Tatort Oberbayern. Jürgen Ahrens

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Название Tatort Oberbayern
Автор произведения Jürgen Ahrens
Жанр Триллеры
Серия
Издательство Триллеры
Год выпуска 0
isbn 9783734994944



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      »Und ich eine tolle Oma.« Svenja kam mit einer Tüte voller Heilsteine aus ihrem Schlammparadies. Ihre Beine und Arme starrten noch vor nassem Sand, Omas Steine hatte sie alle säuberlich abgespült und eingesammelt.

      »Hier, damit deine Kranken alle gesund werden.« Stolz überreichte sie Susanne den Beutel, die ihn gerührt entgegennahm.

      »Kinder, das ist mir zu viel Harmonie. Svenja, wasch dich, damit Mamas Auto nicht voller Sand wird, und ab mit euch.«

      Nicht ganz so harmonisch verlief die Heimfahrt, Diskussionsthema: Schauen wir heute Abend das Finale von »Germany’s Next Top Model« an? Für Svenja klare Sache, Katharina versuchte noch, andere Köder auszuwerfen wie »DVD-Abend Pippi Langstrumpf« oder »Harry Potter«. Keine Chance.

      »Alle in meiner Klasse dürfen, ich will das auch sehen. Und Mama«, Svenja schaute ernst zu Katharina rüber, die kurz den Blick von der Straße wendete und in die mitfühlenden Augen ihrer Tochter blickte. »Du musst dir echt keine Sorgen machen, dass ich Model werden will. Das ist mir viel zu langweilig. Und ich könnte nicht mehr so viel Kartoffelbrei essen, wie ich will.«

      Katharina grinste ob der Weitsicht ihrer siebenjährigen Tochter. »Svenjalein, na gut, wir schauen das Finale an. Das heißt aber nicht, dass wir bei der nächsten Staffel bei jeder Folge dabei sind. Abgemacht?«

      Svenja seufzte und nuschelte: »Okay.«

      Nach einem kurzen Abstecher zum Supermarkt fand sich Katharina in der Küche wieder und formte Fleischpflanzl, während die Kartoffeln vor sich hin kochten und auf ihre Verwandlung in Brei warteten.

      »Jippieee, der Papa kommt«, hörte sie plötzlich ihre Tochter. Katharina fuhr es in den Magen. Sie schaltete sofort auf »er ist der Vater deiner Tochter«, und fragte freundlich:

      »Ist Tobias auf dem Anrufbeantworter? Wie schön!« Es war schließlich gut, dass er sich um Svenja kümmerte. Nur sie selbst hätte gern so wenig wie möglich mit ihm zu tun.

      »Was will er mit dir machen?«

      »Er holt mich morgen ab, wir gehen in den Tierpark, danach Burger essen und dann bringt er mich heim.«

      »Aha, das heißt, er kommt mittags?«

      »Das sollen wir mit ihm ausmachen, ich soll ihn anrufen.« Svenja strahlte und Katharina gelang es, sich mit ihr zu freuen. Auf keinen Fall beabsichtigte sie, ihr das Treffen mit ihrem Papa zu vermiesen. Sie hatte zwar Pläne für das Wochenende gehabt, aber immerhin wollte sich Tobias mit ihr abstimmen.

      Dass ihre Beziehung wegen irgendeiner Tussi auseinandergegangen war, tat immer noch weh. Sie lebte mit Svenja ein glückliches Leben, aber die Erinnerung an damals kehrte regelmäßig zurück – meistens, wenn Tobias sich meldete. Seine jämmerliche Vorführung damals, als sie ihn gefragt hatte, für wen das schick verpackte Parfum in seinem Rucksack war. Sie hatte es gefunden, als sie das Fernsehprogramm herausholen wollte.

      »Es ist nicht, wie du denkst«, war noch einer der harmloseren Sprüche gewesen. Dass er sich von der Schwangerschaft überfordert fühle – nachdem sie beide sich seit zwei Jahren ein Kind gewünscht hatten –, war schon härter. Dann kam noch: »Du hast doch nie Zeit für mich gehabt, ich finde, dass du auf 50 Prozent hättest reduzieren können. Mein Geld hätte für uns beide gereicht. Du hast mich quasi in die Arme einer anderen getrieben.« Da war es vorbei. Sie hatte ihn angeschrien, er solle gehen und nie wiederkommen. Als er sie überrascht angeschaut hatte und sitzen geblieben war, hatte sie ihm ein paar Sachen in eine Reisetasche gepackt und selbige mitsamt ihm vor die Tür gesetzt. Am nächsten Tag hatte sie das Schloss ihrer Wohnungstür ausgetauscht und vor Svenjas Geburt mit Tobias nur noch einmal gesprochen: als er kam, um seine restlichen Sachen abzuholen. Er hatte einen Versuch zur Versöhnung unternommen, wohl vor allem deshalb, weil seine neue Flamme ihn bereits verlassen hatte. Katharina hatte sich sein Gejammer äußerlich ungerührt angehört und ihn gebeten, zu packen und zu gehen. Anschließend hatte sie zwei Stunden lang Rotz und Wasser geheult. Getröstet hatte sie ein Telefonat mit ihrer Mutter, die ihr erklärte, was für eine starke Frau sie sei und wie großartig sie es finde, dass sie Tobias gegenüber hart geblieben war.

