Tatort Oberbayern. Jürgen Ahrens

Читать онлайн.
Название Tatort Oberbayern
Автор произведения Jürgen Ahrens
Жанр Триллеры
Серия
Издательство Триллеры
Год выпуска 0
isbn 9783734994944



Скачать книгу

Stimmung stand sie auf und ging ins Bad – Sicherheitsblick: Das Gelümmel auf der Couch hatte ihre Haare verdrückt, aber: ein routinierter Griff zum Haarspray und alles saß wieder perfekt.

      Mit einem Schokoriegel in der Hand ging sie pfeifend in ihr Arbeitszimmer, öffnete ihren Laptop und begann, eine E-Mail zu schreiben. Schließlich mussten die Zahlungen weitergehen. Es war fest vereinbart. Sie konnte nur hoffen, dass das der anderen Seite klar war.

      München Haidhausen

      Nachdem Svenja am Samstag tatsächlich pünktlich um 2 Uhr mit ihrem Vater Richtung Tierpark entschwunden war, beschloss Katharina, die unerwartete kinderfreie Zeit zu nutzen, um ein bisschen zu arbeiten. Sie setzte sich mit ihrem Laptop auf den Balkon und fand eine Mail von Birgit vor.

      »Hallo, Katharina, Montag fange ich mit den Bergwinterrecherchen an, heute habe ich Klamotten dafür gekauft (drei Ekel-Smileys). Ansonsten bin ich noch mal ins Netz. Aber du kannst ganz ruhig bleiben: Die verschlüsselten Adelhofer-Daten sind weiterhin verschlüsselt. Anbei wie versprochen die interessantesten Fotos, die ich außer den Bergbildern noch gefunden habe. Es ist übrigens nur eine kleine Auswahl …«

      Im Anhang sah Katharina Fotos ohne Ende. Und weibliche Fans ohne Ende: Robert und knackige Blondinen auf Partys, Robert und leicht bekleidete Mädels am Strand, Robert und Dirndl tragende Fans auf dem Hof seiner Eltern, Robert umringt von Verehrerinnen im Fernsehstudio. Es war zwar eine große Ausbeute, half Katharina aber nicht richtig weiter, genau wie Birgit es vorausgesagt hatte. Sie beschloss, den dritten Adelhofer-Artikel für die kommende Woche zu planen.

      Wie schnell das ging, wenn keine Svenja dazwischenquakte, war erstaunlich. Gleichzeitig vermisste sie ihre Tochter und hoffte, dass sie Spaß mit ihrem Papa hatte.

      Nachdem sie sogar noch Zeit für eine entspannte Maniküre gefunden hatte, drehte sich Punkt 19 Uhr der Schlüssel im Schloss und Svenja kam hereingestürmt. »Mama, bin wieder da, es war toll, wir waren bei den Elefanten und den Würgeschlangen, ich durfte eine halten, irre. Die war ganz warm, oder, Papa?« Svenja drehte sich zur offenen Wohnungstür, wo Tobias stand und unsicher lächelte. Der gleiche Sonnyboy wie früher, dachte Katharina, schwarze lockige Haare, Lederjacke, teure Jeans, Sneakers.

      »Mama, darf ich Papa noch mein Zimmer zeigen? Ich hab extra aufgeräumt.« Svenja strahlte ihre Mutter erwartungsvoll an.

      »Klar. Hey, Tobias, komm rein. Willst du noch was trinken?«

      »Danke, ein Espresso wäre super.«

      Und schon nahm Svenja ihren Vater an die Hand und zog ihn ins Kinderzimmer. Katharina hörte nur ihre Tochter reden und ab und zu ein »spitze«, »aha«, »super« von Tobias.

      Sie warf einen kurzen Blick in den Raum und fragte: »Kakao für dich, Svenja?« Ihre Tochter nickte und redete sofort weiter.

      Ein paar Minuten später saßen sie zu dritt am Küchentisch.

      Auf einem Foto würden wir aussehen wie eine normale Familie, dachte Katharina bitter.

      Die Unterhaltung verlief schleppend. Beziehungsweise redete eigentlich nur Svenja. Für Katharina gab es nichts, was sie Tobias erzählen wollte, und vieles, was sie gern fragen würde, war vermintes Terrain.

      Als Tobias verkündete: »Ich geh dann«, fragte Svenja sofort: »Gehst du mit mir in den neuen Disney-Film, Papa? Der läuft nächste Woche an.«

      Tobias Fissler wuschelte sich durch die Haare – wie immer, wenn er unsicher war. Die Dreierkonstellation in der Wohnung, die früher auch seine gewesen war, stresste offensichtlich nicht nur Katharina.

      »Klar. Ich melde mich, sobald ich weiß, wie die nächste Woche aussieht, okay?«

      »Supi, Papili.« Svenja strahlte, fiel Tobias zum Abschied um den Hals und verschwand in ihrem Zimmer.

