Название | Die Zone |
---|---|
Автор произведения | Mireille Zindel |
Жанр | Языкознание |
Серия | |
Издательство | Языкознание |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783906913308 |
Bei den Gruppen-Wettbewerben taucht er weiterhin Free Immersion. Mit bloßen Füßen und aus eigener Kraft zieht er sich am Seil in die Tiefe und wieder hinauf.
Renaud taucht bei Wettkämpfen Constant Weight, schwimmt mit Flossen runter und wieder an die Oberfläche, berührt das Seil nur einmal bei der Wende.
Und obwohl sie bei Wettkämpfen in verschiedenen Disziplinen tauchen, kämpft Renaud wie er in No Limit um die maximale Tiefe.
Bevor Cyril die Klammer aufsetzt, atmet er durch die weit geöffneten Nasenlöcher ein. Er stellt sich einen Luftstrom vor, der direkt in sein Hirn fährt. Nur den letzten Atemzug nimmt er durch den Mund. Er spricht zu sich selbst. Er hört die Stimmen, die ihn bewerten, seine eigenen inneren Stimmen. Du kannst das. Du hältst es dort unten lange aus.
Blau.
Die Stimmen verschwinden.
Sein Ego verschwindet.
Er nimmt nur noch die Informationen aus seiner Umgebung wahr.
Du bist ein Tropfen im Meer.
Im Wasser bist du Sklave.
Alles ist dunkel rundherum.
Ab jetzt versucht er, alle Energie, die er in seinem Körper trägt, zu nutzen.
Er war nie in einem Kloster. Er hat nie Yoga gelernt. Seine mentalen Entspannungstechniken kommen – woher?
Im Schwimmbad arbeitet er an der Dauer seiner Tauchgänge, ohne eine Uhr bei sich zu haben. Er kann die Sekunden nicht zählen, aber er weiß, wann er ein stärkeres Gefühl hat als zuvor.
Im Training will er keine Computer und Uhren mit sich im Wasser haben. Er will nichts bei sich haben, wenn er taucht.
Er arbeitet an der Entspannung.
Er darf kein Adrenalin ausschütten, das könnte ihn sein Leben kosten.
Im Meer kämpft er gegen die Stimmritzen, die sich öffnen möchten.
Ausgleichen
ausgleichen
ausgleichen.
Die Zunge bewegen
die Luft verschieben.
Seltsame Geräusche, die dem Mund entweichen.
Vor der Küste Sardiniens.
Die See war rau.
Boote der italienischen Marine, die Armee.
An Bord eines dieser Boote wurde er untersucht.
Kein Tropfen Blut im Speichel.
Lungenverletzungen sind tückisch. Man bemerkt zwar Symptome, hat aber kaum Schmerzen.
Du spuckst Blut. Blut quillt dir aus der Nase.
Blut ist in Ordnung. Wegen Blut wirst du nicht disqualifiziert.
Jedes Mal, wenn du ein Limit erreicht hast, begreifst du, dass dies nicht dein Limit ist. Und du willst mehr.
Wieso hört er nicht auf? Weil er etwas zu tun haben muss.
Er will nichts mehr beweisen, er hat genug bewiesen.
Aber wenn du als Sportler kein Ziel mehr hast, was machst du dann aus deinem Leben?
Ärzte, die Tests an dir durchführen.
Anästhesisten. Ohrenärzte. Pneumologen
Tauchphysiologen.
Sie interessieren sich für dich.
Erforschen die Vorgänge in deinem Körper
befestigen Sensoren an dir
klopfen dir auf die Schulter.
»Du kannst gehen.«
Auftauchen.
»I’m okay.«
»Breathe!«
»Relax!«
»Breathe!«
Nicken.
Applaus. Jubel.
Du hast es geschafft, einen Rekord aufzustellen, ohne zu nahe an den Tod heranzukommen.
Dieser Satz ist wichtig: »I’m okay.«
Ohne diesen keinen Rekord.
Keine Mutter wünscht sich, dass ihr Kind Apnoetaucher wird. Lieber Freeclimbing. Die Zeitspanne zwischen dem Auftauchen und den drei Worten – sie ist ein Versuch, seine Welt den anderen zu erklären.
I’m okay heißt: Ich habe keinen Blackout, kein Barotrauma, keine Lungenpressung.
Dammriss
Blut im Abfluss.
Weltmeisterschaft im Freitauchen.
Die schwimmende Plattform. Zwanzig Athleten. Kaum Medien.
Wer möchte sein Geld in Tiefseetauchen investieren?
Es ist etwas für wenige. Für eine Randgruppe.
Das Problem ist, es gibt nichts zu sehen. Es ist schon schwierig, zum Ort des Geschehens zu kommen.
Vor dem Tauchgang liegen die Wettkämpfer auf Auftriebskörpern im Meer. Gesicht zum Himmel. Augen geschlossen. Ihre Entspannungsphase sieht aus, als wären sie tot.
Einige mit einem Schnorchel im Mund liegen mit dem Gesicht im Wasser, um den Tauchreflex auszulösen und den Herzschlag herunterzufahren. Dann werden sie von ihren Trainern langsam zu ihrem Seil hinübergezogen, das von der Plattform herunterhängt.
»Unter Wasser bewegst du den Mund wie eine Pumpe, um mehr Luft in die Lungen zu befördern. Wenn du länger bleiben möchtest, musst du das tun. Schon kleine Kinder machen das, ohne Theorie, ohne Instruktionen. Die Instinkte, die Natur. Der mentale Anteil macht achtzig Prozent aus. Konzentration, Beherrschung der Gefühle, Selbstgespräche, Visualisierungen … um in die Zone einzutreten.« Die Journalistin nickt.
Unter Wasser schließt du die Augen.
Take it easy and dive safe.
Daumen und Zeigefinger der rechten Hand zu einem O geformt heißt: Alles okay.
Er kommuniziert nicht gerne im Ozean.
Mit dem Finger an der Schläfe kreisen bedeutet: Tiefenrausch.
Argentinien
Osterinseln
Südsee
Neuseeland.
Nach dem Studium hatte er ein Rund-um-die-Welt-Ticket gekauft und war ein Jahr lang weggeblieben. War tauchen.
Die Pinguine in Ushuaia. Die See war so stürmisch gewesen, dass drei Tage lang kein Boot hinausgefahren war. Danach schossen die Pinguine wie Torpedos an ihm vorbei.
Auf den Osterinseln waren ihm Einheimische in Auslegerbooten und Kanus gefolgt.
Es war für nichts gut gewesen. Er hatte nichts begriffen in diesem Jahr. Er war getaucht und hatte um sich geschaut wie ein Schnorchler, statt in sich zu hören. Erst zu Hause im Schwimmbad hatte er es verstanden. Eines Tages hatte er Lihi kennengelernt. Später Jacqueline.
Lihi.
Haut wie ein Delphin.
Sara hatte mitgelesen.
Jacqueline.
Sie trug einen einteiligen, lila-türkisfarbenen Taucheranzug und glich darin einem Paradiesfisch. Sie hatte die integrierte Kopfhaube übergezogen. Ein dicker Nassanzug für kalte Gewässer. Er fragte sich, wie ihr Haar darunter wohl aussah. Ihr musste furchtbar heiß sein, die Luft- und Wassertemperaturen in der Schwimmhalle waren hoch.
In der Bucht vor Syrakus geht er tauchen. Zunächst an einer Stelle, die nur zehn Meter tief ist.