Название | Berufsbildung (E-Book) |
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Автор произведения | Emil Wettstein |
Жанр | Документальная литература |
Серия | |
Издательство | Документальная литература |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783035516760 |
Vom Bund ab 1891 unterstützt, entwickeln sich daraus die kaufmännischen Fortbildungsschulen, ab 1930 kaufmännische Berufsschulen genannt, ab 2002 kaufmännische Berufsfachschulen und im Volksmund immer «KV-Schulen». Sie werden auch heute noch in vielen Kantonen von kaufmännischen Vereinen («KV») getragen, aber von der öffentlichen Hand finanziert wie andere Berufsschulen.
Ziel der Bildungsbemühungen der «jungen Kaufleute» ist letztlich der soziale Aufstieg in den unteren Mittelstand, genauer in die Schicht der Angestellten. (König, Siegrist 1981, 214) Entsprechend hiess die Ausbildung ja bis 2003 «kaufmännischer Angestellter/kaufmännische Angestellte» und nicht «Kaufmann» bzw. «Kauffrau».
Wie in andern Bereichen der Berufsbildung gibt es zwei Wege der Grundbildung: Der betrieblich organisierte Weg besteht aus der praktischen Ausbildung (früher im ungeregelten Volontariat), begleitet vom Besuch der kaufmännischen Berufsschule. [1882f] Als schulischer Weg entstehen im 19. Jahrhundert in den meisten Städten drei Jahre dauernde «höhere Handelsschulen», die sich an Jugendliche ab 15 Jahren richten. [Handelsschulen] Viele von ihnen werden Abteilungen von Kantonsschulen und nennen sich «Handelsmittelschulen» oder «Töchterschulen». Bis 2003 bereiten sie auf ein in der Bundesgesetzgebung definiertes Diplom vor, einige Zeit auch auf eine kaufmännische Maturität. Heute endet eine erfolgreiche Ausbildung bei beiden Wegen mit dem Fähigkeitszeugnis Kauffrau/Kaufmann EFZ, allenfalls ergänzt durch eine kaufmännische Berufsmaturität. [BMS]
Die Dominanz der Arbeitnehmer, vertreten durch den Schweizerischen Kaufmännischen Verein (heute KV-Schweiz) und die von ihnen geführten Schulen bleibt bis Ende des 20. Jahrhundert erhalten, was sich neben der Trägerschaft der Schulen und der Konzeption der Abschlussprüfungen in der Konzentration der Ausbildung auf eine theorielastige berufliche Allgemeinbildung zeigt, ohne die in Industrie und Gewerbe übliche präzise Definition der praktischen Ausbildung. Die für einzelne Branchen (Reisebüros, Notariate, Textilhandel etc.) notwendigen Berufskenntnisse werden im Rahmen von Kursen (heute im Rahmen der überbetrieblichen Kurse) vermittelt. Dies erlaubt den Verzicht auf die Definition unterschiedlicher kaufmännischer Berufe, wie sie beispielsweise in Deutschland üblich ist.
Abbildung 4 Büro des Verbandes Schweizerischer Kosumvereine Basel, um 1912. Frauen ziehen in Büros ein -- zur Bedienung der Schreibmaschinen, die um die Jahrhundertwende populär werden (SSA, Gretler) [1900l]
Anfang des 20. Jahrhundert trennt sich die Ausbildung des Detailhandels von derjenigen der Kaufleute. [1912h] Der Detailhandel entwickelt aber ein ähnliches Ausbildungssystem: Die Ausbildungsrichtungen unterscheiden sich durch die Vermittlung einer spezifischen «Warenkunde» statt durch die Definition unterschiedlicher Berufe.
Kaufmännische Aus- und Weiterbildung – vgl. Kapitel 12
Landwirtschaftliche Berufsbildung
Im 18. Jahrhundert beginnen Intellektuelle sich für die Weiterentwicklung der Landwirtschaft zu interessieren. Es entstehen erste, aber vorerst kurzlebige Bildungsinstitutionen. Die ersten heute noch existierenden landwirtschaftlichen Fachschulen werden in den 1850er-Jahren gegründet. In Winter- oder in Jahreskursen vermitteln sie jungen Bauern theoretisches und teilweise auch praktisches Wissen. Bald bereiteten sie auch auf den Eintritt in die landwirtschaftliche Abteilung des Polytechnikums vor. [Landwirtschaft]
Das Interesse der Bauern hält sich aber in Grenzen, bildet doch die Abwesenheit junger Kräfte auf dem Hof während zwei bis drei Wintern oder ein bis zwei Jahren ein grosses Hindernis, wenn auch die ab 1884 fliessende Unterstützung der Schulen durch den Bund wenigstens die Schulkosten reduziert.
