Der Maskenmann war unheimlich genug, aber noch unheimlicher wirkten die leblosen Gestalten, die wie gestapelt an Deck lagen, von Kopf bis Fuß in schwarze Tücher gehüllt…
Mit Baldwin Keymis ist ein besonderes Herzchen auf die «Isabella» gekommen. Der Seewolf weiß, daß er mit dem Friedensrichter noch viel Ärger bekommen wird – und er trifft Vorsorge. Doch Keymis gebärdet sich wie ein Tier, als er in die Kammer von Gwen O'Flynn eindringt. Jetzt kennen die Männer des Seewolfs keine Gnade mehr. Ein Bordgericht verurteilt Keymis zur schlimmsten Strafe, die auf einem Schiff möglich ist: Der Verbrecher soll kielgeholt werden – und das ist gleichbedeutend mit einem langsamen, qualvollen Tod…