Название | Gestalttherapie mit Gruppen |
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Автор произведения | Stefan Hahn |
Жанр | Документальная литература |
Серия | |
Издательство | Документальная литература |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783897975101 |
Zu Teil 2 (Autor: Stefan Hahn):
Warum finden überhaupt noch Gruppen statt? Warum besteht ein sich stetig steigerndes Interesse an Gruppentherapien? Ist es, weil Gruppen eine höchst wirksame Methode sind, um psychische Störungen zu behandeln? Aus der Sicht der Kostenträger mit Sicherheit. Aber aus der Sicht der Patienten?
Wir leben in einer Welt, in der immer mehr Leistung erwartet wird, mehr Flexibilität, mehr Selbstverleugnung, mehr Anpassung an menschenun- oder frag-würdige Zustände. In dem der Einzelne als Humankapital eine Rolle spielt, und die Politik ein fragwürdiges »immer weiter so« skandiert; was hat Psychotherapie noch für eine Aufgabe?
Für mich hat Wachstum Grenzen. Die Welt hat überhaupt Grenzen. Der Mensch lebt in seinen Grenzen. Und das ist gut so. Hier findet er Halt.
In den Gruppen wird deutlich, dass eine weitere Untergrabung und Zerstörung der menschlichen Existenz – mit der Folge der Verelendung – nur noch wenig kompensierbar ist für den Einzelnen. Die steigende Zahl von Menschen mit Ängsten, Depressionen, Anpassungsstörungen oder die in Konflikten zusammenbrechen, sowie soziale Situationen und Entwürdigungen nicht mehr aushalten können, spricht ihre eigene Sprache. Ich meine, wir sind an der Grenze angekommen.
Natürlich kann es weitergehen, aber wohin und um welchen Preis? Worum es geht: Um den direkten Kontakt von Mensch zu Mensch. Mit all den Gefahren, Herausforderungen, schönen und angstvollen Momenten und den begleiteten Veränderungen.
Zu Teil 3
Der Anhang besteht aus einer reichen Fundgrube für Experimente und Gruppenaktivitäten, die für jeweils unterschiedliche Gruppenphasen geeignet und dementsprechend geordnet aufgeführt sind. Dabei habe ich mit einfließen lassen, aus welchem Kontext heraus diese Experimente entwickelt wurden und wie sie modifiziert werden können.
Meiner Erfahrung nach ist eine angeleitete Übung am wirkungsvollsten, wenn sie organisch gewachsen, im Fluss des Gruppenlebens entstanden ist und ihr eine Folgerichtigkeit innewohnt (Polsters 2002: 171). Diese Erfahrungen sind am ehesten zu integrieren. Es liegt jedoch in der Natur der Sache, dass solche Übungen nicht planbar sind.
Trotzdem können Sie sich als Gruppenleiter innerlich auf die nächste Begegnung mit der Gruppe vorbereiten, indem Sie eine Vermutung anstellen, welches Thema für die Gruppe gerade im Vordergrund steht. Vielleicht passt eine der von mir aufgeführten Übungen und sie könnte der Gruppe helfen, dieses Thema zu erforschen.
Wohlgemerkt, es kann sich nur um eine Vermutung handeln, die Sie im Kontakt mit der Gruppe abgleichen sollten. Um eingebunden im Fluss des Gruppengeschehens zu bleiben, sollten Sie eine grundsätzliche Bereitschaft zur Flexibilität mitbringen. Mal werden Sie Ihre geplante Vorgehensweise modifizieren, mal etwas Neues erfinden, oder auch bei Ihrem Plan bleiben.
Im Anschluss an jedes vorgeschlagene Experiment findet der Leser Hinweise, wie er die Erfahrungen der Gruppenteilnehmer aufgreifen und gegebenenfalls vertiefen kann.
Die Erfahrungen, die der einzelne Gruppenteilnehmer in diesen angeleiteten Übungen und Experimenten macht, haben nur Wert, wenn sie integriert werden können. Diesen Integrations- und Wachstumsprozess zu begleiten, ist eine Ihrer wichtigsten Aufgaben als Gruppenleiter. Ich hoffe, dass Ihnen dieses Buch dabei ein hilfreicher Begleiter sein wird.
Die Arbeit an diesem Buch hat uns in den letzten fünf Jahren begleitet. Die Zeit war vor allem durch regen fachlichen und persönlichen Austausch und Diskussion über die Gruppenarbeit geprägt. Persönlich haben wir beide profitiert, sei es, dass wir unsere Arbeit in Gruppen überprüfen konnten, damit begannen, gemeinsam Gruppen anzubieten oder dass wir zu Interviewzwecken Gordon Wheeler und Bud Feder persönlich kennen lernten und die Gestaltphilosophie für uns immer neu belebten. Nicht zuletzt in den anregenden, spannenden und reichhaltigen Begegnung mit der Gestaltcommunity.
