Mann 2020. Markus Margreiter

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Название Mann 2020
Автор произведения Markus Margreiter
Жанр Сделай Сам
Серия
Издательство Сделай Сам
Год выпуска 0
isbn 9783990013526



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Wir ignorieren sie.

      Fragen Sie irgendeinen jungen Mann auf der Straße, ob er sich um seine Prostata kümmert, Sie werden wenig zu hören bekommen. Die Prostata ist ein Alt-Herren-Thema, mit dem man sich Zeit lassen kann. Das ist die herrschende Einstellung bis zu dem Moment, in dem wir sie als Problem wahrnehmen. Dann allerdings geht es ziemlich rasant, von einem Moment auf den anderen. Gerade noch war sie unbeachtetes Inventar, das tagein tagaus verlässlich ihren Dienst tut, und auf einmal ist sie eine Krankheit.

      Wären wir uns schon in jungen Jahren bewusst, was wir an ihr haben, hätten wir länger was von ihr. Denn alles, was wir an unserem Körper ignorieren, hat etwas potenziell Negatives, das heißt, es kann uns einmal auf den Kopf fallen.

      Aber es gibt ein Leben dazwischen. Ein gutes, gesundes, sexuell erfreuliches Leben, im Laufe dessen man der Prostata schon einiges Gutes tun kann, damit sie erst viel später oder gar nie zum Problem wird. Grundsätzlich darf sich jeder von uns schon einmal darauf einstellen, dass er sich irgendwann auf die eine oder andere Weise mit seiner Kastanie wird auseinandersetzen müssen, so wie er irgendwann auch schlechter hört, nicht mehr so gut sieht, der Blutdruck steigt oder ein Knie jault. Wobei die Prostata sehr viel Geduld hat, medizinisch nennen wir das Latenz. Mit der Latenz einer Prostata könnte man auf Godot warten, ohne dass einem fad werden würde.

      Anders gesagt: Die Prostata ist nicht wehleidig. Bis sie meldet, dass etwas nicht stimmt, stimmt wirklich schon etwas nicht. Der typische Umgang des Mannes mit sich selbst, auweh, jetzt spüre ich etwas, ich nehme ein Medikament, und dann ist alles wieder gut, greift nicht bei der Prostata. Sie hat gern durchgehend Aufmerksamkeit, kontinuierliche kleine Schritte sind ihr das Liebste. Und beginnen kann man damit schon mit dreißig.

      Passiert nicht, ich weiß.

      An dieser Stelle finde ich es angebracht, ein Geständnis abzulegen: Als junger Mann hat mich meine Prostata genauso wenig interessiert. Nicht einmal als junger Arzt. Da ich mich der Gesundheit des Mannes und damit der Prostata über die Hormone und die Sexualmedizin angenähert habe, habe auch ich ihr meine Aufmerksamkeit erst später geschenkt.

      Als Organ, das erst ernst genommen wird, wenn es Probleme macht, teilt die Prostata das traurige Schicksal des Blinddarms. Nur, dass der Blinddarm nicht so großartig ist. Im Gegensatz zur Prostata hat er keine Aufgabe, er hat nicht das Geringste zu tun. Die Aufgaben der Prostata hingegen sind riesig und unglaublich erfreulich.

      Wir brauchen sie für

      • das Empfinden in der Lendengegend,

      • die Bildung eines Großteils des Ejakulats,

      • den Samenerguss,

      • und den Orgasmus.

      In ihr mündet alles, was für die Sexualität und die Fortpflanzung zuständig ist. Höchste Zeit also, sich mit ihr bekannt zu machen. Ich übernehme das gerne.

      Gestatten: die Prostata, man kennt sie auch als Vorsteherdrüse. Und das schon sehr lange. Es war der Arzt und Anatom Herophilos von Chalkedon, der sie 300 vor Christus erstmals beschrieb und ihr den Namen gab. Pro und statos bedeutet vor und stehend und bezieht sich auf ihre Lage unter der Blase und auf ihre prominente Rolle dort.

      Bis ins 16. Jahrhundert war es anatomisch gespenstig ruhig um die männliche Drüse, bis 1538 das erste Bild von ihr auftauchte, eine Illustration in der anatomischen Schrift von Andreas Vesalius, Tabulae anatomicae heißt sie, falls es wen interessiert. Und auch dann dauerte es immer noch seine Zeit, bis sie richtig unter die Lupe genommen wurde.

      Bis ins 40. oder 50. Lebensjahr eines Mannes verhält sich die Prostata praktisch symptomlos. Außer bei Patienten, die sie aufgrund einer Infektion zu spüren bekommen, aber das kann man ja nicht unbedingt der Prostata vorwerfen. Erst ab dem mittleren Alter regt sie sich schließlich, vor allem streckt sie sich. Sie wird größer. Die Hyperplasie ist ein Thema des Älterwerdens, was erklärt, warum über Prostata-Vergrößerungen erst im 18. Jahrhundert etwas nachzulesen ist: Damals lag die Lebenserwartung der Männer weit unter der heutigen, sie starben, bevor die Prostata ächzen konnte.

