Kartoffelschaukochen, illegale Kämpferinnen und Krieg. Katharina Scharf

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Название Kartoffelschaukochen, illegale Kämpferinnen und Krieg
Автор произведения Katharina Scharf
Жанр Документальная литература
Серия Schriftenreihe des Archivs der Stadt Salzburg
Издательство Документальная литература
Год выпуска 0
isbn 9783702580889



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Buch bildet. Darüber hinaus habe ich in den zurückliegenden Monaten weitere Recherchen durchgeführt und dabei den Blick auch über die Stadt Salzburg hinaus gerichtet, sodass nunmehr ein noch wesentlich umfassenderes Bild zu Frauen im nationalsozialistischen Salzburg (Stadt und Land) präsentiert werden kann.

      Ausgehend von der in der folgenden Einführung noch näher zu thematisierenden Feststellung, dass es keine homogene Gruppe der Frauen gibt und (daher) auch nicht von der Frau im Nationalsozialismus gesprochen werden kann, stellt sich für die Leser*innenschaft natürlich die Frage: Um welche Frauen geht es in diesem Buch? Im Mittelpunkt stehen vor allem jene, die sich für den Nationalsozialismus in verschiedener Form, besonders in Parteiorganisationen, in Stadt und Land bzw. im „Reichsgau“ Salzburg engagierten. Die NS-Frauenschaft (NSF) und das Deutsche Frauenwerk (DFW) sollten sämtliche „deutsch-arischen“ Frauen in sich vereinen, organisieren und nationalsozialistisch erziehen. Während die Frauenschaft wenigen auserkorenen „Führerinnen“ vorbestimmt war, galt das Frauenwerk als Sammelbecken für alle „deutschen“ Frauen. Welche Bedeutung die (Frauen in) beiden Einrichtungen in Stadt und Land hatten, soll im Rahmen dieses Buches erörtert werden. In den NS-Organisationen widmeten sich die Frauen einer Fülle an Aufgaben, die ihre Macht und Ohnmacht greifbar machen. Die Tätigkeiten reichten von der karitativen Spendensammlung bis zur Vermittlung der „Rassenlehre“ in Schulungen.

      Mit der substanziellen Frage, wie viel Einfluss und Macht Nationalsozialistinnen hatten, wird ein aufschlussreicher Aspekt des weiblichen Lebensalltags im Nationalsozialismus erörtert. Dabei geht es keineswegs darum, Frauen auf bestimmte Kategorien oder Rollen festzulegen – sei es nun auf die „unterdrückte Frau“, auf die „Mutter“, auf die Frau als „Opfer“ oder auf die „Täterin“ oder „Denunziantin“. Vielmehr werden vielseitige Facetten aufgezeigt und damit einhergehend auch das Funktionieren des Systems ergründet. Anhand mehrerer biografischer Einblicke wird in diesem Zusammenhang offenkundig, welche Rolle Faktoren wie Religion, Alter, Beruf, männliche „Parteigenossen“ oder die Ehemänner der Frauen spielten. Durch die Mitbetrachtung der großen NS-Frauenorganisationen kann gezielter eruiert werden, worin die Faszination bestand und welche Möglichkeiten der Mitwirkung geboten wurden. Dabei lässt sich sogar verdeutlichen, ob oder inwiefern Frauen am nationalsozialistischen Vernichtungsapparat beteiligt waren. Abschließend wird mit Blick auf die unmittelbaren Nachkriegsjahre schließlich noch die Frage in den Fokus gerückt, wie die Tätigkeiten der Frauen später bewertet wurden und wie die Zeit des Nationalsozialismus (auf sie) überhaupt nachwirkte.

      Für die Verwirklichung einer solchen Publikation und der damit einhergehenden Forschungen sind eine Vielzahl von Personen mitverantwortlich, die nicht alle namentlich angeführt werden können und denen ich hiermit ein herzliches Dankeschön aussprechen möchte. Ganz besonderer Dank kommt zunächst Gerald Klonner und allen im Projekt involvierten Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern vom Verlag Anton Pustet zu, die dieses Buch überhaupt erst ermöglicht und in seinen verschiedenen Stadien begleitet haben. Mein Dank richtet sich auch an die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Stadtarchivs Salzburg, zuvorderst an Peter F. Kramml und Johannes Hofinger, die das Buch in die Publikationsreihe des Archivs aufgenommen und einen Großteil der Bebilderung gewährleistet haben; Peter F. Kramml hatte bereits entscheidenden Anteil an der Entstehung und Umsetzung des Forschungsprojektes. Meine Erkenntlichkeit möchte ich auch all jenen gesammelt aussprechen, die in den diversen weiteren Archiven und Bibliotheken mit ihrer hilfsbereiten und fachkundigen Unterstützung zu den im Buch dargelegten Erkenntnissen beigetragen haben, darunter besonders den Verantwortlichen im Salzburger Landesarchiv und dem Archiv der Erzdiözese Salzburg. Dem Zentrum für Gender Studies und Frauenförderung der Universität Salzburg (gendup) danke ich für die Auszeichnung meiner diesem Buch zugrundeliegenden Masterarbeit mit dem Erika Weinzierl-Preis.

