Gemeinsam Eltern bleiben. Margret Bürgisser

Читать онлайн.
Название Gemeinsam Eltern bleiben
Автор произведения Margret Bürgisser
Жанр Сделай Сам
Серия
Издательство Сделай Сам
Год выпуска 0
isbn 9783035501308



Скачать книгу

an das Bundesamt für Statistik (BFS) befreit. Gemäss der Zivilstandsverordnung (ZStV) ist die Erfassung einer Scheidung von zwei Personen, die beide nicht das Schweizer Bürgerrecht besitzen, in Infostar nur dann obligatorisch, wenn die Daten der betroffenen Personen bereits erfasst sind. Trifft dies nicht zu, ist das Zivilstandsamt nicht verpflichtet, diese Scheidung zu erfassen. Dieser Wechsel der Datenquelle führt zu einem Bruch in der Reihe der Scheidungsstatistik, da nicht mehr alle Scheidungen von zwei ausländischen Personen ausgewiesen werden können.

      «Er ist nach wie vor der Vater und ich bin nach wie vor die Mutter. Das habe ich nie infrage gestellt.»

      Marion (39) und Jürg Lehmann (45) sind beide in Schöfflisdorf aufgewachsen. Da sie in der Nähe wohnten, sahen und grüssten sie sich gelegentlich, wenn Marion auf den Zug ging. Marion Lehmann erinnert sich an die Anfänge ihrer Liebesbeziehung: «1997, an der Badenfahrt, haben wir uns näher kennengelernt. Wir haben die Telefonnummer ausgetauscht und sind dann relativ schnell zusammengekommen.» Im März 1999 heirateten sie und ein Jahr später kam Sohn Nico zur Welt. Im Januar 2002 folgten die Zwillinge Lars und Yves. Nach 14 Jahren haben sich die Lehmanns im Mai 2013 scheiden lassen. «Ich habe lange mit diesem Entscheid gerungen», betont Marion Lehmann, «auch wegen des sozialen Umfelds. Es ist ein wichtiger Schritt, eine grosse Veränderung.»

      Beruflicher Hintergrund Jürg Lehmann lernte Zimmermann und arbeitete auf diesem Beruf, bis er 26 war. Dann wechselte er als Angestellter ins Sanitärinstallateurgeschäft seines Onkels. Vor fünf Jahren verstarb dieser mit 54 Jahren unerwartet an einem Herzinfarkt – ein einschneidendes Ereignis. Jürg Lehmann bildete sich weiter, um die Firma seines Onkels weiterzuführen. Heute ist er für alles zuständig: Termine, Bestellungen, Offerten, Angestellte. Für die Büroarbeiten kann er nach wie vor auf die tatkräftige Unterstützung von Marion Lehmann zählen, die etwa 10% ihrer Arbeitskapazität für diese Aufgabe aufwendet.

      Marion Lehmann absolvierte zuerst das KV und dann – als Zusatzausbildung – die Reisebüroschule bei der SBB. Nachher arbeitete sie bei Kuoni und später als Freelancerin in ihrem Home-Office. «Der damalige CEO bot Frauen, die Kinder bekamen, an, von zu Hause aus zu arbeiten und ihre Stammkundinnen und -kunden weiterzubetreuen.» Diesen Job machte Marion Lehmann zuerst für Kuoni, später auch für TUI. Seit knapp zwei Jahren arbeitet sie bei einem Verlag, der Reisemagazine herausgibt, und ist da verantwortlich für den Verkauf der Inserate. «Auch dies mache ich von zu Hause aus, vor allem wenn die Kinder in der Schule sind. Wenn nötig kann ich die Eltern oder Schwiegereltern auch mal fragen, ob die Kinder zu ihnen zum Mittagessen kommen können.»

      Neben ihrem Home-Office betreut Marion Lehmann noch die Hotelorganisation für die Tour de Suisse. «Ich mache das nun schon das siebte Jahr und es läuft relativ gut. Ich kann dies gut mit den Kindern vereinbaren.» Auch Jürg Lehmann ist seit neun Jahren bei der Tour des Suisse engagiert. «Als Direktionsfahrer bin ich dafür verantwortlich, die Sicherheit zu gewährleisten. Von Kilometer null bis ins Ziel bin ich ganz nahe bei den Velofahrern, vorne, hinten, eigentlich überall.» Während seiner zehntägigen Abwesenheit wird er im Geschäft von seinen Angestellten vertreten.

      Hintergrund der Trennung Der Trennung ging eine Phase der Entfremdung voraus. Frau Lehmann stellte fest, dass die Beziehung nicht mehr stimmte. «Die Liebe war weg. Wir lebten WG-mässig zusammen, hatten zwar keinen Streit, aber der Funke war nicht mehr da …» Jürg Lehmann bestätigt: «Mein Rucksack war einfach immer schwerer geworden: Die Zwillinge sind gekommen, der Tod meines Onkels hat mich belastet, das Geschäft mich sehr bean­sprucht. Ich hatte damals tausend Probleme mit mir selbst, sodass ich meine Frau gar nicht mehr wahrnahm. Sie sagte immer: ‹Wir müssen etwas machen, sonst verlieren wir uns.› Und das ist dann leider auch passiert.»

