Leroy. Dino Reisner

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Название Leroy
Автор произведения Dino Reisner
Жанр Сделай Сам
Серия
Издательство Сделай Сам
Год выпуска 0
isbn 9783767920897



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      Nach zwei Jahren trennten sich die Wege von Sané und dem Club. Sechs Tore erzielte er in seiner ersten Saison, ebenfalls sechs waren es in der zweiten. Trainer Hermann Gerland und seinen Teamkollegen trieb er jedoch mit seiner mangelhaften Chancenverwertung so manches Mal die Sorgenfalten auf die Stirn. Im Frühjahr 1990 plante der neue Club-Sportdirektor Arie Haan nicht mehr mit dem Senegalesen.

      Nach einem kurzen Flirt mit Fenerbahce Istanbul – die Vorstände Aziz Yilmaz und Yusuf Duru weilten zu Verhandlungen in Nürnberg – wechselte Sané gemeinsam mit Verteidiger Stefan Kuhn für eine Ablöse von 950.000 D-Mark zur SG Wattenscheid. Beim Bundesliga-Aufsteiger sollte er den nach Köln abgewanderten Torjäger Maurice Banach ersetzen – und er ließ diesen rasch in Vergessenheit geraten. Die vier Jahre im Lohrheidestadion wurden zur erfolgreichsten Zeit seiner Karriere.

       »Ich habe den Namen meines Vaters öfter auf Youtube eingegeben, mir seine Tore angeschaut. Ich bin stolz auf meinen Vater und seine Karriere. Er ist ein Vorbild für mich, auch als Fußballer.«

       Leroy Sané über seinen Vater Souleyman

      Sané genoss das Vertrauen von Trainer Hannes Bongartz, mit seinen Sturmkollegen Uwe Tschiskale, Ali Ibrahim und später Marek Lesniak sorgte er dafür, dass sich die »graue Maus« in der Bundesliga etablierte. Im westlichen Bochumer Stadtteil lernte er auch seine spätere Frau Regina Weber kennen, eine ehemals äußerst erfolgreiche Sportgymnastin, die in den 1980er Jahren mehrmals Deutsche Meisterin wurde und 1984 in Los Angeles die bis heute einzige olympische Medaille (Bronze) in dieser Sportart für Deutschland holte. In Wattenscheid wurde er auch nach seiner aktiven Karriere sesshaft. »Hier ist meine Familie, hier zahle ich meine Steuern, hier fühle ich mich wohl«, gab er in der Westdeutschen Allgemeinen Zeitung zu Protokoll. Zu den Höhepunkte in seinen vier Bundesliga-Jahren im SG-Dress zählten sein Dreierpack 1990 zum 3:1-Sieg beim Karlsruher SC, der 3:2-Erfolg 1991 gegen Bayern München vor 35.000 Zuschauern im Bochumer Ruhrstadion, bei dem er in der 89. Spielminute den Siegtreffer durch Thorsten Fink vorbereitete. Und sein Doppelpack zum 2:0-Sieg 1992 im Bochumer Stadtduell gegen den VfL. In 117 Bundesliga-Spielen für die SG gelangen ihm 39 Tore – so viele wie keinem anderen in der Wattenscheider Bundesliga-Historie. Später wurde er von den Fans zum Jahrhundertspieler des Vereins gewählt.

      Nach dem Bundesliga-Abstieg 1994 suchte Sané eine neue sportliche Herausforderung. »In Wattenscheid wollte ich nicht bleiben, weil ich keine Lust habe, in der Zweiten Liga zu spielen. Das kann ich noch, wenn ich 40 bin«, sagte er. Ein Wechsel zu Schalke 04, wo Trainer Jörg Berger seinen ehemaligen Schützling aus gemeinsamen Freiburger Tagen gerne gesehen hätte, scheiterte am Geld. »Wattenscheid forderte eine Million Ablöse für mich, ein bisschen viel für einen 33-Jährigen«, so Sané. Stattdessen verschlug es ihn nach Österreich. In Innsbruck hatte gerade Finanzmakler Klaus Mair das Präsidentenamt beim FC Wacker angetreten. Mit Stars wie Österreichs Fußball-Idol Hans Krankl als neuem Trainer, den ehemaligen Bayern-München-Profis Manfred Schwabl (vom 1. FC Nürnberg) und Harald Cerny (vom FC Admira/Wacker Mödling), Nationalspieler Peter Stöger (vom FK Austria Wien) und eben Sané wollte er den Traditionsverein, der ab sofort unter der Bezeichnung FC Tirol firmierte, zurück zu alten Erfolgen führen. »Doch das Tiroler Dream-Team glänzte nur wenige Wochen. Dann wurde das Finanzgenie Mair als Betrüger entlarvt und in Untersuchungshaft gesteckt«, berichtete der Kicker. Im Etat klaffte auf einmal ein Millionenloch, Spielmacher Schwabl suchte sofort das Weite und wechselte zum TSV 1860 München. Die Verwaltungen der Stadt Innsbruck und des Bundeslandes Tirol sprangen als Retter ein, das Krankl-Team schloss die Saison 1994/95 als Fünfter ab, Souleyman Sané holte sich mit 20 Treffern die Torjägerkanone. In Innsbruck wurde sein erster Sohn Kim geboren.

