Gemeinsam Eltern bleiben. Margret Bürgisser

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Название Gemeinsam Eltern bleiben
Автор произведения Margret Bürgisser
Жанр Сделай Сам
Серия
Издательство Сделай Сам
Год выпуска 0
isbn 9783035501308



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vor Gericht müssen, standhält.» Jürg Lehmann ergänzt: «Damit das Gericht sieht, dass die Situation in zentralen Punkten geregelt ist. Wir waren zweimal für eine Stunde da und dann war es geregelt.» Den Beizug eines Anwalts haben sie nicht erwogen. Zum einen sahen sie dazu keine Notwendigkeit, zum anderen wollten sie dieses Geld lieber sparen.

      Information und Reaktion der Kinder Die Söhne haben die Information über die Trennung nach Meinung der Mutter gut aufgenommen. «Ich hatte nie das Gefühl, sie seien in einem Schockzustand. Ich sagte ihnen, wenn irgendetwas sei, sollten sie fragen. Aber es kam dann gar nicht viel.» Der Vater lakonisch: «Wir können sie ja auch nicht mit Fragen löchern.» Auch im schulischen Umfeld hatten die Kinder kaum Probleme. Der Sohn Yves hatte zwei Kollegen, deren Eltern sich gerade getrennt hatten. «Das muss ganz arg zu und her gegangen sein», berichtet Marion Lehmann. «Wenn eine Aufführung stattfand, sass einer da und der andere dort. Unser Sohn war dadurch enorm befremdet. Wir sagten ihm dann, er müsse keine Angst haben, so werde das bei uns nie sein. Damit war die Sache für ihn erledigt.»

      Die Kinder wurden vom Gericht auch für eine Kindesanhörung vorgeladen. «Sie verspürten dazu aber gar kein Bedürfnis», berichtet Frau Lehmann. «Wir haben die Sache zusammen besprochen, und sie haben dann auf einem Formular bestätigt, dass sie informiert wurden, aber nicht an der Anhörung teilnehmen wollen.» Marion Lehmann ergänzt, die Kinder hätten positiv auf Jürgs neue Wohnung reagiert. «Wir sagten, Jürg habe jetzt eine Wohnung und sie hätten dort auch ein Zimmer und wir würden auch ein Tischfussballspiel aufstellen. Am Umzugstag haben die Kinder Hand angelegt und gehämmert und geholfen Schränke aufzustellen. Ich hatte nicht einmal das Gefühl, sie hätten eine schlechte Stimmung. Es schien mir vielmehr, dass sie Jürgs Auszug als Abenteuer erlebten.»

      Aktuelle Betreuungsregelung Da beide Eltern in Schöfflisdorf wohnen, ist ihr Kontakt zu den Kindern weiterhin gewahrt. Marion Lehmann: «Wir haben in der Betreuungsvereinbarung festgehalten, dass sie jedes zweite Wochenende beim Vater sind und dass wir die Betreuung unter der Woche absprechen. Ergänzend sind sie mindestens drei Wochen in den Ferien bei ihm, ebenfalls nach Absprache.» In der Realität wird die Betreuung, wie die Mutter berichtet, viel flexibler – ganz nach den Bedürfnissen von Eltern und Kindern – gehandhabt. «Wir hatten es noch nie so, dass sie dieses Wochenende bei mir sind und jenes bei ihm. Wir machen das eigentlich immer erst eine Woche im Voraus ab.» Der Vater ergänzt: «Man muss einfach offen sprechen miteinander. Und man muss auch einmal, wenn es nicht geht, Nein sagen können.» Er geht nach wie vor dreimal die Woche über Mittag zu seiner Exfrau zum Essen. «Und dann sprechen wir das Nötige meistens ab. Wie sieht es aus, was hast du diese Woche für ein Programm?»

      Jürg Lehmann ist weiterhin ein engagierter Vater: «Am Donnerstag gehe ich mit Yves, dem einen Zwilling, ins Turmspringen. Mit Nico koche ich oft, die Zwillinge sind halt noch nicht so weit. Sie sitzen eher vor dem Fernseher oder machen sonst etwas. Nico jedoch ist oft mit mir am Kochen, sei es Rösti oder Spiegeleier oder so. Ich gehe diesen Sommer auch das erste Mal mit meinen Söhnen nach Italien, wo ich während meiner Kindheit die Ferien verbrachte. Nun kann ich ihnen auch mal zeigen, wo ich als Kind gewesen bin. Wir machen auch Tagesausflüge – an Wochenenden sind wir hingegen noch nie verreist.»

      Als Familie haben Lehmanns früher viel zusammen erlebt, sie waren ein Herz und eine Seele: Jürg: «Wir waren viel unterwegs, sehr viel. Auch Velofahren, Schlittschuhlaufen, Skifahren.» Marion: «Es gibt eigentlich nichts, was wir früher getrennt gemacht hätten.» Auch als Paar haben sie viel zusammen unternommen. Jürg: «Wir gingen zusammen ins Fitnesscenter. Und als die Kinder noch kleiner waren, haben wir sie jeweils am Wochenende den Eltern abgegeben, damit wir mal zwei, drei Stunden Ruhe hatten.»

