Echte Golfer fahren links. Kurt W. Zimmermann

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Название Echte Golfer fahren links
Автор произведения Kurt W. Zimmermann
Жанр Сделай Сам
Серия
Издательство Сделай Сам
Год выпуска 0
isbn 9783767910867



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      Interessant daran ist, dass die Wahrscheinlichkeitsform meist nur dann zur Anwendung kommt, wenn etwas schief geht.

      Wenn etwas klappt, dann war keine Wahrscheinlichkeit im Spiel. Wenn der Golfer den Ball an einen Baum haut, er vom Baum an einen Felsen springt und von dort direkt an die Fahne rollt, dann sagt kein Golfer konjunktiv: „Wäre der Ball nicht an Baum und Felsen geprallt, dann würde er weniger gut liegen.“ Nein, dann sagt der Golfer indikativ: „Den habe ich aber sehr kreativ gespielt.“

      Es ist nicht verwunderlich, dass der Konjunktiv im Golf so verbreitet ist. Golf ist der Sport der unbeschränkten Möglichkeiten. In keiner anderen Sportart kann so viel Unerwartetes geschehen. Denn kein anderer Sportplatz ist so vielfältig gestaltet. Es gibt Bäche, Bäume, Sand, Blumen, Teiche, Gebüsch, Gras, Höhen, Täler, Wälder und Seen. Alles ist hier möglich, und auch das Gegenteil davon.

      In anderen Sportarten ist im Vergleich gar nichts möglich. Der Tennisball kann höchstens ins Netz fliegen. Der Fußball kann höchstens ins Aus fliegen. Das war es dann schon.

      Golfer wissen, dass alles möglich ist. Sie wissen, dass das Unerwartete jederzeit eintreten kann, im guten wie im schlechten Sinne. Darum ist der Konjunktiv, der Irrealis, die bevorzugte Sprachform des Golfers: „Würde ich nicht Überraschungen lieben, wäre ich kein Golfer geworden.“

      Die Frage ist geklärt: Golf ist definitiv besser als Sex. Die Klärung verdanken wir Tiger Woods.

      Eines der ältesten Vorurteile von Nichtgolfern gegenüber Golfern betrifft deren erektile Dysfunktion: „Haben Sie noch Sex oder spielen Sie schon Golf?“

      Wir Golfer können Tiger Woods also durchaus dankbar sein. Zumindest mit diesem Vorurteil hat er radikal aufgeräumt.

      Zum Fall Woods, der über Weihnachten 2009 hochkochte, gibt es zwei Anmerkungen, eine allgemeine und eine golferische. Allgemein gilt, dass die Sünden eines Heiligen stets spektakulärer sind als die Sünden eines Sünders. Seine PR-Abteilung hatte Woods gezielt und penetrant zu einem Heiligen aufgebaut, als Mr. Unfehlbar. Das erst schuf sein Problem.

      Das golferische Problem war es eher, als wir feststellen mussten, dass der weltbeste Golfer kein echter Golfer war. Echte Golfer schwindeln nicht, egal, ob beim Zählen oder beim Einlochen. Echte Golfer schwindeln nicht über ihr Score, bis sie eines Tages doch beim falschen Zählen erwischt werden. Sein Score außerhalb des Platzes war mindestens 14, dennoch beharrte er lange und öffentlich auf einem Hole-in-One.

      Tiger Woods ist unter uns Golfern eine Ausnahme. Zu Hause sagte er jeweils, er gehe noch kurz auf den Golfplatz. Stattdessen ging er heimlich zu einer Geliebten. Der normale Alltagsgolfer hingegen sagt zu Hause, er gehe noch kurz zu einer Geliebten. Stattdessen geht er heimlich auf den Golfplatz.

      Haben Sie noch Sex oder spielen Sie schon Golf? Wir wollen gar nicht bestreiten, dass manche unter uns Alltagsgolfern das Einlochen auf dem Green tatsächlich dem Einlochen in anderer Umgebung vorziehen. Es gibt gute Gründe dafür. Ich nenne Ihnen und Tiger Woods darum gern die zehn Argumente, weshalb Golf besser ist als Sex.

      1 10. In den zehn Geboten steht nichts über Golf.

      1 9. Flotte Dreier und Vierer sind im Golf das Übliche.

      1 8. Wenn man golferische Nöte hat, ist es unbedenklich, professionelle Dienste in Anspruch zu nehmen.

      1 7. Man muss nicht in einen schmuddligen Shop gehen, um Golf-Zubehör zu kaufen.

      1 6. Wenn der Putter langsam alt und rostig wird, kann man ihn ersetzen.

      1 5. Man muss keine Angst haben, dass private Golf-Videos im Internet auftauchen.

