Название | Danke Lena |
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Автор произведения | Patrick Reichelt |
Жанр | Изобразительное искусство, фотография |
Серия | |
Издательство | Изобразительное искусство, фотография |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783767911420 |
Humorvoll, verschmitzt, auch das, sagt Angelika Dahner, sei die Magdalena als Schülerin gewesen. »Ein Mensch, der auch sehr stark und deutlich nonverbal durch die Augen sprechen kann«, sagt sie, und dann meint die Schulleiterin noch: »Die Schönheit ihrer Seele ist auch in ihren Augen zu erkennen.« Manches, was Angelika Dahner sagt, klingt schon fast zu perfekt und zu makellos, wenn sie etwa davon spricht, wie sie die Magdalena bei einem Schulkonzert an der Harfe habe sitzen sehen, »einem Engel gleich« und wie sie, Dahner, »dahingeschmolzen« sei.
Nach 2003, als sie die Schule dann verließ, kam Magdalena noch manchmal zurück. Ja, natürlich ging es auch immer mehr um die Erfolge, aber genau deswegen wollte Lena Neuner auch immer weniger darüber sprechen, sie wollte einfach sie selbst sein, mehr die alte Schülerin als die erfolgreiche Sportlerin. Und wenn sie sich dann bei Schulfesten an den Tisch mit den alten Lehrern setzte, dann ging es um die alten Zeiten und um Anekdoten und das Ja-wissen-Sie-noch. Neuner siezte ihre Lehrer natürlich nach wie vor. Genauso natürlich war es für sie, dass sie umgekehrt weiterhin geduzt werden wollte.
Nach dem Dreifach-WM-Gold von Antholz schrieb sie Ihrer Rektorin einmal ein Autogramm mit Widmung. »Für meine Frau Dahner« steht darauf, das hat natürlich einen Ehrenplatz im Irmengard-Direktorat, ein ewiges Andenken an einen vorbildlichen Menschen. »An einen in sich ruhenden Menschen«, sagt Frau Dahner, »an einen mittigen Menschen.«
Ein Mensch, der sich schon immer darüber im Klaren war, was er will, und auch was er nicht will. Und wenn sie etwas nicht wollte, dann gab sie das auch immer deutlich zu verstehen. Wie damals. Beim Wallgauer Ortsprospekt.
»Langlaufen und Schießen irgendwie« – Lenas Anfänge im Biathlon
Schuld an allem war ja im Grunde genommen Anneliese Holzer. Ohne sie hätte Magdalena Neuner vielleicht eine Profi-Karriere im Tennis angestrebt, das hatte sie in jungen Jahren schließlich auch gespielt. Oder sie wäre zum FC Bayern gegangen, dann natürlich nicht wegen des Lockrufs von Uli Hoeneß, der sie nach ihren Olympiasiegen von Vancouver in die Marketing-Abteilung des Vereins holen wollte. Sondern deswegen, weil sie auch einmal den Traum hatte, ein Star im Frauenfußball zu werden, wie sie später einmal sagte.
Oder sie hätte vielleicht doch eine Veterinärspraxis eröffnet. Albert Neuner, ihr Cousin, weiß nämlich noch, dass sie ganz früh als Kind einmal sagte, sie wolle Tierärztin werden. Aber dann wurde sie doch ein Weltstar im Biathlon. Dank Anneliese Holzer.
Anneliese Holzer kommt aus Krün, im Süden von Wallgau, von ihrer Terrasse aus sieht man gut hinüber in Magdalena Neuners Heimatort. Anneliese Holzer war selbst einmal Biathletin, Anfang der Neunziger Jahre. Sie war sogar richtig gut, sie lief zusammen mit Uschi Disl und Martina Zellner, 1993 etwa wurde sie mit der Staffel »Bayern 1« Zweite bei den Deutschen Meisterschaften. So ganz nach oben in die Weltspitze reichte es aber dann doch nie, Lillehammer, Nagano, die Olympischen Spiele blieben ein ferner und unerfüllter Traum, und während Disl die große Karriere machte, ergriff Anneliese Holzer einen anderen Beruf, einen für Frauen eher ausgefallenen, sie wurde Croupier in der Spielbank Garmisch-Partenkirchen.
Aktiv im Biathlon aber ging nichts mehr. Rien ne va plus.
1996 kam dann eine Anfrage vom Skigau Werdenfels. Im Skigau sind insgesamt 58 Vereine aus der Region zusammengeschlossen, im Westen bis weit über Garmisch-Partenkirchen hinaus, bis hinüber nach Bad Kohlgrub, Bad Bayersoien, Peißenberg. Viele dieser Vereine haben vor allem Wintersport-Abteilungen, Alpin und Langlauf. Biathlon gab es nirgendwo, Biathlon schien aber eine große Zukunft zu haben, der Sport wurde immer beliebter in der Öffentlichkeit. Im Februar des Jahres hatte es in Ruhpolding die WM gegeben, eine gemeinsame WM von Männern und Frauen zusammen, das gab es auch erst seit 1989.
