Название | Berufsbildung (E-Book) |
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Автор произведения | Emil Wettstein |
Жанр | Документальная литература |
Серия | |
Издательство | Документальная литература |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783035516760 |
26 Modernisierung – IKT als Herausforderung für die Berufsbildung
27 Betriebslehre versus Lehrwerkstätte in der gewerblich-industriellen Berufsbildung
28 Berufliche Grundbildung als Teil der Sekundarstufe II
29 Tertiärstufe: höhere Berufsbildung
32 Berufsbildung für Migrantinnen und Migranten
33 Berufs-, Studien- und Laufbahnberatung
Blick zurück – Konstanten und Veränderungen
Übersicht über die Entwicklung
Anfänge der Berufsbildung
Seit es Kulturen gibt, stehen die Menschen vor der Frage, wie sie das Wissen und Können, das ihre Kultur ausmacht, an die nächste Generation weitergeben. Sie stehen vor der Frage, wie sie dem Nachwuchs beibringen können, wie man jagt, wie man Nahrung zubereitet und Musik macht, wie man Werkzeuge, Gefässe, Schmuck herstellt, wie man kämpft, heilt, handelt und Götter gnädig stimmt. Nach und nach entwickelten sie diesbezüglich eine gewisse Tradition: Verfahren zur Vermittlung des für das Leben notwendige Wissen und Können waren entdeckt.
Ein erstes Zeugnis von intentionaler Berufsbildung sind Regelungen in einem Gesetzeswerk der Babylonier. [–1700] Im römischen Reich existierten bereits zwei Formen von beruflicher Grundbildung, Berufslehren in Betrieben und schulorganisierte Berufsbildungen in Fachschulen. [66]
Die häufigste Form war – und ist heute noch – die Vermittlung während der Ausführung der jeweiligen Arbeit. Ein kleiner aber nach und nach wachsender Teil erwirbt das nötige Wissen und eventuell auch die erforderlichen Fertigkeiten und Verhaltensweisen in Gruppen von Lernenden, angeleitet durch eine Fachperson.
Im Mittelalter erfolgt intentionales (absichtliches) Lehren und Lernen in unseren Breitengraden in Klöstern, an den Höfen von Adligen, an Universitäten und Akademien sowie in Zusammenschlüssen von Handwerkern und Händlern, den sog. Zünften. [900a; 1100a; 1231a; 1460b]
Zünfte − Blütezeit und Niedergang
Die ersten Zeugnisse, wie die Mitglieder von Zünften ihren Nachwuchs ausbildeten (und unliebsame Konkurrenz verhinderten), stammen aus dem 12. Jahrhundert. Es wird festgelegt, wer ausbilden darf (nur «Meister»), wer als Lehrling in Frage kommt (meist nur ehelich geborene Knaben aus der Stadt), wie lange die Ausbildung bis zum ersten Abschluss dauert (oft drei Jahre), wie der Erfolg der Ausbildung gemessen wird (Lehrstück), wie die Weiterbildung erfolgt (Wanderschaft), wer einen eigenen Betrieb führen darf und vor allem: wer all diese Regeln festlegt. [1350a]
Viele der Regeln dienen nicht nur der Qualifizierung des Nachwuchses, sondern auch der Sicherstellung eines ausreichenden Einkommens durch Vermeidung von Wettbewerb. In vielen Gegenden und Branchen dürfen bestimmte Tätigkeiten nur in Städten und nur von Zunftmitgliedern ausgeübt werden. Alle Mitglieder einer Zunft haben die gleichen Produkte und Dienstleistungen anzubieten und zu den gleichen Preisen zu verrechnen.
Dies geht lange gut (aus Sicht der Zunftmitglieder), doch nach und nach entwickeln sich ausserhalb der Zünfte neue Technologien (etwa die Herstellung von Farben in chemischen Prozessen), neue Materialien werden bekannt (Kartoffeln, Glas, Gussstahl u. a.), neue Formen, Betriebe zu führen (Einsatz der doppelten Buchhaltung), neue Methoden, Güter über grosse Distanzen auszutauschen (z. B. Wagen mit Achsen aus Eisen). [1740a]
Abbildung 1 Eine Spengler-Werkstatt um 1800. Handwerkliche Arbeit erfolgte meist in Hausgemeinschaften, umfassend die Familie des Lehrmeisters, Gesellen und Lehrlinge (Was willst du einmal werden? Bilder aus dem Handwerkerleben. Berlin 1880)
Vor allem aber werden handwerkliche Verfahren immer mehr durch Arbeitsteilung optimiert und die Arbeitenden von Maschinen unterstützt. Die neuen Manufakturen und Fabriken treiben die nach herkömmlichen Methoden arbeitenden Handwerker in den Ruin [1819a]. Im 18. Jahrhundert fällt das Zunftsystem überall in Europa zusammen. [1776a]
In der Schweiz beginnt diese Entwicklung mit der Ablösung der alten Eidgenossenschaft durch die Helvetik 1798. Die Handels- und Gewerbefreiheit wird in Ansätzen mit der ersten Bundesverfassung 1848 und als Grundrecht mit derjenigen von 1874 realisiert. [1848a; 1874a]
Mehr zu den Zünften in Kapitel 01
Konkurrenzfähigkeit durch Qualifizierung der Arbeitenden
Mit der Auflösung der Zünfte verschwindet die Sicherung des Nachwuchses, also die Ausbildung von Handwerkern und Händlern. Neue Transportmittel und die Entstehung grosser Unternehmen, die den Willen und die Kraft haben, neue Märkte zu erschliessen, führen zum Anwachsen des überregionalen, später des internationalen und ab dem Aufkommen von Dampfschiffen (ab 1860) auch des interkontinentalen Handels. Ab 1850 ist Weizen aus den USA billiger zu haben als einheimischer, sodass die Landwirte vom Ackerbau auf Vieh- und Milchwirtschaft umstellen müssen. Die industrielle Herstellung von Bekleidung und anderen Gütern führt zum Niedergang vieler Gewerbebetriebe. [1850c; 1850d]
In den 1880er-Jahren verlangt das Gewerbe vom Bund, mittels Zollschranken Importe abzuwehren um die einheimische Produktion von Gewerbe und Landwirtschaft zu schützen. Damit sind die Industrie und der Grosshandel nicht einverstanden, weil sie um ihre Exportmöglichkeiten fürchten. 1884 einigt man sich darauf, statt Zollschranken zu errichten die Qualifizierung der Arbeitenden zu fördern und so die internationale Konkurrenzfähigkeit des Gewerbes sowie der Land- und Milchwirtschaft zu heben. Mit zwei Bundesbeschlüssen wird die Ausrichtung von Beiträgen an die Kosten von beruflichen Bildungsanstalten in Gewerbe und Landwirtschaft, die berufliche Weiterbildung und die Ausbildung von Lehrkräften für berufliche Schulen ermöglicht. Diese Unterstützung wird durch weitere Bundesbeschlüsse 1891 auf die Ausbildung von jungen Kaufleuten und 1895 auf diejenige «des weiblichen Geschlechts» ausgeweitet.
Vertiefung des Themas in Kapitel 03
Basisausbildung als Voraussetzung für die Berufsbildung
Konkurrenzfähigkeit über berufliche Qualifizierung verbessern – das ist nur möglich, wenn die Qualifizierung auf einem Mindestmass an Kulturtechniken, insbesondere an Lesen, Schreiben und Rechnen, aufbauen kann und damit auf dem Schulbesuch der Kinder. [1750a]