      Außerdem haben Hyperplasie und auch Prostata-Krebs viel mit der Ernährung zu tun, die damals noch nicht die beste war, weder in ausreichender noch in nährstoffreicher Hinsicht.

      Heute sehen wir den Einfluss des Essens auch an der Häufigkeit dieser Erkrankungen und dem dramatischen Unterschied in den Ernährungsgewohnheiten zwischen der westlichen Welt und Asien. In Asien war Prostata-Krebs fast nicht existent. Fleischkonsum ist dabei ein Riesenthema, vor allem aber Kuhmilch. Ganz abgesehen von der Heiligkeit der Kühe sind viele Asiaten lactoseintolerant. Außerdem essen sie generell mehr Obst und Gemüse und weniger tierisches Fett und Eier.

      Anhand der Ergebnisse der US-amerikanischen Health Professional Follow-Up Study 2012 an 40.000 Angehörigen von Gesundheitsberufen lässt sich ganz gut absehen, was der Prostata schmeckt und was ihr schadet.

      Reduzieren Sie

      • die Nahrungsmengen an sich,

      • rotes Fleisch und Wurstwaren,

      • und gezuckerte Getränke.

      Es gibt einen ganz eklatanten Zusammenhang zwischen Prostata-Krebs und Limonaden, das zeigte eine Studie, 2014 veröffentlicht im American Journal of Clinical Nutrition: Softdrinks and the risk of cancer and cardiovascular desease. Es genügen pro Tag schon ein bis zwei Dosen Coca-Cola, Sprite und dergleichen, um das Risiko auf Prostata-Krebs zu erhöhen.

      Essen Sie mehr

      • fetten Fisch, die Omega-3-Fettsäuren wirken anti-entzündlich und anti-tumorös,

      • und Tomaten, sie enthalten das Vitamin Lykopin, dem eine heilende Wirkung zugeschrieben wird, man nennt es mittlerweile schon das Tomaten-Vitamin.

      Außerdem sollten sie Ihrer Prostata zuliebe das Rauchen einstellen und mehr Sport betreiben. Übergewicht erhöht das Risiko auf Prostata-Krebs. Bewegung hemmt nicht nur die Entstehung eines Karzinoms, es wirkt selbst bei diagnostizierten Krebspatienten lebensverlängernd.

      Jaja, höre ich Sie jetzt denken, ich kenne die Regeln. Tatsächlich sind es die üblichen Verdächtigen, die auch der Prostata schaden, und die bekannten Wohltäter, die ihr guttun. Im Grunde sind es die gleichen Faktoren, die die WHO oder der World Cancer Report 2007 gegen das generelle Krebsrisiko auflisteten. In den Kapiteln Ernährung und Bewegung erfahren Sie mehr darüber.

      Prävention ist also der beste Verbündete, um die Prostata gesund zu halten. Gesund bedeutet in ihrem Fall die Abwesenheit folgender Erkrankungen:

      • Die gutartige Prostata-Vergrößerung, wir Mediziner nennen das Hyperplasie. Sie macht mit Beschwerden beim Harnlassen auf sich aufmerksam, man erkennt sie in den meisten Fällen daran, dass man beim Pinkeln ein halbes Buch auslesen könnte.

      • Die Gruppe der Prostata-Entzündungen, im Fachjargon Prostatitis. Diese Infektionen entstehen meistens aufgrund von Bakterien, können aber auch ohne sie auftreten. Ebenso hierher gehören die funktionellen Störungen, die sich mit Schmerzen oder Spannungszuständen in der Prostata-Region bemerkbar machen. Sie betreffen oft den Beckenboden, die dortigen Faszien und den Halteapparat.

      • Der Krebs, die bösartige Entartung der Prostatazellen. Wie wenig man landläufig das eine vom anderen unterscheiden kann, erfährt man am besten am Stammtisch: Wenn dort der Toni ein paar Wochen lang nicht erschienen ist, weil er’s an der Prostata hat, bedeutet das immer nur das eine: Der Toni ist operiert worden da unten, jetzt kann er nimmer und verliert den Harn. Und schon ist der Toni impotent und inkontinent, als Mann praktisch insolvent. Dabei hatte der Toni möglicherweise nur einen harmlosen Eingriff wegen einer ganz normalen Prostata-Vergrößerung. Zwischen dem und einer radikalen Entfernung der Prostata im fortgeschrittenen Krebsstadium liegt ein weites Feld, das den meisten Männern völlig unbekannt ist.

      In Wahrheit beginnt das Rätselraten aber schon viel früher. Bei Fragen wie:

      Was ist die Prostata eigentlich?

      Wo liegt sie überhaupt?

      Und