Kartoffelschaukochen, illegale Kämpferinnen und Krieg. Katharina Scharf

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Название Kartoffelschaukochen, illegale Kämpferinnen und Krieg
Автор произведения Katharina Scharf
Жанр Документальная литература
Серия Schriftenreihe des Archivs der Stadt Salzburg
Издательство Документальная литература
Год выпуска 0
isbn 9783702580889



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Obwohl Adolf Hitler den Frauenorden offiziell als Organisation der NSDAP anerkannte, führte der DFO in der Riege der NS-Organisationen ein Schattendasein. Mit der Zusatzbezeichnung Rotes Hakenkreuz brachte man die politische Zugehörigkeit des DFO zum Ausdruck. Die Mitglieder wurden dazu verpflichtet, der Partei beizutreten. Im Vordergrund stand die vaterländische, „rassenbewusste“ Erziehung der Frauen. Nicht politisches Engagement, sondern Mutterschaft und Pflege der deutschen Kultur wurden als weibliche Aufgaben definiert. Der Leitspruch des Frauenordens war „Glaube, Hoffnung, Liebe“.20 Ende der 1920er-Jahre soll der DFO rund 13 000 Anhängerinnen gezählt haben.

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      Weichenstellung in der Ersten Republik, breite Umsetzung nach dem „Anschluss“: Öffentlichkeitswirksame Darstellung von „Mütterlichkeit“ im Salzburger Wochenblatt der Landesbauernschaft Alpenland: „Mütter und Kinder aus Großarl, dem kinderreichsten Dorf Großdeutschlands; 299 Bergbäuerinnen des Dorfes tragen das Ehrenkreuz der deutschen Mutter.“

      Neben dem Frauenorden gab es viele weitere lokale Splittergruppen von nationalsozialistisch gesinnten Frauen, die keineswegs dazu bereit waren, sich diesem unterzuordnen. Als die NSDAP zu Beginn der 1930er-Jahre einen zunehmenden Aufschwung erlebte, trat die Notwendigkeit eines geschlossenen Auftretens nach außen und einer einheitlichen Frauenorganisation verstärkt zutage. Die lokal agierenden und konkurrierenden Gruppierungen waren den Aufgaben und Ansprüchen der Partei nicht gewachsen. Der spätere Reichspropagandaminister Joseph Goebbels schrieb 1928 in seinem Tagebuch: „Die Frauen muß ich organisieren. Da liegt viel Kraft brach.“21 Da er eine schlechte Meinung von Elsbeth Zander hatte, die er als „zu waschfrauenmäßig“ bezeichnete, gründete Goebbels 1929 selbst eine Frauenorganisation, die Frauenarbeitsgemeinschaft des Gaues Groß-Berlin. Reichsorganisationsleiter Gregor Strasser – seine Position entsprach der eines Generalsekretärs – favorisierte dagegen den Frauenorden und Zander, da diese „als eine Jeanne d’Arc“ bei „einfachen Frauen“ gut ankam. Daraus resultierte eine Pattsituation, im Rahmen derer die Frauenorganisationen untereinander konkurrierten und sich sogar gegenseitig diffamierten.22 Die Lösung dieser Umstände sollte eine Fusion bringen. Das führte zur Gründung der Nationalsozialistischen Frauenschaft (NSF).

       Gründung und Struktur der Nationalsozialistischen Frauenschaft (NSF)

      Am 1. Oktober 1931 gab Reichsorganisationsleiter Gregor Strasser die Neuorganisation aller nationalsozialistischen Frauen in der NS-Frauenschaft (NSF) bekannt. In Ehrerweisung des Deutschen Frauenordens (DFO) lautete der vollständige Name der neuen Frauenorganisation zunächst Nationalsozialistische Frauenschaft (Deutscher Frauenorden), und auch das Motto „Glaube, Hoffnung, Liebe“ wurde beibehalten. Sämtliche weiblichen Parteimitglieder gehörten automatisch der Frauenschaft an. Jene, die nicht Teil der NSDAP waren, konnten sich als freiwillige Helferinnen engagieren – wobei auch sie Mitgliedsbeiträge bezahlen mussten. Als die drei grundlegenden Aufgabenbereiche der Frauenschaft galten: wirtschaftliche und sanitäre Hilfstätigkeiten (dazu zählten etwa Arbeiten in SA-Küchen, Nähstuben oder Schulungskurse im Sanitätswesen), geistig-kulturelle Erziehungsaufgaben sowie die Schulung der deutschen Hausfrauen. In der Praxis bestand ein Hauptteil der Frauenarbeit in den frühen 1930er-Jahren in der Hilfstätigkeit und Unterstützung der Sturmabteilung (SA) sowie bedürftiger Parteigenoss*innen und in der Verbreitung von Propagandamaterial.

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      Der spätere Reichsinnenminister und Schirmherr des Deutschen Frauenwerks, Wilhelm Frick (links), daneben Gregor Strasser, Begründer der NS-Frauenschaft, vor dem Berliner Reichstag um 1930.