Der Urknall in Ruhpolding
Im Februar 1987 etwa, als Magdalena Neuner gerade auf der Welt war, mussten die Frauen noch getrennt von den Männern ihre eigenen Titelkämpfe austragen, unter Ausschluss der Öffentlichkeit in Lahti. Die Siegerinnen hießen damals Grönlid, Björkbom, Elvebakk. Namen, die keiner kannte in Deutschland.
Neun Jahre später war das schon anders, die WM in Ruhpolding war der eigentliche Auftakt, der Urknall zu der großen Erfolgsgeschichte der Sportart Biathlon. 90.000 Zuschauer strömten in die neue Chiemgau-Arena, erstmals schrieben die Zeitungen von einem »Biathlon-Boom«, die Sportler sorgten für Schlagzeilen. Das Staffel-Gold der Frauen am Tag nach Magdalena Neuners neuntem Geburtstag, der überlegene Sieg des DSV-Quartetts um Uschi Disl, Simone Greiner-Petter-Memm, die Frau mit dem Dreifach-Namen, um Katrin Apel und Petra Behle mit 2:45 Minuten Vorsprung auf Frankreich, das war noch eine Initialzündung mehr für die Biathlon-Euphorie im Land. Man wollte mehr wissen über die Menschen hinter den Sportlern, im Fernsehen kamen vor allem über Uschi Disl viele Porträts, sie wurde als »lustiger Mensch« bezeichnet und es wurde erzählt, dass sie das Schießen in einem Steinbruch gelernt habe, kurz, es gab Berichte über Disl, wie es bei ihr früher war.
Wie es künftig werden würde, das war den Menschen im Deutschen Skiverband klar und auch im Skigau Werdenfels. Biathlon, das stand fest, hatte eine große Zukunft. Und genau darum trat der Skigau-Vorstand an Anneliese Holzer heran. Mit der Bitte, eine Biathlon-Trainingsgruppe ins Leben zu rufen, mit den besten Talenten aus der gesamten Region, von der Isar bis kurz vor den Lech.
Anneliese Holzer sagt, sie habe diese Idee auch sehr gut gefunden. »Ich hatte aber nur ein Problem«, meint sie, »ich habe mich nämlich gefragt, woher ich die Kinder nehmen soll. Und darum habe ich mir gedacht, jetzt klapperst du halt erst einmal die gesamte Verwandtschaft ab.« Und zur Verwandtschaft gehörte eben auch ein neunjähriges Mädchen aus Wallgau, dem Nachbarort. Die kleine Magdalena, die Tochter von Holzers Cousin Paul Neuner.
Sportlich war die Magdalena ja schon immer. Mit vier Jahren stand sie das erste Mal auf Alpin-Skiern, sie war dabei beim SC Wallgau, und Eva Möslein, die später den ersten Magdalena-Neuner-Fanclub mitbegründen sollte, erinnert sich an ein Alpin-Rennen der jungen Lena. Die Familie schaute damals zu, auch Dora, die Oma war dabei, und die Großmutter meinte dann in Sorge um die Gesundheit ihrer Enkelin: »Lena, musst Du denn wirklich so schnell fahren? Magst nicht ein bissl langsamer machen?« Worauf die Magdalena meinte: »Aber Oma, das ist doch ein Rennen.« Und da wollte sie ja immer ganz vorne dabei sein.
»Als hätte sie nie was anderes gemacht«
Neben Alpin-Ski und Tennis begann sie dann auch mit dem Langlauf. Mama Margit war nämlich eine begeisterte Langläuferin, und weil Anneliese Holzer wusste, dass die Magdalena eben gerne in der Loipe unterwegs ist, hörte sie nach, ob sie nicht auch mal Biathlon ausprobieren wolle, Langlaufen nur mit ein paar Mal Schießen zwischendrin.
Sie wollte, und wie. »Der Lena«, sagt Holzer, »hat es von Anfang an gut gefallen. Brutal gut.«
Das meinte auch Magdalena Neuner später, als sie sich an die Anfänge zurückerinnerte und gestand, dass ihr die Sportart noch eher fremd war, sie die WM in Ruhpolding gar nicht verfolgt hatte. »Damals konnte ich mir unter Biathlon noch gar nicht richtig was vorstellen«, sagte sie. »Ich wusste, Langlaufen mit Schießen irgendwie, aber wie das jetzt funktionieren sollte, da hatte ich keine Ahnung.« Aber sie habe doch schnell Gefallen gefunden: »Und dann hab ich das Gewehr in die Hand bekommen und habe die ersten Klappscheiben umgeschossen und das war toll. Und es ist auch heute noch so, dass es toll ist, wenn sie umfallen.«
So ging es dann los, im Sommer 1996. Zweimal die Woche gab es am Nachmittag ein Training, ein kleiner Rundkurs auf Rollskiern auf einer asphaltierten Strecke, aber natürlich ohne Waffen am Rücken. Die Gewehre waren am Schießstand, und