      »Was ist denn das? Wie kommst du an dieses Foto? Spionierst du mir nach?« Tobias schaute auf Katharinas Laptop, das geöffnet im Gang neben dem Telefon stand. Sie hatte vor Svenjas Rückkehr noch kurz mit einer aufgelösten Birgit telefoniert und sie beruhigt. Es brachte ihre Freundin fast um den Verstand, dass sie nicht an die verschlüsselten Adelhofer-Daten rankam.

      »Äh, dir nachspionieren? Es gibt Spannenderes«, gab Katharina zurück. »Das ist Robert Adelhofer, ich kann nicht sonderlich viel Ähnlichkeit mit dir feststellen.«

      Tobias blitzte sie wütend an. »Du weißt genau, dass es nicht um den Typen geht. Woher kennst du sie, hast du Kontakt mit ihr aufgenommen? Was willst du von ihr?«

      Katharina schaute auf den Bildschirm. Das Foto zeigte Robert Adelhofer im Vordergrund und dahinter Lukas Adelhofer im Gespräch mit einer jungen Frau.

      »Tobias, erklärst du mir bitte, worum es geht? Ich recherchiere über Robert Adelhofer, sonst nichts.«

      Tobias’ Wut verrauchte nicht. »Ich wollte zu dir zurück, vergiss das nicht, du wolltest es nicht. Ich rate dir dringend, hör auf, in meiner Vergangenheit herumzuschnüffeln.« Sprach’s und knallte die Haustür hinter sich zu.

      Während Katharina noch verdattert auf ihren Computer schaute, kam Svenja aus ihrem Zimmer: »Hat sich der Papa geärgert, Mama?«

      In Katharina stieg der altbekannte Zorn auf ihren Ex hoch. Routiniert ließ sie ihn ihre Tochter nicht spüren.

      »Er hat das Foto hier gesehen und jemanden verwechselt. Ich habe es ihm erklärt, alles gut.«

      Svenja zog beruhigt ab.

      Katharina schaute sich das Foto genauer an. Robert Adelhofer – wie auf fast allen Fotos aus Birgits Recherchen – umgeben von vielen, meist jungen Frauen. Er schrieb Autogramme. Hinter ihm Lukas Adelhofer, der sich mit einer Blondine unterhielt. Tobias war offenbar der Meinung, dass ihr Trennungsgrund bei Lukas Adelhofer stand. Optisch passte sie jedenfalls voll ins Klischee des jungen, weiblichen Adelhofer-Fans. Katharina schloss die Datei. Mehr wollte sie im Augenblick nicht wissen. Falls nötig, hätte Birgit schnell herausgefunden, wer die Frau war.

      München Schwabing

      »Hallo, ich bin Andrea Moosbacher, ich hatte am Freitag angerufen und habe um 10 Uhr einen Termin mit Jan Wendelin.«

      Birgit Wachtelmaier stand im Vorzimmer des Geschäftsführers von »Alpenliebe«, einer Eventagentur, die von der normalen Wanderung bis zur Hochzeit in der Steilwand und wochenlangen Extremtouren alles organisierte. Das Geschäft schien gut zu laufen, die Büroräume befanden sich immerhin direkt an der Münchner Freiheit mitten in Schwabing. Die ganze fünfte Etage eines Jugendstilbaus war von »Alpenliebe« belegt. Als Birgit im Internet nach Ansprechpartnern für ihre Bergwinter-Recherche gesucht hatte, war der erste Treffer gleich »Alpenliebe« gewesen. Dafür musste die Agentur ordentlich Geld hingelegt haben.

      »Hallo, schön, dass Sie da sind, ich bin Angelina Michlbichler, Herrn Wendelins Assistentin.« Frau Michlbichler stand auf und kam hinter ihrem Schreibtisch hervor, um Birgit die Hand zu reichen. Sie trug eine zünftige bayerische Trachtenlederhose, dazu eine rot-weiß-karierte Bluse und Haferlschuhe – wahrscheinlich die Berufskleidung bei »Alpenliebe«, dachte Birgit und erwiderte den recht kräftigen Händedruck. Sie selbst sah aus wie ein trauriges Mauerblümchen in ihrem cremefarbenen Faltenrock mit dem braunen Twinset und den flachen dunkelbraunen Ballerinas. Danke, Katharina, dachte sie grimmig.

      »Nehmen Sie noch einen Moment Platz. Herr Wendelin hat gleich Zeit für Sie. Ich sage ihm Bescheid.« Frau Michlbichler verschwand hinter einer Flügeltür, die neben ihrem Schreibtisch vermutlich direkt ins Chefbüro führte. Birgit setzte sich in einen mit Kuhfellimitat bezogenen Ohrensessel und schaute sich um. Frau Michlbichler hatte von ihrem Schreibtisch eine fantastische Aussicht Richtung englischer Garten. Die Wände hingen voller Fotos von »Alpenliebe«-Events: glückliche Bräute, die mit flatterndem Schleier in der Felswand hingen, stolze Kletterer, die Selfies auf tief verschneiten Berggipfeln machten, gedeckte Tafeln mitten im Schnee vor sonnigem Gipfelpanorama – daran sitzend Menschen in