      Marion Lehmann litt unter dem Zustand, «weil ich nicht wusste, in welche Richtung es in Zukunft weiterlaufen würde. Dieses In-der-Luft-Hängen fand ich mühsam. Ich wünschte mir eine rasche Lösung, denn wir gingen uns zunehmend auf den Wecker.» Es fiel ihr auch schwer, die Probleme vor ihrem familiären Umfeld geheimzuhalten. «Ich bin eigentlich ein offener Mensch und habe auch zu meinen Eltern ein offenes Verhältnis. Die Heimlichtuerei wurde für mich zunehmend zur Belastung. Als wir von den Sommerferien in Italien nach Hause kamen, beschloss ich, es meinen Eltern und auch den Kindern zu sagen. Ich ertrug es nicht mehr, gegen aussen eine Show zu zeigen. Im ersten Moment war es hart für meine ­Eltern. Sie hatten zwar vermutet, dass es nicht mehr stimmte, aber sie brauchten einige Zeit, um das zu verarbeiten. Inzwischen sehen sie allerdings, dass es uns und den Kindern gut geht, und haben es akzeptiert.»

      Marion Lehmann empfand ihre Trennung auch als Eingeständnis, versagt zu haben. «Wir haben mal geheiratet und gesagt, wir schaffen es. Und jetzt gehören auch wir zu denen, bei denen es nicht geklappt hat.» Jürg Lehmann sorgte sich: «Was sagen die anderen Leute? Jetzt waren die doch ein so schönes Pärchen … Ja, was die andern denken, hat mich damals beschäftigt. Aber jetzt ist mir das eigentlich egal.»

      Familiäre Neuorganisation Eine Zeit lang war unklar, wie sich das Paar mit den Kindern neu organisieren würde. Eine Kollegin von Frau Lehmann praktizierte mit ihrem Expartner das «Nestmodell», bei dem die Eltern abwechslungsweise ins Haus kommen, um die dort wohnenden Kinder zu betreuen. «Wir haben diese Möglichkeit auch geprüft», erzählt Marion Lehmann, «aber gefunden, das stimme für uns nicht, denn so sei eigentlich niemand mehr richtig zu Hause.» Schliesslich fand sich für das Wohnproblem eine Lösung. Jürg Lehmann konnte eine im Familienbesitz befindliche Wohnung beziehen, die schon eine Weile leer gestanden hatte. «Da drin haben früher meine Grosseltern gelebt, wir haben da auch Weihnachten gefeiert. Wir haben sie ein wenig umgebaut und dann bin ich hier eingezogen.»

      Herr Lehmann verhielt sich im Vorfeld der Trennung eher zögerlich, das Zugpferd war seine Frau. «Sie war immer eine Powerfrau, ich bin eher der Gemütliche. Die Trennung und die damit verbundenen Folgen fielen mir schwer. Das Haus, das wir bewohnten, hatten wir selbst gebaut. Ich hatte die ganzen sanitären Anlagen und Spenglerarbeiten gemacht, und wir hatten es uns schön eingerichtet. Da musste ich nun raus. Nach meinem Umzug fühlte ich mich einsam und alleine. Anfänglich hatte ich nichts – kein Messer, keine Gabel. Da war ich extrem überfordert. Aber ich hatte gute Unterstützung von Marion, sie hat mir sehr geholfen.»

      Zusammen mit den Kindern gingen die Eltern damals zu Ikea, um alles Nötige für Jürgs Wohnung einzukaufen. Mit drei vollen Einkaufswagen begegneten sie – wie sich Marion erinnert – einem Kollegen von Jürg. «Dieser fragte: ‹Renoviert ihr oder baut ihr um?› Jürg antwortete: ‹Nein, ich ziehe von zu Hause aus.› Da fiel der andere fast in Ohnmacht. Für ihn war es völlig komisch, dass man sich gegenseitig unterstützt, wenn man in Trennung ist.»

      Fachliche Unterstützung holen Vor der Trennung hätte Marion Lehmann gerne eine Ehetherapie gemacht und ihren Mann auch gerne dabei unterstützt, dass er seine Probleme löst. «Ich hatte das Gefühl, ich ertrinke mit ihm. Ich musste mich von ihm lösen, weil ich merkte, dass ich gar nicht mehr ich selbst war.» Es dauerte jedoch eine Weile, bis Jürg Lehmann zu einer Therapie bereit war. «Mich musste man immer pushen; die Energie war weg, ich hatte keine Power mehr. Abends lag ich erschöpft auf dem Sofa, weil ich tagsüber so viel Energie brauchte, um den Tag zu bewältigen. Als ich schliesslich nicht mehr schlafen konnte und tagsüber nur noch ein halber Mensch war, habe ich eine Therapie angefangen. Ich gehe jetzt seit etwa zwei Jahren zu einer Kinesiologin; die tut mir gut und mit ihr kann ich auch Gespräche führen.» Besuche bei Psychologen hat Jürg Lehmann hingegen als wenig hilfreich erlebt.

      Das Ehepaar Lehmann nahm im Trennungsprozess auch die Unterstützung der Mediationsstelle Bülach in Anspruch, von der es kompetent begleitet und beraten