Die Fast Food Falle. Harald Sükar

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Название Die Fast Food Falle
Автор произведения Harald Sükar
Жанр Сделай Сам
Серия
Издательство Сделай Сам
Год выпуска 0
isbn 9783990013465



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zu gründen, eigene Kinderhäuser mitunter, um einer kleinen Minderheit Bedürftiger ein besseres Leben zu ermöglichen? Vordergründig nichts. Beim zweiten Hinsehen aber drängt sich dieser Gedanke auf: Geschieht diese medienwirksame Wohltätigkeit nicht ausschließlich mit Geld, das zuvor auf dem Rücken von Millionen anderer Kinder verdient worden ist? Kinder, die mit wohl kalkuliertem System von den eigenen Produkten abhängig gemacht worden sind?

      Oft konnte ich es nicht glauben, wie leicht manche Medienvertreter zufriedenzustellen sind mit den Brocken, die du ihnen hinwirfst. Und wie zahnlos und gefällig ihre Berichte waren. Natürlich, es gibt ja auch gemeinsame Interessen. Wenn der eine beispielsweise ein sehr guter Inseratenkunde ist und damit Arbeitsplätze des anderen sichert. Aber oft genug ist es einfach nur die Frage, was in den Häppchen drin ist, die du servierst. Die Portionsgröße der Information macht es ebenfalls aus.

      Dazu diese Analogie: Will ich als Verkäufer eine sehr große, sehr teure Maschine an den Mann bringen, zerlege ich die Gesamtsumme am besten in Kleinstbeträge. Will ich es umgekehrt machen, wandle ich den kleinsten Vorteil einer in Summe vielleicht nicht so vorteilhaften Gesamtthematik in einen riesengroßen Profit um. Alles eine Frage von Umrechnung und Darstellung. Vor allem der Öffentlichkeit gegenüber. Das funktioniert prächtig. Ich werde Ihnen davon erzählen.

      Doch was in der Fast-Food-Welt zählt, ist vor allem dies: gelebtes Selbstverständnis. Die Linie lautet: Was wir tun, hat nicht das Geringste mit systematischem Abhängigmachen zu tun, ohne dass die hochentwickelte Spezies Mensch es bemerkt. Auch nicht mit raffinierter, unterschwelliger Beeinflussung durch Logos, Gratis-Gimmicks und Spielplätze. Wie soll das überhaupt gehen?

      Brainwashing?

      Niemals. Was wir bis zur Perfektion betreiben, nennt sich Marketing.

      Von wegen Fast Food und Kindesmisshandlung also. Wenn schon Misshandlung, dann die, die ihr Menschen an euch selbst betreibt. Aus freier Entscheidung heraus. Ihr Menschen da draußen seid schuld, wenn ihr fett und träge werdet. Niemand sonst. Bewegt euch mehr! Dann könnt ihr in unsere Restaurants kommen und schlemmen, so oft ihr wollt, so viel ihr wollt, und doch bleibt ihr rank und schlank. Mehr Sport, Leute. So einfach ist das. Runter von der Couch. Auf diese Weise könnt ihr jede Art von Nahrung wieder kompensieren. Wer das Gegenteil behauptet und mit irgendwelchen brandneuen, gekauften Studien daherkommt, ist ein Lügner.

      Richtig?

      Richtig. So habe auch ich das über all die Jahre gesehen. Den vielleicht einzigen, ein klein wenig schalen Beigeschmack, den ich damals schon empfand, war der: Fuhr ich nach einem Besuch beim Drive-In in Salzburg auf die Autobahn nach Linz, so plagte mich am Ende dieser gut 120 Kilometer meist schon wieder ein leichtes Hungergefühl. Auf gesunde Weise anhaltend sättigende und zugleich nährstoffreiche Nahrung schien eben doch anders auszusehen. Damit wackelte eines meiner Pro-Fast-Food-Argumente ein klein wenig.

      Doch dann sagte ich mir: Liegt nicht auch genau darin eines der vielen Erfolgsrezepte? Die Menschen sind verrückt nach dem Zeug und süchtig danach, auch deshalb, weil das Sättigungsgefühl nicht allzu lange anhält. Und, dass sie gerade deshalb

      a) bald schon wiederkommen und

      b) beim nächsten Mal noch mehr konsumieren?

      Heute ist meine Welt eine grundlegend andere. Heute kann ich gar nicht mehr anders, als im Kopf mitzurechnen bei Gedanken wie diesem: Mein Kind isst einen Big Mac samt Pommes mittlerer Größe und schlürft dazu ein Cola (0,4 Liter). Dann spendiere ich ihm hinterher noch einen kleinen Eisbecher, den McSundae Crunchy Deluxe zum Beispiel, der mit der verführerisch süßen Erdbeersauce. Wieviel puren Zucker hat mein Sohn, meine Tochter, mein Enkelkind dann zu sich genommen?

      Sie könnten nun an dieser Stelle kurz anhalten, auf die Homepage von McDonald’s gehen und es sich mühevoll zusammensuchen. Vorausgesetzt, Sie wissen wo. Transparenz muss man sich oft nämlich erst selbst erarbeiten. Apropos Transparenz: Ich habe dazu, als Kunde getarnt, einen kleinen Selbstversuch gestartet, den ich Ihnen später nicht vorenthalten möchte. Aber bleiben wir noch bei dem erwähnten Menü und dem Zucker. Wie viele Gramm sind es? Ich erspare Ihnen die Suche. Es sind 119 Gramm. Das Ketchup nicht eingerechnet. Da müssten wir pro Esslöffel Zucker noch ein Stück Würfelzucker obendrauf legen.

