Unheilvolle Vergangenheit. Alexander Pelkim

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Название Unheilvolle Vergangenheit
Автор произведения Alexander Pelkim
Жанр Языкознание
Серия
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783429065171



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registrierte das Gesamtbild ebenso wie die Einzelheiten.

      »Wieso, ich denke der Tote hat eine Etage weiter unten gelegen?«

      »Richtig! Aber vermutlich hat die Sache schon hier oben ihren Anfang genommen und erst dann ist er nach unten gestürzt«, erklärte ihm der Kollege der Spurensicherung. »Wenn, dann sollte es also hier auch schon Spuren geben, was aber ›ganz schwer‹ bis ›gar nicht mehr‹ festzustellen ist. Wer weiß, wer hier inzwischen alles schon durchgelatscht ist.«

      »Na ja, versucht euer Glück, weniger als ›nichts‹ könnt ihr nicht finden.«

      »Wann hört denn dieses Theater hier auf?«, fragte eine genervte Stimme in Habichs Rücken.

      Der Hauptkommissar drehte sich um. Vier Stufen über sich erblickte er einen Mann in Jeans und kariertem Hemd, dessen Alter Habich auf um die Fünfzig schätzte.

      »Wer sind Sie?«

      »Mein Name ist Andreas Birkner, ich bin hier der Kellermeister. Was soll dieser Unsinn mit der Annahme, es könnte etwas anderes als ein schreckliches Unglück sein?«

      »Herr Birkner, es gibt Anzeichen, die darauf hindeuten, dass es sich bei dem Ableben Ihres Vaters nicht um einen natürlichen Tod handelt«, antwortete Habich ruhig und gelassen.

      »Und was soll es sonst gewesen sein?«

      »Vermutlich ein Tod mit Gewalteinwirkung von außen.«

      Betroffen schwieg Birkner einen Moment. »Trotzdem muss es hier weitergehen«, entgegnete er kurz darauf leicht gereizt, »die Weine interessiert es nicht, was passiert ist. Wir können deswegen unsere Arbeit nicht einfach ruhen lassen und die jungen Weine, die hier lagern, sich selbst überlassen. Das wäre unser Ruin.«

      »Die Kollegen beeilen sich.« Habich drehte sich zu einem der vermummten Männer um. »Könnt ihr heute Abend fertig sein?«

      »Wenn man uns in Ruhe arbeiten lässt, denke ich schon«, tönte es von unten herauf.

      »So lange müssen Sie sich leider gedulden.« Der Hauptkommissar hob mit einer Geste des Bedauerns die Schultern und stieg die Treppe empor. Dadurch nötigte er Birkner, ebenfalls den Rückzug anzutreten.

      »Wer könnte etwas gegen Ihren Vater gehabt haben?«

      »Spontan fällt mir da jetzt niemand ein.«

      »Wie war Ihr Vater … so als Mensch, meine ich?«

      Etwas zögernd und nachdenklich meinte Birkner: »Er war schon unbequem und schwierig.«

      Während des Gesprächs durchquerten sie die Halle, erreichten den Hof und liefen auf das Hauptgebäude zu.

      »Erzählen Sie mir mehr über Ihren Vater. Warum war er unbequem und schwierig?«

      »Na ja, geschäftlich war er ein strenger Chef und harter Verhandlungspartner. Genauso war auch sein politisches Auftreten. Er war Jahrzehnte aktiv in der Partei und hat sowohl bei den eigenen Parteifreunden als auch gegenüber den politischen Gegnern unverblümt seine Meinung geäußert. Ähnlich war auch sein Verhalten im Stadtrat, dem er über dreißig Jahre angehörte. Aber ihm deswegen etwas anzutun wäre für mich unbegreiflich. Zumal er sich schon jahrelang aus allen Ämtern zurückgezogen hat.«

      »Was heißt das genau?«

      »Nun, die Leitung des Weingutes hat er an seinem siebzigsten Geburtstag an Hermann übergeben und genauso lange ist er auch politisch nicht mehr aktiv. Weder in der Partei noch im Stadtrat.«

      »Wie alt war Ihr Vater?«

      »Er wäre im Januar neunundsiebzig geworden.«

      »Welches Verhältnis hatten ›Sie‹ zu Ihrem Vater?«

      Wieder dauerte es einen kleinen Augenblick, bis die Antwort kam. »Wie ich schon sagte, er war streng, aber nicht unmenschlich. Es war schwierig, ihn zufriedenzustellen, aber der Erfolg gab ihm Recht.«

      Irgendwie wirkte die Antwort auf den Kommissar ausweichend, doch gab er sich vorerst damit zufrieden.

