Magellans Männer waren 1521 auf jenen unbekannten Inseln gelandet und hatten sie voller Ärger «Ladronen» – Diebesinseln genannt, weil die Eingeborenen sie bestohlen hatten, eine etwas merkwürdige Namensgebung, wenn man bedenkt, was die spanischen Eroberer und Konquistadoren in den Ländern der Neuen Welt alles mitgehen ließen. Über sechzig Jahre später landeten auch die Seewölfe und die Männer des schwarzen Seglers auf den Ladronen – und wurden bestohlen. Das war gar nicht nach Philip Hasard Killigrews Geschmack, und dennoch schaffte er es, den obersten Spitzbuben zum Freund zu gewinnen, obwohl der Häuptling geplant hatte, die Köpfe der weißen Fremden zu Schrumpfköpfen zu verarbeiten…
Seit Jahren war sie eine Legende, diese Galeone, die einmal im Jahr mit Waren aus China quer über den Stillen Ozean nach Acapulco segelte und mit dem Gegenwert der Waren in Form von Gold und Silber nach China wieder zurückkehrte. Alle Schnapphähne zur See waren scharf auf die Galeone, aber nie wußte man, wann sie Acapulco verließ und welchen Kurs sie nahm. Wahrscheinlich gehörten die Dinge, die dieses Schiff betrafen, zu den bestgehütetsten Geheimnissen der Spanier – bis die Manila-Galeone den Kurs der Seewölfe kreuzte…
Carberry schoß, der Schuß brach mit einem lauten Donnerhall. Ferris Tucker ließ den Pfeil von der Sehne schwirren. Nanoq wankte, ließ von der Höhle ab, in der sich Batuti gegen ihn verteidigt hatte, wandte sich zornig ihnen zu und richtete sich blutend und mit dem Pfeil im Nackenpelz zu seiner ganzen Größe auf. Und so stapfte er auf die beiden Seewölfe zu, aufrecht, mit erhobenen Tatzen. Carberry ließ die Muskete fallen und packte seinen Schiffshauer. Ferris Tucker warf den Bogen fort und griff zu seiner Zimmermannsaxt. Und mit diesen Waffen gingen sie den Riesen an – es war ihre letzte Chance, sich gegen diesen Koloß zu behaupten…
Afonzo de Escobedo, der neue Gouverneur von Kuba, hatte einen Gefangenen bei sich, als er Havanna um Mitternacht zu Pferde verließ. Den Gefangenen trieb er vor sich her. Er führte ihn an einer Fangleine und setzte die Peitsche ein. Dieser gefesselte Mann war in der Folter gebrochen worden, und jetzt sollte er de Escobedo zum Schatzversteck des Don Antonio de Ouintanilla bringen. Daran bestand kein Zweifel. Ob er sein Versprechen halten würde, ihn laufenzulassen, wenn das Versteck erreicht war, das war allerdings eine andere Frage, denn Zeugen beseitigte man. Jean Ribault und Roger Lutz zögerten nicht, dem Reiter und seinem Gefangenen zu folgen…
Capitan Garcia y Marengo, Befehlshaber eines spanischen Geleitzugs von fünf Schiffen, hielt nicht viel von dem niederen Schiffsvolk. Aber dann beging er den Fehler, von der «spanischen» Galeone «Isabella» sechs Männer zu requirieren, weil seine Schiffe unterbemannt waren. Er ahnte nicht, daß er sich Seewölfe an Bord holte. Und als die ihre Zähne zeigten, war es zu spät für den Capitan, noch das Steuer herumzureißen…
Old O´Flynn war nicht scharf darauf, sich von den Schergen Uluch Alis foltern zu lassen. Einen letzten Trumpf hatte er noch im Ärmel, und den spielte er jetzt aus. Fünf Minuten später hatte er sich seiner Fesseln entledigt und wartete lauernd, bis sich Schritte näherten. Lautlos erhob er sich und stellte sich neben die Tür. Draußen auf dem Gang vor dem Kelleraum klirrten Schlüssel. Einer wurde ins Schloß gesteckt. Dann wurde die Tür aufgedrückt, und jemand betrat den Raum. Old O`Flynn wartete einen Moment, dann rammte er die Tür vor. Sie prallte dem Kerl genau vor die Stirn, er ächzte, Sekunden später sackte er zusammen. Old O`Flynn grinst, schob sich hinter der Tür vor und verpaßte dem Kaftanmann sicherheitshalber noch einen Jagdhieb mit der Faust…
Irgendwo zwischen Formosa und den Batan-Inseln schlug der Gott des Windes und der Wellen zu. Zuerst schralte der Wind und schickte seine Vorläufer aus Nordosten – pfeifende Böen, die bereits das Verhängnis ahnen ließen. Die See wurde kabbelig. Die «Isabella» begann in der See zu schwanken und zu taumeln. Das Wetter verschlechterte sich von Minute zu Minute. Es wurde zunehmend kälter. Dann heulte ein fast eisiger Wind durch die Wanten und Pardunen, wie er schneidender auch im Nordatlantik nicht hätte sein können. Die Galeone wurde geschüttelt und tauchte in immer tiefere Wogentäler. Ja, so kündete er sich an – «Taifung», der «Große Wind», wie ihn die Chinesen nannten, und die See war sein Schlachtfeld…
Die erste Breitseite raste auf die «Isabella» zu. Der Seewolf hielt hartnäckig den Kurs. Die «Isabella» wandte der «Caribian Queen» die Bugpartie zu und bot nur ein schmales Ziel. Wie auf Kommando lagen die Arwenacks bäuchlings auf den Planken – keine Sekunde zu spät, denn die Kugeln waren heran. Vier, fünf Stück orgelten vorbei, an Backbord und an Steuerbord. Doch der Rest der Breitseite lag im Ziel. Es prasselte, krachte und barst, etwas schien von unten her die Galion aufzuschlitzen. Der Bugspriet ruckte hoch, die Blinden flatterten an ihren Rahen, Hämmer schienen gegen die vordere Querwand der Back geschmettert zu werden. Trümmer wirbelten durch die Luft…
Philip Hasard Killigrew, der Seewolf, tat das, was seine Crew niemals von ihm erwartet hätte, aber er tat eben immer das Unerwartete. Er strich die Flagge. Denn die Falle, in der die «Isabella VIII.» steckte, war so perfekt aufgebaut, daß jeder weitere Kampf sinnlos war und für die Seewölfe zu einem Massaker geworden wäre. Denn die Galeone saß unverrückbar auf einer Sandbank fest, und um sie herum hatte eine Armada schwerer spanischer Kriegsschiffe Aufstellung genommen…
Es lag am Strand von Little Cayman, dunkel und geheimnisvoll, und noch nie hatte jemand gewagt, das Deck dieses eigenartigen Schiffes zu betreten. Man sagte, wer es dennoch täte, würde auf entsetzliche Weise sterben. Philip Hasard Killigrew und ein paar beherzte Männer seiner Crew hielten nichts von solchen Sprüchen. Nur die Rote Korsarin wußte mehr über das schwarze Schiff, aber sie schwieg, als die Männer an Bord kletterten…