Die Fast Food Falle. Harald Sükar

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Название Die Fast Food Falle
Автор произведения Harald Sükar
Жанр Сделай Сам
Серия
Издательство Сделай Сам
Год выпуска 0
isbn 9783990013465



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Jahren sechzig unterschiedliche Logos vorgelegt wurden. Alle von namhaften Herstellern. Die einen hatten mit Fast Food zu tun. Die anderen nicht.

      Die Gehirnströme der Probanden wurden mittels Magnetresonanztomograph (MRT) gemessen und aufgezeichnet. Ziel war es herauszufinden, wie die Belohnungszentren im menschlichen Gehirn, vor allem bei jungen Menschen, reagieren. Weil bekanntlich genau dort darüber entschieden wird, ob der Appetit gezügelt oder angeregt wird. Fazit:

      Logos und Markennamen von Fast-Food-Restaurants brennen sich in das Gehirn von Kindern buchstäblich ein.

      Wie Daten auf einer frisch bespielten CD-ROM. Oder einer Computerfestplatte. Mitunter die Erklärung, warum es gerade die Jungen sind, die es wie ferngesteuert hinzieht zu den Fast-Food-Tempeln.

      Bekommen sie ein Fast-Food-Logo vorgesetzt, werden diese Belohnungszentren in höchste Alarmbereitschaft versetzt. Dr. Amanda Bruce, die Leiterin der Studie, drückte das in einem Interview für die britische Tageszeitung The Independent mit einiger akademischer Zurückhaltung so aus:

      »Die Forschung hat gezeigt, dass Kinder und Jugendliche mit höherer Wahrscheinlichkeit Nahrungsmittel auswählen, deren Logos sie kennen. Besorgniserregend ist das Ergebnis deshalb, weil es sich bei der Mehrheit der Lebensmittel, deren Zielgruppe vor allem Kinder und Jugendliche sind, um sehr ungesunde, kalorienreiche Produkte handelt, die viel Zucker, Fett und Natrium enthalten.«

      Das gesundheitsgefährdende Essverhalten Heranwachsender hänge, so Bruce weiter, mit einer gestörten Entwicklung jener Hirnregionen zusammen, die zweierlei steuern: Emotionen und Denkprozesse. Mit anderen Worten: Gerade junge Menschen treffen in Sachen Ernährung viel zu leicht und viel zu oft die absolut falsche Entscheidung.

      Für Konzernstrategen ist das wie ein Lotto-Sechser in der Dauerschleife. Was Ray Kroc bereits intuitiv verfolgte und auch alle nach ihm hat Milliarden scheffeln lassen, das haben die Strategen im Jahr 2019 auch noch Schwarz auf Weiß. Sozusagen amtlich bestätigt.

      Die richtigen Botschaften richtig formuliert und zur richtigen Zeit zu den Kleinsten gebracht, und die zahlenden Kunden von morgen sind heute schon willenlos.

      Unbezahlbares Zusatzwissen.

      Von systematisch herbeigeführter Abhängigkeit will man trotzdem nichts wissen. Vielmehr treten Großkonzerne gerne auch mal die Flucht nach vorne an. So zum Beispiel, als es vor knapp drei Jahren in den USA hieß, die Regierung könnte den Lebensmittelriesen bald schon auf die Zehen steigen und die gezielte Werbung in Richtung Kinder und Jugendliche eindämmen.

      Immerhin werden laut amerikanischer Bundeshandelskommission FTC Jahr für Jahr in den USA 1,6 Milliarden Dollar allein von Fast-Food-Ketten ins Rennen geworfen, um die Jugend zu ködern (das erinnert an das Märchen mit dem Rattenfänger von Hameln nach den Gebrüdern Grimm. Bloß mit mehr Aufwand).

      Also kamen vierzehn der ganz Großen den Regierungsplänen zuvor. Sie schlossen sich zusammen, bildeten eine industrieeigene Koalition und starteten, natürlich äußerst medienwirksam, ein Programm mit diesem klingenden Namen: Better Business Bureau.

      Ziel der freiwilligen Selbstregulierung: Bessere Lebensmittel für die Jugend. Dazu andere Werberichtlinien. Mit an Bord waren Riesen wie Coca-Cola, Kellogg’s und andere.

      Die FTC zeigte sich einigermaßen zufrieden. Die Sache hat jedoch einen Beigeschmack. Was bessere Lebensmittel sind, wie die Werbung abgeändert wird und so weiter, über all diese Schlüsselfaktoren entscheiden die Firmen selbst. Da macht es mehr Sinn, den ausgehungerten Wachhund vor den vollen Korb mit Knackwürsten zu setzen. Weil bei ihm wenigstens die Hoffnung besteht, dass er sich irgendwann doch sattgefressen hat.

      Dem Wachhund lässt sich nicht wirklich ein Vorwurf machen. Es liegt in seiner Natur. Und die Konzerne? Wie ist das nun? Haben wir Konsumenten eine Wahl oder haben wir nicht? Wo enden die eigenen Möglichkeiten? Wo beginnt die Skrupellosigkeit der Industrie? Wo die gezielte Manipulation?