      1 4. Man kann beim Golfen mittendrin unterbrechen und ein paar Biere trinken.

      1 3. Es gibt keine golferisch übertragbaren Krankheiten.

      1 2. Man braucht die Golf-Zeitschriften nicht vor den Kindern zu verstecken.

      1 1. Der Golfpartner wird nie sagen: „Was, Du willst schon wieder? Ist das alles, woran Du denken kannst?“

      Golfer und Cowboys nehmen den Hut nur ab, wenn sie gerade von Indianern skalpiert werden.

      Wenn man alte Golfbilder betrachtet, etwa vom British Open, dann fallen zuerst die Zuschauer auf. Alle Zuschauer tragen Hüte. Die Männer tragen Bowlers, Fedoras, Gatsbys und Borsalinos. Die Frauen tragen Cloches, Berets und Swingers.

      Die Spieler und Spielerinnen auf den alten Bildern tragen alle ebenfalls Hüte, meistens dieselben Modelle wie das Publikum.

      Das hat sich im Prinzip bis heute gehalten. Golfer tragen Hüte. Sie tragen Hüte nicht nur, weil die Sonne brennt oder weil Regen fällt. Sie tragen den Hut auch dann, wenn es keinen Grund gibt, einen Hut zu tragen. Meistens tragen sie heute eine Art Baseballmütze.

      Ich bevorzuge statt der Mützen richtige Hüte, Modelle mit schmalen Krempen, in Filz oder in Stroh, obschon, zugegeben, das mitunter etwas geckenhaft wirkt.

      Hüte waren und sind stets ein Zeichen für die Zugehörigkeit zu einer sozialen Gruppe. Das gilt von Schiebermützen bis zu Zylindern. Al Capone erschoss nie einen Polizisten ohne seinen Hut auf dem Kopf. Che Guevara erschoss nie einen Kapitalisten ohne seine Baskenmütze auf dem Kopf.

      Das gilt nicht nur beim Schießen, das gilt auch beim Vergnügen. Die übelste Sünde bei den Pferderennen von Royal Ascot ist es, den Seiden-Zylinder oder den Blumen-Swinger auch nur kurz abzunehmen. Sofort schreitet ein behuteter Ordner ein, brüllt „Your hat, Sir!“ oder „Your hat, Mylady!“ und sorgt dafür, dass das soziale Gefüge nicht durchbrochen wird.

      Auch Piloten von Linienmaschinen tragen immer Hüte, obschon dies zur Ausübung des Berufs keinen Sinn macht. Cowboys tragen immer Hüte und haben nur in absoluten Notfällen keinen Stetson auf, beispielsweise dann, wenn sie gerade von gefiederten Indianern skalpiert werden.

      Es gibt nur zwei bekannte Sportarten auf der Welt, die prinzipiell im Hut ausgeführt werden. Neben Golf ist das ist Baseball.

      Golf und Baseball haben gemeinsam, dass man meistens nur herumsteht. Bei Golf ist das besonders augenfällig. Für eine Golfrunde braucht man vier Stunden. Die eigentliche physische Aktion – die Schläge und die Putts – dauern drei Minuten. Es dauert vielleicht ein bisschen länger, wenn man die Konzentrationsphase davor auch mitberechnet. Aber eine Konzentrationsphase brauchen sowieso nur ehrgeizige Golfer.

      Die restlichen 3 Stunden 57 Minuten steht man herum oder spaziert durch die Gegend. Selbst bei Spielern, die unsinnigerweise dauernd Probeschläge machen, dauert die echte körperliche Bewegung auf einer Runde nicht mehr als sechs Minuten.

      Wenn man herumsteht oder herumspaziert, kann man beim Sport natürlich gut einen Hut aufsetzen.

      Bei Sportarten, bei denen man richtigen Sport treibt, ist das nicht ideal. Beim Rückenschwimmen zum Beispiel sind Hüte nicht zu empfehlen. Auch beim Kunstturnen und beim Boxen ist ein Borsalino auf dem Kopf eher suboptimal.

      Weil immer mehr Proletarier Golf spielen, braucht es auch immer mehr weiße Mäuse.

      1868 nahm an der Ecke George Street/Bridge Street der erste Verkehrspolizist Londons seine Arbeit auf. Er war der erste in der Geschichte der famosen „Bobbies“. 1902 begann der erste Verkehrspolizist Berlins seinen Job, an der Kreuzung Unter den Linden/Friedrichstraße. Er war der erste in der Geschichte der berühmten „Weißen Mäuse“.

      Und was hat das mit Golf zu tun?

      Nun, die Polizisten wurden nötig durch die starke Zunahme von Autos, Droschken und Fahrrädern. Das gemeine Volk wurde mobil und ging nicht mehr zu Fuß. Die Polizisten wurden also nötig, weil