       »Die Älteren erkennen mich noch auf der Straße und schwärmen von den alten Zeiten.«

       Souleyman Sané über seine Heimat Wattenscheid

      Eineinhalb Jahre spielte er in Tirol. Während der Winterpause 1995/96 peilte er eine Rückkehr zur SG Wattenscheid an – sein zweiter Sohn Leroy hatte inzwischen in Essen das Licht der Welt erblickt. Der Transfer scheiterte jedoch an der Ablöseforderung von 150.000 D-Mark. Stattdessen unterschrieb Sané beim FC Lausanne-Sport der Schweiz. 44 Spiele absolvierte er für den Erstligisten aus der Romandie, in denen ihm 18 Tore gelangen. Erst im Oktober 1997 klappte es mit der Heimkehr nach Wattenscheid. Beim seinem Comeback, einem 4:2 gegen Fortuna Köln, erzielte der inzwischen 36-Jährige einen Treffer selbst und holte den Freistoß heraus, der zum 1:0 führte. Den Sieg widmete er hinterher seinen Söhnen Kim und Leroy. In 45 Zweitliga-Spielen trug er bis zum Abstieg 1999 noch das schwarz-weiße Trikot (neun Tore). Danach ließ er seine Profikarriere jeweils eine halbe Saison beim Linzer ASK in Österreich und beim FC Schaffhausen in der Schweiz ausklingen. Im Anschluss trat er noch als Freizeitfußballer für mehrere unterklassige Vereine gegen den Ball und versuchte sich im Trainerbereich, unter anderem betreute er die Nationalmannschaft Sansibars.

      2011 stieg Souleyman Sané als Scout in die Sportmanagementagentur T21+ der ehemaligen Bundesliga-Profis Jürgen Milewski und Jens Jeremies ein, die lange Zeit auch die Interessen seines Sohnes Leroy vertrat. Noch heute steht er diesem als wichtiger Karriere-Ratgeber zur Seite. Überliefert sind unter anderem diese klugen Sätze: »Nur weil er Fußballprofi ist, braucht er nicht zu denken, er sei intelligenter als ein Koch oder Straßenfeger. Das ist ein Beruf – mehr nicht.« Leroy Sané beschrieb das Vater-Sohn-Verhältnis im Ratgeber Dein Weg zum Fußballprofi wie folgt: »Mein Vater Souleyman macht mir, obwohl er selbst Profifußballer war, überhaupt keinen Druck, dass ich etwas Bestimmtes schaffen muss. Im Gegenteil, er hilft mir, wenn ich Fragen habe. Manchmal kritisiert er mich, was auch gut ist. Wir haben einen sehr guten Draht zueinander.« So weit zur sportlichen Vita von Souleyman Sané.

      Neben dem Fußballer gab es auch den jungen Menschen, der sich zurechtfinden musste im rauen Deutschland der 1980er Jahre. »Es gab seinerzeit sehr wenige Schwarze in Deutschland. In manchen Dörfern kannten die Bewohner dunkelhäutige Menschen nur aus dem Fernsehen – sie hatten Afrikaner noch nie zuvor in Natura gesehen«, erzählte Souleyman Sané viele Jahre später im Magazin 11 Freunde. Manch einer hätte sich bei seinem Anblick sogar regelrecht gefürchtet. »Für diese Leute war das ein richtiger Schock, als sie das erste Mal einen Afrikaner an der Ampel sahen.«

      Daheim in Frankreich war dies anders, in der einstigen Kolonialmacht gehören Migranten aus Nord-, West- und Zentralafrika seit jeher zum Alltag – und zum Fußball. »Da war es vollkommen normal, dass Menschen unterschiedlicher Herkunft, Hautfarbe und Kultur zusammenspielen«, berichtete Sané. In Deutschland war er hingegen einer der ersten dunkelhäutigen Spieler überhaupt. Rassismus schlug ihm im Alltag, von den Zuschauerrängen und von den Gegenspielern entgegen. Negative Erfahrungen machte Sané bereits auf den schwäbischen Dorfplätzen, über die er mit dem FV Donaueschingen tingelte. »Ich sprach zu der Zeit ja überhaupt kein Deutsch, konnte mich also nicht gegen die rassistischen Beleidigungen der Zuschauer wehren. Meine Mannschaftskollegen sagten stets: Hör nicht auf diese Leute! Die wissen, dass du gut bist und wollen dich deshalb verunsichern. Mach dein Spiel, und wenn wir gewinnen, dann hast du gewonnen!«, erinnerte er sich zurück. Im Kicker berichtete er auch über alltägliche Episoden: Wenn er mit seinem BMW Cabrio an einer Ampel stehe, dann »glotzen mich die anderen Autofahrer schon mal ganz verstört an. Die fragen sich wohl, wie ein Asylant zu so einem Auto kommt.« Eine andere Geschichte erlebte er mit der Tochter eines Mannschaftskameraden. »Sie wollte mir auf keinen Fall die Hand geben, sie hatte Angst, dass ich abfärbe.«

      Nicht besser wurde es später auf der großen Bühne Bundesliga. Schon der Empfang in Nürnberg verlief im Sommer 1988 alles andere als wohlwollend. Noch bevor er sein erstes Spiel im Trikot des Clubs absolviert hatte, startete die Abendzeitung eine Kampagne gegen den Stürmer. Als »delikate Angelegenheit« bezeichnete das Boulevardblatt die Verpflichtung des ersten dunkelhäutigen Spielers der Vereinsgeschichte und berichtete von Fans, die in Briefen und per