Es ist schön, wenn die Arbeit soviel Lebensfreude und Lebendigkeit zu bieten hat und durch den Abschluss dieses Projektes der nächste Schritt in die Zukunft gemacht ist, denn wir sind überzeugt davon, dass die Gruppenarbeit innerhalb der Gestalttherapie einen besonderen Beitrag für die Weiterentwicklung von Gruppenansätzen im speziellen und für Psychotherapie überhaupt leisten kann.
TEIL 1
Gruppenleiten – von der Angst zu mehr Sicherheit
In meinen Ausbildungsgruppen zum gestalttherapeutischen Gruppenleiter haben die Teilnehmer oft Angst, selbst die Gruppe anzuleiten. Am liebsten würden sie damit warten, bis die Angst verschwunden ist. Denn sie sind überzeugt davon, dass sie mit weniger oder idealer Weise ganz ohne Angst besser eine Gruppe leiten könnten. Ich werde als Vorbild idealisiert und als sicher, entspannt und souverän wahrgenommen.
Wovor haben diese angehenden Gruppenleiter Angst? Was ist an dieser Situation so bedrohlich, dass Teilnehmer, die oftmals in anderen Kontexten bereits Gruppen leiten, plötzlich keinen Zugang mehr zu ihren eigenen Kompetenzen, Fähigkeiten und Bewältigungsstrategien haben? Sie scheinen vor Angst blind und gelähmt.
Die Aufgabe, eine Gruppe zu leiten, ähnelt in ihrem Erleben einer unkontrollierbaren Stressreaktion (Hüther 2005). Das bisher erworbene Verhaltensrepertoire scheint nicht zu genügen, um mit der neuen Situation fertig zu werden. Die Antwort auf meine Frage, wovor sie Angst haben:
• Alles könnte außer Kontrolle geraten.
• Sie könnten abgelehnt werden, sich lächerlich machen.
• Ihnen könnte nichts mehr einfallen.
• Sie könnten Schaden anrichten.
• Sie könnten Wichtiges übersehen.
• Aufkommende Konflikte könnten die Gruppe sprengen.
Im Folgenden werde ich auf diese Ängste einzeln eingehen, auch wenn sie miteinander verbunden sind.
Alles könnte außer Kontrolle geraten
In jeder Gruppe gerät immer einiges außer Kontrolle. Im Hinblick auf das, was die Gruppenleitung geplant hat, gibt es immer Unvorhergesehenes. Didaktisch geplante Gruppentreffen mit strukturierten Übungen für Alle geben dem Gruppenleiter ein hohes Maß an anfänglicher Sicherheit und ausreichend Selbstvertrauen, um mit dem ›Abenteuer Gruppe-Leiten‹ zu beginnen. Sie erfreuen sich deshalb größter Beliebtheit nicht nur bei angehenden Gruppenleitern. Auch die Gruppenteilnehmer haben meist Angst. Sie wird durch eine klare vorgegebene Struktur gelindert.
Bei angehenden Gruppenleitern geht oft viel Energie in die Vorbereitung und manchmal minutiöse Strukturierung der geplanten Gruppensitzung. Dabei scheint sehr viel auf dem Spiel zu stehen, wie eine alles entscheidende Prüfung des Selbstwerts oder der Standhaftigkeit im Anblick einer feindlichen Macht. Der Gruppenleiter hat Angst. Es könnte irgendetwas Unvorhergesehenes passieren, das alle seine Pläne zunichte macht, und am Ende stünde er vor einem Scherbenhaufen. Um für alle Eventualitäten vorbereitet zu sein und somit der drohenden Scham entgehen zu können, hat er ein Überangebot von Übungen und Material vorbereitet. Er ist so sehr mit seinem eigenen psychischen Überleben der Prüfung beschäftigt, dass er wenig Kapazität für Begegnungen mit den Gruppenteilnehmern hat und sich auch bei guter »Performance« noch isoliert fühlt.
In der Regel sind die Teilnehmer in den Ausbildungsgruppen kooperativ und schützen somit den angehenden Gruppenleiter vor einer Blamage. Außerhalb, in anderen Gruppen, kann er von dieser Hilfsbereitschaft nicht ausgehen und die vorher genannten Ängste haben durchaus ihre Berechtigung.
Ziel in meinen Ausbildungsgruppen ist deshalb, dass Teilnehmer lernen, mit ihrer Angst Gruppen zu leiten und von der Angst zur Erregung zu finden. Diese Angst kommt eher zum Vorschein, wenn weniger geplant wurde. Die Teilnehmer sollen die Erfahrung machen, wie aus