Tschefuren raus!. Goran Vojnović

Читать онлайн.
Название Tschefuren raus!
Автор произведения Goran Vojnović
Жанр Языкознание
Серия Transfer Bibliothek
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783990371169



Скачать книгу

das hat keine Perspektive.“

      Manchmal schiebt Dejan was raus, dass es dir den Magen umdreht. Was weiß der, was Perspektive ist. Der Mensch hat keine blasse Ahnung von gar nichts. Die ganze Grundschule durch hatte er alles Fünfen. Für ’ne Vier in Geografie brauchte er nur alle Kontinente auswendig zu lernen, ging nicht. Am Schluss hat er sich mit der Geografietussi geeinigt, dass er ihr für ’ne Vier alle sieben Londoner Klubs aufzählt, die in der Premier League spielen.

      „Ach so, keine Perspektive? Du könntest gern mal Tagebuch schreiben.“

      „Das hast du gut gesagt! Weißt du überhaupt, was das ist, Perspektive?“

      „Werd ich wohl wissen!“

      „Was? Dann sag’s doch, wenn du’s weißt.“

      „Warum? Sag du.“

      „Du bist doch der Schlaue.“

      „Und du der Oberschlaue, wenn sie dir nicht beigebracht hat, was das ist, Perspektive.“

      „Hör auf, du hast keine Ahnung, was das ist, Perspektive!“

      „Das ist das, was später kommt, in der Zukunft. Wenn es cool ist und so.“

      „Ach, in der Zukunft? Mein Gott, was du heute alles rauslässt, Alter! Machst wohl grad deinen Doktor, oder was? Es gibt keine Perspektive!“

      „Basket spielt keiner, weil keiner mehr Lust dazu hat. Die Kids sind zu faul, Alter. Keiner hat Lust, sich zu bewegen! Nimm bloß mal den Nušić. Wo hat der Lust, auf dem Spielfeld rumzulaufen! Die Leute sind total phlegmatisch. Kein Interesse, Alter.“

      „Die Leute sind behämmert.“

      Und so weiter. Gibt nichts Schöneres. Du sitzt da und genießt. Scheißt dich nix.

      8. Warum der Kommunismus noch nicht ausgestorben ist

      Wenn ich abends nach Hause komm, bete ich zu Gott, dass Radovan schon pennt. Ich hab wirklich keine Lust auf Fragen, wo ich war, mit wem und warum ich nicht zum Essen gekommen bin. Nur, heute hat Radovan direkt auf mich gewartet. Er saß da in Unterhemd und Unterhose, was bei ihm der Pyjama ist, und zappte durch die Kanäle. Und dann fing er an, um mich herumzuschleichen. Und ich wusste, dass ich nicht so leicht davonkommen würde. Irgendwas ging ihm im Kopf herum, und das musste er mir jetzt mitteilen. Scheiße auch.

      „Ich habe mit diesem … Krković gesprochen. Er kennt da wen … bei Olimpija! Er steht sich gut mit dem, wie heißt er noch … Ćućić. Er hat gesagt, er wird sehen, was er für dich tun kann.“

      „Was?“

      „Na, für Olimpija. Er steht sich wirklich gut mit diesem … Ćućić.“

      „Was für Olimpija.“

      „Na, Olimpija.“

      „Ich will nicht zu Olimpija.“

      Soll er sich Olimpija und diesen Ćućić sonst wo hinstecken. Was kommt er mir damit um ein Uhr morgens. Und wieder ist er nervös zum Abwinken. Scheiß auf seine Nervosität.

      „Bist du wahnsinnig, du Ochse? Was willst du nicht! Und was willst du? Willst du vielleicht zu den Ingenieuren mit deinen Noten? Wenn du nicht bei Olimpija spielst, bist du nirgends! Glaubst du, da kommt einer nach Fužine, um dich zu sehen! Du Depp du! Dann geh doch … geh doch nach Ježica, zu den Frauen, wenn du so einer bist!“

      „Und was macht dieser Ćućić! Er ist da Physiotherapeut!“

      „Kennt er Sagadin? Kennt er ihn? Ja, er kennt ihn! Und wer ist der Oberste? Sagadin!“

      Nur Ranka hat uns noch gefehlt.