Ab Mitte des 19. Jahrhundert werden in vielen Kantonen Fortbildungsschulen eingerichtet, siehe hier. In ländlichen Regionen entwickelt sich ein Teil davon zu landwirtschaftlichen FBS, die wie die gewerblichen ab 1884 vom Bund unterstützt werden. Erste Elemente sind aber mancherorts auch bereits Inhalte der Oberstufe der Volksschule, parallel zum hauswirtschaftlichen Unterricht für Mädchen.
Wie der Schweizerische Gewerbeverband die praktische Ausbildung durch die Propagierung von Lehrverträgen und Lehrabschlussprüfungen fördert, so propagiert der Schweizerische Landwirtschaftliche Verband ab den 1920er-Jahren eine landwirtschaftliche Berufslehre. Während Jahrzehnten umfasst diese Grundbildung zwei Stufen (siehe hier):
• zwei Jahre Tätigkeit auf verschiedenen Bauernhöfen, den Besuch einer landwirtschaftlichen FBS, die «Lehrlingsprüfung», anschliessend
• den Besuch des Jahreskurses oder von zwei Winterkursen, gefolgt von der Fähigkeitsprüfung.
Es entwickelt sich auch eine höhere Berufsbildung (Betriebsleiterkurse, Agro-Techniker) und Studiengänge an Fachhochschulen.
Zu beachten: «Bildung» wird im landwirtschaftlichen Bildungswesen breiter gefasst als in anderen Bereichen der Berufsbildung: Das Vereinsleben wird gefördert, und Beratung wird als Bildungsmassnahme aufgefasst, Forschungsstationen und Mustergüter werden ins Bildungswesen einbezogen. [1946h]
Neben der Aus- und Weiterbildung für Landwirte entstehen auch für landwirtschaftliche Spezialberufe, insbesondere für milchwirtschaftliche Berufe, ab 1886 Fachschulen und später auch Berufslehren. Ab 1914 entstehen zudem weitere, in erster Linie hauswirtschaftlich orientierte Ausbildungsgänge für Bäuerinnen, vgl. hier. 2002 wurde der ganze Bereich dem Berufsbildungsgesetz unterstellt und strukturell der gewerblich-industriellen Berufsbildung angepasst.
Mehr zur landwirtschaftlichen Berufsbildung in Kapitel 13
Kompetenzen für Kantone und Bund
Ab 1884 fördert der Bund die Berufsbildung, siehe hier. Über eine Steuerungsmöglichkeit verfügt er mangels einer Grundlage in der Verfassung aber nicht, ausser indem er die Ausrichtung von Beiträgen an Bedingungen knüpft. In die Lücke springen einerseits die Kantone und anderseits die damals neu entstandenen Verbände der Unternehmer und der Arbeiter. [Verbände]
Abbildung 5 An der landwirtschaftlichen Meisterprüfung 1945 wird auch das Wissen über die Zugleistungen der Kühe geprüft, denn sie hatten einen hohen Stellenwert als Arbeitstiere in der Landwirtschaft (Archiv für Agrargeschichte, Bern)
Der Schweizerische Gewebeverband, gegründet 1879, fördert die berufliche Ausbildung durch Studien zu einschlägigen Fragen, durch die Entwicklung von Musterverträgen und die Propagierung der Lehrabschlussprüfung. [1879b] Gewerkschaften und der Schweizerische Gewerkschaftsbund, gegründet 1880, [1858a] versuchen in den Verhandlungen zum Abschluss von Tarifverträgen auf die Berufsbildung einzuwirken, insbesondere bezüglich des Schutzes der Lernenden.
Kantonale Gesetzgebung: Kapitel 04
Beginnend 1890 mit dem Kanton Neuenburg erlassen die meisten Kantone Gesetze zum Schutz der jugendlichen Arbeitnehmer − und damit der Lehrlinge − und nach und nach auch Bestimmungen zur Gestaltung der Berufslehren. Sie regeln Ausbildungsinhalt und -dauer und führen Obligatorien bezüglich des Besuchs des beruflichen Unterrichts während der Arbeitszeit und zur Durchführung der Lehrabschlussprüfungen ein.
Mit der Revision des Obligationenrechts 1912 treten erste Bestimmungen auf Bundesebene in Kraft: Das Obligationenrecht (Teil des Zivilgesetzbuches) enthält seither Bestimmungen