      Als Svenja schließlich auf der Welt war, schickte Katharina Tobias eine Karte. Ein paar Tage nach der Geburt kam er mit einer Rassel und einem Blumenstrauß, hielt Svenja ein paar Minuten auf dem Arm, versprach, sich regelmäßig zu melden und natürlich seinen finanziellen Anteil zu leisten, und ging. Als sie ihm sachlich mitteilte, dass sie das alleinige Sorgerecht für Svenja beantragen würde, stimmte er etwas hilflos zu. Ob ihm das irgendwann leidgetan hatte, wusste Katharina nicht. Sie sprachen so gut wie nie miteinander, alle Entscheidungen, was Svenja betraf, traf sie allein. Rat holte sich Katharina bei ihrer Mutter, Birgit oder Oliver. Tobias zahlte aber genug für Svenja, meldete sich regelmäßig und machte seine Sache als Papa gut. Seine Eltern waren ebenso wie ihre Mutter liebevolle Großeltern. Anni und Bernhard Fissler trafen Svenja oft. Katharina hielt sich im Hintergrund, immerhin waren sie trotz allem die Eltern des Mannes, der sie so verletzt hatte. Dass sie Svenja ins Herz geschlossen hatten und sich um sie kümmerten, das rechnete sie ihnen dennoch hoch an.

      »Mama?«

      »Äh, Svenja, Entschuldigung, was hast du gesagt?«

      »Ich will die Kartoffeln zermatschen, nach dem Essen telefonieren wir mit Papa und dann kommt Heidi Klum.«

      »Ich sehe, du hast alles im Griff.«

      Katharina schüttete die gekochten Kartoffeln in eine Schüssel und gab Svenja den Stampfer. Die stieg routiniert auf ihren Hocker und verarbeitete die Kartoffeln zu Brei.

      Eine Stunde später – Svenja hatte drei Fleischpflanzl mit reichlich Kartoffelbrei und Rotkraut verdrückt – war die Küche gemacht, Chips und Limo standen vor dem Fernseher bereit und in einer halben Stunde würde Heidi Klum anfangen, über das Leben, die Figur und das Wesen junger Mädchen zu richten. Vorher gab es noch den Programmpunkt »Papa«. Katharina wählte Tobias’ Nummer und gab das Telefon direkt an Svenja weiter.

      »Nein, hier ist nicht Katharina, ich bin’s, Svenja.« Die Kleine strahlte und hörte aufmerksam zu, was ihr Vater ihr zu sagen hatte. »Echt? Für Margarine? Iiih, Margarine mag ich nicht. Mama hat gesagt, du sollst um zwei kommen. Super, ich freu mich, in Hellabrunn gibt’s neue Elefantenbabys. Schauen wir die an? Und danach will ich einen doppelten Cheeseburger. Okay, klar, das verstehe ich. Bis morgen, Papa.«

      »Klappt«, informierte Svenja ihre Mutter. »Er denkt sich gerade eine Werbung für Margarine aus, iiih.«

      »Das muss es auch geben, Svenjalein«, sagte Katharina und erinnerte sich, wie sie früher abends im Bett gemeinsam mit Tobias Werbespots überlegt hatte – für Schokoladencreme, Glasreiniger, Handcreme – was gerade anfiel. Bei dem Auftrag für Kondomwerbung hatte sie ihn damals davon überzeugt, der richtige Spruch würde ihm gleich einfallen, sie müssten das Produkt nur testen. Falsche Gedanken, Katharinchen, sagte sie zu sich selbst und setzte sich mit einem Glas Rotwein zu Svenja aufs Sofa.

      Freitagabend und kein Date – Jana lag unzufrieden auf ihrer Couch. Missmutig ermahnte sie sich selbst zur Geduld. Es war klar gewesen, dass es nicht so schnell gehen würde. Thomas war am Vorabend Punkt 19 Uhr gekommen. Sie hatte ihm Bier angeboten und selbst Sekt getrunken. Wie sie es geplant hatte, waren sie sich nähergekommen, als sie ihm über sein Smartphone gebeugt die Funktionen erklärte. Anfangs hatten sie sich kichernd entschuldigt, wenn sich ihre Hände, Schultern und Oberschenkel für einen Moment berührten. Nach dem dritten Bier hatte Thomas die Hand nicht weggenommen, als sie aneinanderstießen. Sie hatte ihn vermeintlich überrascht angeschaut und dann hatte er sie geküsst – ein langer, leidenschaftlicher Zungenkuss. Danach lief es, wie sie es kannte und vorausgesehen hatte. Er hatte ihr gesagt, wie schön es gewesen sei, dass er aber verheiratet sei, Kinder habe und sich solch ein Vorfall nicht wiederholen dürfe. Sie solle sich keine falschen Hoffnungen machen. Und Abgang. Was er nicht wusste: Jana hatte ihm mit einer Flirt-Mail eine kleine Schadsoftware geschickt.

      Damit war garantiert, dass das gestrige Treffen nicht das letzte