      Wer die Last zu tragen hat, ist klar: Die Abermillionen Dicken mit ihren überschüssigen Kilos direkt am Leib. Und die Gesellschaft ebenfalls direkt durch enormen Steuergeldaufwand, um all die Folgen der grassierenden Fettleibigkeit in der Welt abzufedern. Sofern das überhaupt noch zu schaffen ist.

      Aber wer trägt die Schuld? Wer die Verantwortung? Ist Fast Food gleichzusetzen mit einem Kapitalverbrechen an der Menschheit oder ist es das nicht?

      Die Dealer mit dem weißen Gift

      Dazu noch ein paar einleitende Worte zum Thema Abhängigkeit und Eigenverantwortung, ehe ich Sie mitnehme in die Welt der Konzerne:

      Denken Sie an einen Jugendlichen in Ihrem persönlichen Umfeld. Ihren Sohn. Ihre Tochter. Freunde Ihrer Kinder. Kinder von Freunden, Verwandten. Stellen Sie sich vor, jemand würde einen dieser Jugendlichen zu seiner ersten Prise Kokain verführen. Oder gleich zu Heroin.

      Was würden Sie empfinden? Was denken? Wie würden Sie reagieren?

      Bald schon müssten Sie erkennen, dass es zu spät ist. Oder beinahe zu spät. Weil Ihr Sohn, Ihre Tochter, das Kind Ihrer Freunde auf dem Weg in die Suchtabhängigkeit ist. Mittendrin. Dass er oder sie längst begonnen hat, nach dem Stoff zu suchen. Und ihn sich auch selbst zu organisieren. In irgendwelchen dunklen Hinterhöfen und Spelunken oder Schickimicki-Treffs.

      Wie würden Sie denjenigen nennen, der den Erstkontakt hergestellt oder angeregt hat? Wie denjenigen, der die wachsende Sucht von nun an stillt und den Stoff jederzeit bereitstellt?

      Zu dem einen würden Sie vermutlich Dreckskerl sagen. In der höflichen Variante. Zu dem anderen Dealer. Welcher Verbrechen machen sich die beiden schuldig? Was die Moral betrifft, gibt es ohnehin keinen Zweifel. In punkto Gesetz steht wenigstens der Dealer weit jenseits der roten Linie.

      Sie wissen natürlich, welche Frage nun folgt: Wie verhält es sich mit der Sucht nach Fast Food?

      Die traurige Wahrheit ist: Nehme ich mein Kind bei der Hand und gehe mit ihm ins nächste Fast-Food-Restaurant, habe ich den ersten Schritt getan. Den Rest erledigt der Dealer. Dafür ist er perfekt ausgebildet. Darauf ist er vorbereitet. Nichts anderes sind Zuckerindustrie und Fast-Food-Produzenten.

      Dealer.

      Kokain wird auch unter diesem Begriff geführt: weißes Gift.

      Zucker trägt denselben Beinamen. Weißes Gift. Aus gutem Grund. Alle beide, Kokain und Zucker, stimulieren letztlich auch dieselben Hirnregionen, setzen dieselben Botenstoffe in Gang, lösen in uns Menschen dieselbe Art von Suchtverhalten aus.

      Der entscheidende Unterschied ist: Wer mit Kokain dealt und sich erwischen lässt, wandert ins Gefängnis. Wer mit Zucker dealt, tut es vor den Augen der ganzen Welt, kommt ungestraft davon und wird sogar belohnt, weil er auf Cocktailpartys eingeladen und in Aufsichtsräte gewählt wird.

      Das ist das Fantastische an der Droge Zucker und den anderen Süchtigmachern im Fast Food: Sie alle sind legal. Überhaupt herrscht in der Branche ein absolutes Weiße-Weste-Klima. Bloß nichts tun, was gegen das Gesetz ist. Das ist so etwas wie ein Mantra, ein oberstes Gebot. Bloß nichts Illegales. Lieber die Gesetze biegen, lieber dafür sorgen, dass sie entsprechend formuliert sind. Auch davon möchte ich Ihnen berichten.

      Darüber hinaus, warum die so genannten Skandale in den Fast-Food-Restaurants, vom Maus-Burger bis zum Gammelfleisch, in den allermeisten Fällen gar keine sind. Und vom Umgang mit den schärfsten Kritikern. Weshalb die einen angefeindet und in den Dreck gezogen werden, andere als unbedeutend kleingeredet oder totgeschwiegen, wiederum andere umarmt wie beste Freunde.

      Spannend auch, was die Ware Fast Food in uns anstellt. Ganz unmittelbar. Sozusagen von jetzt auf gleich. Innerhalb der, sagen wir, ersten sechzig Minuten nach Verzehr eines derartigen Schnellgerichts. Ebenso faszinierend wie beunruhigend diese neue Erkenntnis: Dass die Folgen bereits eines einzigen Fast-Food-Menüs in den menschlichen Arterien, ausgelöst durch Zucker, Fette und andere industriell erzeugte Inhaltsstoffe, empirisch nachweisbar sind. Wie ein auf kriminelle Weise in einen Flusslauf gekippter Giftcocktail.

      Natürlich heißt