      Betreuung in früheren Zeiten Wie war die Betreuung der Kinder, als diese noch kleiner waren? Marion Lehmann erinnert sich an schwierige Zeiten: «Ich war am Anfang mit den Zwillingen wahnsinnig überfordert. Nach dem Stillen hatte ich eine starke Brustentzündung und war gesundheitlich sehr angeschlagen. Dann verstarb noch die Person, die wir als Götti für einen unserer Zwillinge vorgesehen hatten. Kurz darauf bekam ich das Pfeiffersche Drüsenfieber und war drei Wochen sehr schlecht dran.» Zum Glück erhielt sie viel Unterstützung von ihren Eltern und auch von ihrem Mann. «Jürg hat damals – und auch später – immer sehr viel geholfen: die Kinder in der Nacht aufgenommen, geschöppelt, wieder zu Bett gebracht. Er ging zu dieser Zeit den ganzen Tag arbeiten, kam aber jeweils über Mittag nach Hause und half, wo es ging. Jürg Lehmann bestätigt: «Man hat einfach gemacht, was anfiel. Es blieb uns gar nichts anderes übrig, wir haben einfach funktioniert. Und wenn mal Ruhe war, waren wir beide müde. Doch kaum waren wir eingeschlafen, weinte schon wieder eines der Kinder. Aber von den Eltern hatten wir eine super Unterstützung.»

      Rolle der Grosseltern früher und heute Als die Kinder klein waren, insbesondere nach der Geburt der Zwillinge, waren Marions Eltern wichtige Stützen im Familienalltag. Sie wollten zwar keine fixen Betreuungstage, doch ihre Tochter konnte sie immer anrufen, wenn ein Engpass bestand. Als sie am Pfeifferschen Drüsenfieber erkrankte, wurden die Kinder drei Wochen lang von ihren Eltern betreut. «Sie haben ein Kinderzimmer für Nico eingerichtet, und das Gästezimmer wurde zum Doppelzimmer für Lars und Yves. Sie hatten auch immer Windeln dort, sodass ich nicht extra eine Tasche packen musste. Das Notwendigste war immer vorhanden.»

      Aktuell gehen die Jungs jeden Freitag zu Jürgs Eltern zum Mittagessen. Marions Eltern sind noch aktiv beim Segelsport und nehmen die Kinder gelegentlich am Wochenende zum Segeln mit. In Schöfflisdorf wird auch ein Mittagstisch angeboten, den die Kinder der Familie Lehmann aber nicht in Anspruch nehmen. «Es ist auch eine Preisfrage», begründet Marion Lehmann. «Wenn ich drei Kinder dahin bringe, jedes Kind 14 Franken, dann komme ich zum Schluss: Schade ums Geld!»

      Entscheid für die gemeinsame elterliche Sorge Warum haben sich die Lehmanns für die gemeinsame elterliche Sorge entschieden? Marion Lehmann zog gar nie eine andere Lösung in Betracht. «Er ist nach wie vor der Vater und ich nach wie vor die Mutter. Das habe ich nie infrage gestellt.» Auch Jürg Lehmann findet, «Mutter und Vater gehören beide dazu, beide tragen Verantwortung. Wichtige Sachen muss man miteinander entscheiden. Marion ist allgemein mehr für die Schule verantwortlich, doch an Elternabende sind wir oft miteinander hingegangen.» Wie Jürg Lehmann betont, be­mü­hen sich beide um eine gute Kommunikation. «Wir wollten nie, dass es so weit kommt, dass wir nur noch schriftlich miteinander verkehren. Oder dass wir, wenn wir uns auf der Strasse begegnen, auf die andere Seite schauen.»

      Maron Lehman macht sich Gedanken, wie es gelingen kann, den Paarkonflikt vom Kindeswohl zu trennen. «Ich glaube, man muss die persönliche, emotionale Seite zwischendurch mal abschalten und sich selbst den Kindern zuliebe zurückstellen. Das ist manchmal eine schwierige Gratwanderung. Oft ist es so, dass der eine Partner noch viele schwierige Gefühle hat und der Stolz verletzt ist. Und der andere ist vielleicht schon einen Schritt weiter. Doch wenn man sich selbst ein wenig zurückstellt, kann es gehen. Jürg Lehmann betont, es handle sich ja nur um eine kurze Zeit. «Die Kinder wachsen so schnell und die Jahre gehen vorbei. Mir ist wichtig, dass sie einen guten Start in die Selbstständigkeit haben, auch für den Fall, dass sie selbst mal eine Familie wollen.» Lehmann möchte seine Söhne nicht unnötig mit seinen eigenen Problemen belasten. Die Partnerschaft ist zwar gescheitert, doch die Elternschaft soll Bestand haben. «Wir haben einmal diesen gemeinsamen Weg eingeschlagen, eine Familie gegründet und uns vorgenommen, miteinander alt zu werden. Das hat leider nicht geklappt, doch die Kinder können nichts dafür. Wir möchten ihnen den Weg so gut wie möglich bereiten, bis sie eines Tages selbstständig sind.»

      Beurteilung der aktuellen Situation Die aktuelle Situation beurteilen beide Partner positiv. Sie finden, es bestehe kein akuter Handlungsbedarf. Marion Lehmann fühlt sich nun freier als vor der Trennung. «Ich habe auch das Gefühl, ich habe mehr Respekt vor Jürg als vorher, als wir noch zusammengelebt haben.»

      Auch Jürg Lehmann denkt, auf dem richtigen Weg zu sein. «Zuerst muss ich mal wieder für mich schauen, nicht egoistisch, aber dass es mir gut geht. Mein Rucksack war zeitweilig einfach zu schwer. Nun will ich dafür sorgen, wieder der zu werden, der ich einmal war.» Er muss jetzt einen eigenen Haushalt führen, profitiert allerdings von gewissen Erleichterungen. «Ich wohnte davor nie wirklich alleine; der Haushalt ist deshalb Neuland für mich. Seit Kurzem habe ich aber eine Putzfrau,