      „Was habt ihr um diese Zeit hier zu diskutieren. Ihr weckt die ganze Siedlung auf.“

      „Und wenn schon! Wann hast du das nächste Training?“

      „Morgen.“

      Radovan schnappt wieder nach Luft, Ranka leidet, und ich habe von all dem die Schnauze voll. Und überhaupt von seinen Krkovićs und Ćućićs. Das ganze Leben habe ich nur Troubles von diesen Krkovićs und Ćućićs und sonstigen Stümpern. Ständig kennt Radovan wen, der irgendwas richten wird, weil der wieder jemanden kennt, und das sind lauter Tschefuren, die sich kennen, und alle richten irgendwas, und am Schluss setzen sie sowieso alles in den Sand. Wenn jemand glaubt, der Kommunismus ist ausgestorben, hat er sich schwer getäuscht. Radovan ist noch immer auf diesem Trip mit seinen Krkovićs und Ćućićs. Bei ihnen ist alles hilfst du mir, helf ich dir. Du kannst nicht mal in den Laden gehn Brot kaufen, ohne dass Radovan zu dir sagt: „Warte, ich rufe Ćućić an, dass er nachsieht, ob in der Bäckerei bei Krković noch ein Laib über ist!“ Für jeden Scheiß wird nach einer Verbindung gesucht, man fragt nur, wo jemand auf -ić ist und wer ihn kennt, denn wenn er auf -ić ist, dann ist er ein Tschefur, und ein Tschefur kennt doch einen anderen Tschefur. Und dasselbe, wenn eine Waschmaschine kaputtgeht, dann kaufst du keine neue oder bringst sie zum Service, sondern rufst Krković an, der kennt einen Ćućić, der das umsonst repariert. Und so. Alles umsonst. Ein Tschefur ist für den anderen da. Und dann ist die Waschmaschine nach zwei Tagen wieder im Arsch. Der Kommunismus ist im Arsch, weil die Leute für wenig Geld gearbeitet haben. Nur Radovan und seine Krkovićs und Ćućićs haben das noch nicht geschnallt. Die werden immer mehr und sind überall. Alle kennen sich und alle tun sich einen Gefallen, in Wirklichkeit machen sich die einen auf Kosten der anderen einen Lenz. Als ich anfing, Basket zu trainieren, ging das nicht ohne Krković. Nein, er musste bei Slovan einen gewissen Ćućić kontaktieren und irgendwas fix machen. Alle anderen kamen schön zum Training und fingen an zu trainieren. Was weiß ich, das ist wahrscheinlich deshalb, weil damals in Jugoland alle in eine fremde Republik gekommen sind und keinen blassen Schimmer hatten und sich alle angeschissen und nach ihren Leuten gesucht haben, die ihnen helfen würden, sich leichter zurechtzufinden, weil sie weder die Sprache konnten noch sonst was. Aber nach dreißig Jahren könnte man auf dieser Welt doch mal was ohne Krković und Ćućić machen, verdammter Tito, verdammter.

      9. Warum die Tschefuren nicht über Sex reden

      Heute Morgen bin ich im Aufzug mit der Moderatorin aus dem achten Stock gefahren. O Mann, was würde ich mit ihr machen. Die ist echt steil. Real ist sie noch besser als im Fernsehen. Und immer maximal aufgebrezelt. Hochhackige plus enge Hose, dass der Arsch nur so wackelt und es dir den Atem verschlägt, wenn du hinter ihr gehst. Mir war es immer zu dumm, ihr was nachzurufen und so. Das ist mir immer auf den Sack gegangen. „Hallo Kleine, lass mi mol eine!“, „Mädchen, hast du stramme Bäckchen!“ und ähnliche Meldungen mehr. Ich würde zu ihr sonst was sagen, ich bin aber ein zu großer Loser. Ich bin wirklich zu doof für solche Sachen. Sie kommt in den Aufzug und alles duftet nach ihrem Parfüm, und ich starre auf den Boden und dann, wenn sie aussteigt, geh ich ihr langsam nach und sehe auf ihren Arsch, wie er in den engen Hosen hin und her hüpft. Das ist mein Liebesleben. Eine ausgemachte Kacke. Dass ich etwas zu ihr sage oder so, keine Chance. Ich erinnere mich überhaupt nicht, wann ich ihr zum letzten Mal ins Gesicht gesehen habe. Ich weiß ja, sie hätte mich abblitzen lassen, aber es geht mir doch gegen den Strich, dass ich nicht die Eier habe, um was zu probieren. Ich habe richtig Angst vor ihr. Ich scheiß mich voll an, wenn ich sie sehe.

      Auch Adi und Dejan sind solche Loser, obendrein sehen die beiden auch noch so aus, dass sowieso nicht daran zu rütteln ist, weil Adi erst noch wachsen muss und Dejan seine Pickel in Ordnung bringen muss und so. Aco ist der Einzige, der Tussen anbaggert, aber nur solche kleinen Tschefurken aus der Grundschule, die ihn sowieso nicht lassen, und dann kriegt er die Wut und lässt sie stehen und sie rufen ihn dann noch ein halbes Jahr lang an. Wir drei sind einfach eine Katastrophe. Adi zieht sich nur Pornos rein, und meiner Schätzung nach wird es ihn davon noch zerlegen, weil er komplett durchdreht. Sowieso kennt er alle Schauspieler aus den Pornos, was an sich schon krank ist, und dann redet er noch dauernd von denen, von wegen wie und was, eine Nervensäge, nur manchmal kannst du ihn nicht stoppen. Am schlimmsten ist es, wenn er anfängt zu erzählen, wie Mirsad Samira fickt. Für mich ist das wirklich