      Für ein gesundes Aufwachsen empfiehlt die Weltgesundheitsorganisation WHO bei Kindern und Jugendlichen im Alter von zwei bis achtzehn Jahren einen maximalen Zucker-Tagesverbrauch von 25 Gramm. Das sind circa sechs Teelöffel. Je nachdem, wie groß Ihre Teelöffel sind.

      Besser wären achtzehn Gramm pro Kind und Tag (bei uns Erwachsenen nicht mehr als fünfzig).

      Aber, seien wir nicht kleinlich. Bleiben wir bei der gerade noch vernünftigen, tolerierbaren Obergrenze von 25 Gramm. Mit dem einmaligen Genuss von Big Mac, Cola, Pommes und Eisbecher hat mein Kind fast den Zuckerbedarf von fünf Tagen abgedeckt. Einer Schulwoche. In der strengeren Variante mit 18 Gramm kämen wir sogar auf eine ganze Kalenderwoche minus einen halben Tag.

      Zuckerbedarf von Montag bis Sonntag? Ab zu McDonald’s. Erledigt. Mit einem Streich.

      Jetzt können Sie natürlich mit Recht einwenden: Welches Kind (vor allem der jüngeren) schafft schon einen Big Mac und Pommes und Cola und ein Eis obendrein? Also gut. Ersetzen wir den Big Mac gegen etwas Kleineres. Handlicheres. Für den Kindermagen Glaubhafteres.

      Wie wäre es mit einem der Klassiker? Einem Hamburger? Oder gleich die beliebten Chicken McNuggets? Eine Sechser-Packung?

      Die Sache ist die: Es spielt keine Rolle, ob Burger oder paniertes Hühnermischmasch. In punkto Zucker zumindest. Die Ersparnis bei einem Wechsel von Big Mac zu den McNuggets fällt kaum ins Gewicht. Der Big Mac bringt es auf gerade mal 8,5 Gramm Zucker pro Portion. Im Verhältnis zur Gesamtmenge des Menüs sind das Peanuts. Die McNuggets haben so gut wie keinen Zucker. 0,4 Gramm. Wirklich vernachlässigbar.

      Die Ersparnis beim Tausch wäre demnach überschaubar. Den wahren Zuckerschock bescheren ohnedies Softdrink und Eis. Das Eis allein bringt es auf 65 Gramm, die etwa dreifache Menge des Tagesbedarfs. Eine Heiligsprechung für Burger und Pommes ist das aber noch lange nicht. Die haben es auf anderer Ebene gehörig in sich. Oder eben nicht in sich. Sie werden schon sehen. Weil der Zucker ja nur das eine ist. Da sind die Fette, die Salze, die Konservierungsstoffe. Und anderes.

      Fakt ist auch: Es tut überhaupt nichts zur Sache, bei wem mein Kind, Enkelkind, irgendein Kind (oder ich selbst?) sich die Überdosis einfängt. McDonald’s, Burger King, Kentucky Fried Chicken, Taco Bell, Nordsee und wie sie alle heißen mögen. Edeka etwa. Oder die Restaurants der Möbelketten mit ihren unschlagbaren Fünf-Euro-Mittagsmenüs.

      Völlig egal. Sie alle sind Big Player der sogenannten System-Gastronomie. Sie alle spielen in punkto Gesundheit beziehungsweise ihrer Verhinderung, mehr noch, ihrer gezielten Zerstörung in derselben Oberliga.

      Gezielte Zerstörung von Gesundheit? Wem soll das nützen?

      Um nur die Wichtigsten zu nennen: Da wäre die industrielle Landwirtschaft. Da wäre die Chemieindustrie, die das Ausbeuten der Natur durch die industrielle Landwirtschaft in diesem gigantischen Ausmaß erst ermöglicht. Da wäre die Zuckerindustrie. Da wäre die Fast-Food-Industrie an sich mit all ihren Zulieferern. Und da wäre die Pharmaindustrie, um die angerichteten Schäden an den Menschen so weit wie möglich wieder zu beheben. Eine nahtlose Kette, wo einer dem anderen das Staffelholz weiterreicht.

      Anders gesagt: Auf der einen Seite stehen die zig Millionen Geschädigten in aller Welt. Auf der anderen eine Handvoll Konzernbosse und Shareholder mit goldenen Nasen. Das hat nichts mit der x-ten Auflage irgendeiner Verschwörungstheorie zu tun.

      Es ist, wie es ist.

      Die Resultate sind so allgegenwärtig wie sichtbar. In Schnell-Imbiss-Lokalen. Draußen auf der Straße. In Schulen und Kindergärten. In Büros. In Krankenhäusern. Auf Friedhöfen. Sie begegnen uns überall, ob wir es wahrhaben wollen oder nicht, es sei denn, wir gehen mit geschlossenen Augen durchs Leben.

      McDonald’s habe ich übrigens bloß herausgepickt, weil der US-Fast-Food-Gigant so ungeheuer marktbeherrschend ist. Nach wie vor, insbesondere hier in Europa.