      Die Führung der Frauenschaft übernahm zunächst Elsbeth Zander, die – als sich Strasser 1932 aufgrund von Differenzen mit Hitler aus der NSDAP zurückzog – bald keinen Fürsprecher mehr hatte. Im April 1933 übernahm die radikale Nationalsozialistin Lydia Gottschewsky diese Führungsposition. Da sie gleichzeitig Bundesführerin des Bundes Deutscher Mädel (BDM) war, strebte sie – in Zusammenarbeit mit Reichsjugendführer Baldur von Schirach – einen Ausgleich im Streit um die Kontrolle der Jugend an, denn sowohl die NSF als auch die Hitlerjugend (HJ) versuchten, die Jugendlichen für sich zu beanspruchen.

      Auf Reichsebene erschwerten Konflikte mit und zwischen den männlichen Parteiführern, die ihre Machtansprüche auf die Frauen geltend machen wollten, die Lage. Es herrschte eine geradezu chaotische Situation – die ja eigentlich mit der Gründung der NSF gelöst sein wollte.23 Im Mai 1933 gründete der neue Reichsorganisationsleiter Robert Ley, mit Lydia Gottschewsky an der Spitze, die Deutsche Frauenfront (DFF) – in Anlehnung an die Deutsche Arbeitsfront (DAF). Daraufhin baute Innenminister Wilhelm Frick eine Konkurrenzorganisation auf – die Reichsarbeitsgemeinschaft Deutscher Frauenverbände (RAG) –, in der ebenfalls alle Frauenverbände zusammengeführt werden sollten. Paula Sieber, die Vorsitzende, versuchte eher Frauen der Mittelschicht anzusprechen und Kontakte zu katholischen und protestantischen Frauenverbänden herzustellen. Zwischen Gottschewsky und Sieber entbrannte ein Konkurrenzkampf. Schließlich erteilte Rudolf Heß, Reichminister ohne Geschäftsbereich, im September 1933 den Auftrag, die Deutsche Frauenfront und die Reichsarbeitsgemeinschaft Deutscher Frauenverbände im neu gegründeten Deutschen Frauenwerk (DFW) zusammenzuführen. Die NS-Frauenschaft blieb bestehen, das Frauenwerk war eine Zusatzeinrichtung und eine Kompromisslösung, auf die sich Heß, Frick und Ley einigten. Schirmherr des Frauenwerks wurde Frick, die Leitung übernahm Landrat Gottfried Adolf Krummacher, und Paula Sieber war stellvertretende Leiterin. Gegen die Ernennung Krummachers zum Leiter regte sich jedoch Widerstand, da sich die nationalsozialistischen Führerinnen in einer Frauenorganisation nicht von einem Mann bevormunden lassen wollten. In den offiziellen Parteiorganen durfte über diesen Unmut natürlich nichts verlautbart werden, doch in der Zeitschrift der NSF, der NS-Frauenwarte, und internen Schriften forderten die Frauen eine weibliche Führung.

      Die männliche Parteiführung betrachtete jene Frauen, die aktiv für mehr Mitspracherecht kämpften, sehr kritisch und war darum bemüht, fügsame Leiterinnen einzusetzen. So musste Paula Sieber 1934 ihr Amt aufgeben – offiziell wegen Veruntreuung.24 Als die Anschuldigungen gegen sie fallengelassen wurden, hatte sich bereits die neue Frauenführerin Gertrud Scholtz-Klink [Biografie S. 38] etabliert. Ein auch auf persönlicher Ebene ausgefochtener Machtkampf um Positionen unter Frauen wie Männern zeigt sich hier ganz deutlich. Mit Scholtz-Klinks zunehmendem Erfolg als Frauenschaftsleiterin war den Streitereien unter den Frauengruppen aber zunächst ein Ende gesetzt.

      Im Zuge der sogenannten Gleichschaltung wurden alle Frauen beziehungsweise alle Frauenverbände und -gruppierungen in den großen, der Partei zugehörigen NS-Organisationen vereint. Ende 1935 war der Prozess weitgehend abgeschlossen und unter der Führung Scholtz-Klinks setzte eine Stabilisierung der Verhältnisse ein. Die strebsame Nationalsozialistin war zwar darum bemüht, eine starke Frauenorganisation aufzubauen, doch wollte sie keineswegs eine Konkurrenz zu den NS-Männerbünden schaffen. So gingen nach der Machtübernahme der NSDAP ab 1933 viele Arbeiten der NS-Frauenschaft und des Deutschen Frauenwerks, die diese zuvor geleistet und in Anspruch genommen hatten, an andere Einrichtungen über. Für die jungen Mädchen schien der jugendhafte und moderne Bund Deutscher Mädel (BDM) in diesem Zusammenhang viel verlockender als die altbackene NS-Frauenschaft: In der NSF sollten sie zum Ideal der dienenden, der männlichen Führung unterworfenen Frau und Mutter erzogen werden, wohingegen sie im BDM neben den Jungen gleichwertig bestehen konnten und für sich Aufstiegsmöglichkeiten sahen. An dieser Situation zeigt sich auch ein Paradoxon des Nationalsozialismus. Er vereindeutigte die Rollenstereotype von Frauen und Männern „bei gleichzeitiger faktischer Rollenüberschreitung“25. Gerade darin lag eine spezielle Wirksamkeit des Nationalsozialismus: Dass er neue Möglichkeiten eröffnete und von vielen als modern empfunden wurde, gleichzeitig aber die damit einhergehenden traditionellen, rigiden Ordnungen das Gefühl von Beständigkeit und Sicherheit vermittelten.26