      Meine besondere Dankbarkeit möchte ich vor allem auch Helga Embacher aussprechen, die meine Masterarbeit betreut hat und mir bei meiner bisherigen Laufbahn mit Rat und Tat zur Seite gestanden ist. Abschließend sei meiner Familie mein uneingeschränkter Dank gezollt.

      Katharina Scharf,

      im Sommer 2021

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       In der Salzburger Steingasse stehen Frauen für die knappen Lebensmittel im Kriegsalltag an, 1941.

      Einführung

      Frauenbilder und Frauenrealitäten

      Wer waren die Frauen, die sich für den Nationalsozialismus begeisterten und engagierten? Und was brachte sie dazu? Bis heute sind die Bilder zum weiblichen Geschlecht für die Zeit nach dem „Anschluss“ Österreichs an das Deutsche Reich im Jahr 1938 so vielfältig wie ambivalent. Sie reichen von der hysterischen, Hitler zujubelnden Frau über die aufopferungsvolle Krankenschwester im Lazarett bis hin zur grausamen KZ-Aufseherin. Im allgemeinen Verständnis dominiert aber wohl ein anderes Bild: jenes der Mutter und Hausfrau, die sich zu Hause am Herd betätigen und „arische“ Kinder gebären sollte – und ansonsten wenig bis gar nichts zu sagen hatte. Soweit die stark vereinfachte Vorstellung.

      Diese Zuschreibungen werden mittlerweile deutlich infrage gestellt und relativiert. Denn je nach ökonomischen, ideologischen oder militärischen Anforderungen wurden die Ansprüche und Erwartungen gegenüber den „Volksgenossinnen“ immer wieder verändert und angepasst. Somit gab es zur NS-Zeit, erstens, nicht das eine, sondern mehrere – divergierende, mitunter sogar konkurrierende – Frauenbilder. Und es muss, zweitens, zwischen den propagierten Vorstellungen nationalsozialistischer Eliten und der realen Situation unterschieden werden.

      Wie stand es etwa um den vielzitierten „Mutterkult“? Zweifellos hatte dieser für die Lebenswirklichkeit der Frauen eine viel weniger zentrale Bedeutung als im Nachhinein behauptet. Propaganda hin oder her, Frauen bedachten selbstverständlich auch in Zeiten des Nationalsozialismus, wie viele Kinder sie tatsächlich ernähren konnten. Die Salzburgerin Helene W. berichtet rückblickend: „Ich habe immer gesagt: ‚Ich kann nur so viele Kinder bekommen, als ich erhalten kann‘.“1 Was in diesem Zusammenhang vielleicht überraschen mag: Das öffentliche Bild von Frauen war in anderen Ländern, beispielsweise in den USA, mitunter deutlich stärker vom Stereotyp der Hausfrau geprägt als in NS-Deutschland und der „Ostmark“. Auch Reformen wie Ehestandsdarlehen und Kinderbeihilfe waren nicht so originell, wie sie heute manchmal verklärend dargestellt werden: In anderen europäischen Ländern fanden im zeitlichen Umfeld derartige sozialpolitische Maßnahmen im Zuge der Entwicklung des modernen Wohlfahrtsstaates ebenso ihre Verwirklichung. Frauen wurden auch nicht scharenweise aus den Arbeitsverhältnissen entlassen, um sie an den Herd zu ketten. Im Gegenteil, weibliche Erwerbstätigkeit war im Nationalsozialismus weit verbreitet. Frauen in Stadt und Land Salzburg waren in sozialen, erzieherischen, pflegenden, lehrenden, landwirtschaftlichen und häuslichen Berufen genauso vertreten wie in Büros, in der Fremdenverkehrsbzw. Tourismusarbeit, im Bergbau oder in Industriebetrieben und Fabriken (wie etwa in der Halleiner Zigarren- und Tabakfabrik, die allerdings bereits 1940 geschlossen wurde).2 Hinzu kamen auch Einkünfte aus Gelegenheitsarbeiten wie Waschen oder Flicken sowie aus der Hebammenarbeit.

      Mit dem Krieg verschwanden somit relativ rasch die vorgenommenen Trennungen in festgelegte weibliche und männliche Bereiche, da man Frauen schlichtweg als Arbeitskräfte benötigte. Die Historikerin Sybille Steinbacher spricht von einer „Flexibilisierung der Stereotype“, welche die NS-Geschlechterpolitik auszeichnete. Dadurch wurde es möglich, „die Rollenmuster von Mann und Frau für die Dauer des Krieges außer Kraft zu setzen, ohne sie aber im Kern anzutasten“.3 Das betraf sowohl eigens geschaffene, vorwiegend verpflichtende Arbeiten wie die Ernte- oder Wehrmachtshilfe, als auch allgemeine Bereiche, in denen Arbeitskräftemangel herrschte. Wie es dazumal zum Beispiel die Salzburger Landeszeitung einforderte, sollten die Salzburgerinnen in dieser Notlage „ihren Mann stehen“ und sich als „Soldaten der Heimat“ etwa in Rüstungsbetrieben oder als Briefträgerinnen und Schaffnerinnen „für das Volk“ engagieren.4 Manche Frauen empfanden diese Situation als Chance, um sich gesellschaftliche und berufliche Anerkennung zu erkämpfen. Andere dagegen waren unzufrieden mit dem Arbeitszwang und hatten mit der Mehrfachbelastung