      »Wo waren Sie am Freitagabend so zwischen 19 und 20 Uhr?«

      »Glauben Sie etwa, ich … ich … hätte etwas mit dem Tod meines Vaters zu tun?«

      »Reine Routine.« Habich zuckte die Schultern. »Wir fragen jeden, der zur fraglichen Zeit in der Nähe war.«

      »Ist das … die … die Zeit … wo mein Vater … wo es passierte?«

      »Ja, laut unserer Gerichtsmedizinerin.«

      Der Gefragte ließ sich mit der Antwort Zeit und überlegte. »Hmm! Zu dem Zeitpunkt war ich irgendwo hier im Weingut.« Dann schien es ihm wieder einzufallen. »Genau, ich war mit einem unserer Angestellten in der Lagerhalle und habe mit ihm schon Arbeiten für diese Woche besprochen, habe noch ein bisschen aufgeräumt und dann bin ich hinauf in meine Wohnung.«

      »Ich bräuchte den Namen Ihres Angestellten.«

      »Der Mann heißt Hubert Fichtner.«

      »Können Sie sich erinnern, ob noch Besucher oder Weinkunden auf Ihrem Anwesen waren?«

      »Ich achte da kaum noch darauf, weil wir fast täglich Weininteressenten hierhaben.« Birkner nickte. »Doch! Ich glaube, es standen noch Autos auf den Besucherparkplätzen.«

      »Aufgefallen ist Ihnen aber niemand? Oder haben Sie jemand im hinteren Bereich des Hofes gesehen, der da nicht hingehört?« Andreas Birkner verneinte die Frage. »Kann jemand Ihre Angaben bestätigen? … Ich meine, nachdem Sie sich von Fichtner getrennt haben?«

      »Äh …, nein, meine Frau war noch unten in der Probierstube und im Verkaufsraum. Ich denke mal, sie hat letzte Vorbereitungen für den Markttag getroffen. Also war ich alleine in der Wohnung.«

      Inzwischen hatten die beiden das Haupthaus erreicht und gingen hinein. Andreas Birkner betrat das Büro, wo sie auf Hermann Birkner, den Chef des Weingutes, trafen. Hauptkommissar Habich stellte sich vor und gab dem kräftigen Mann hinter dem Schreibtisch die Hand.

      »Ich habe Ihrem Kollegen eine Liste der Anwesenden gemacht, die letzten Freitag hier waren … Also ich meine, alle, die mir namentlich bekannt sind. Von den Weinkunden und Fremden, die bei uns am Freitag auf dem Hof waren, habe ich keine Namen. Ich habe nachgeschaut. Stammkunden, die bei uns einkaufen und die wir in der Kartei haben, waren nicht dabei.«

      »Gut«, nickte Habich, »hat Kommissar Rautner schon mit Ihnen gesprochen?«

      »Nein, aber ich hätte Ihrem Kollegen sowieso nichts sagen können. Ich war bis etwa Mitternacht hier mit Büroarbeiten beschäftigt.«

      »Kann das jemand bezeugen?«

      Der Chef des Weingutes brauste auf: »Wollen Sie damit andeuten, dass ich etwas mit dem Tod meines Vaters zu tun habe?«

      »Hören Sie, Herr Birkner, wir werden jedem diese Frage stellen, mit dem wir sprechen müssen. Ich habe es Ihrem Bruder auch schon erklärt. Es gehört nun mal zu unserer Arbeit.«

      Birkner schnaufte erregt und ließ sich auf den Bürosessel sinken, der unter dem Gewicht ein protestierendes Ächzen von sich gab. »Meine Frau ist irgendwann hereingekommen. Sie hat nur gesagt, dass sie jetzt mit allem fertig sei und in die Wohnung ginge. Ich habe ihr daraufhin zu verstehen gegeben, dass es bei mir noch dauert. Sorry, aber ich habe leider nicht auf die Uhr geschaut, wann das war. Fragen Sie meine Frau, vielleicht weiß die es.«

      »Okay, werde ich machen. Wann haben Sie Ihren Vater zuletzt gesehen?«

      Hermann überlegte. »Nachmittags haben wir alle zusammen Kaffee getrunken, da war er dabei. Dann habe ich nicht mehr auf ihn geachtet. Er hat sich hier auf dem Gelände frei bewegt und seine Nase noch in viele Angelegenheiten gesteckt. Konnte es nicht lassen, immer noch den Chef zu spielen.« Die letzten beiden Sätze klangen ein wenig vorwurfsvoll.

      »Also gut, wo finde ich Ihre Frau?«

      »Keine Ahnung.«