Monikas Reigen. Urs W. Käser

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Название Monikas Reigen
Автор произведения Urs W. Käser
Жанр Триллеры
Серия
Издательство Триллеры
Год выпуска 0
isbn 9783967525823



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muss jetzt eben meiner bezahlten Erwerbsarbeit nachgehen und Sie zu Ihrer Schwester befragen.«

      Monikas Bruder lächelte säuerlich.

      Es klopfte an der Tür, und eine jüngere, schlanke, blonde, elegant gekleidete Frau trat ein.

      »Oh, Verzeihung, störe ich?«

      »Nein, gar nicht, komm rein«, sagte Sebastian. »Darf ich vorstellen: Frau Kommissarin Auer, Daniela Sarasin, geborene Merian, Mutter unserer zwei allerliebsten Zwillinge.«

      Daniela Sarasin begrüsste die Kommissarin, setzte sich neben ihren Mann und strich ihm übers Haar.

      »Monika ist gestorben, hast du mir vorhin gesagt. Was ist denn da passiert?«

      »Ja, leider«, nahm sich Anna Auer das Wort, »und zwar auf schlimme Weise. Sie wurde gestern Abend in den Langen Erlen mit Messerstichen umgebracht.«

      »Nein! Erstochen!« Daniela Sarasin hatte einen spitzen Schrei ausgestossen. »Das ist doch nicht möglich! Wer kann denn so etwas Grässliches getan haben, und weshalb nur?«

      »Das kann ja wohl nur ein Irrer gewesen sein«, sagte Sebastian kopfschüttelnd, »der sich im Wald ein zufälliges Opfer für seine perverse Lust gesucht hat!«

      »Nun, ob es so war, möchte die Polizei gerne herausfinden«, erwiderte die Kommissarin, »und Sie können uns bestimmt dabei helfen. Wie war denn Ihr Kontakt zu Monika?« Sie schaute abwechselnd die beiden Eheleute an und wunderte sich über das lange Zögern.

      Schliesslich antwortete die Frau als Erste. »Nun, was soll ich sagen? Viel Kontakt hatten wir nicht mit ihr. Sie war eben sehr engagiert in der Schule und im Tennisclub.«

      Ihr Mann nickte nur dazu.

      Anna Auer fragte weiter. »Haben Sie vielleicht irgendeine Vorstellung, warum jemand Monika hätte umbringen wollen?«

      Sebastian Sarasin hatte sich erhoben und tigerte im Raum hin und her.

      »Es ist doch völlig absurd«, rief er aus, »sie war doch überall so beliebt! Na ja, Männergeschichten hatte sie wohl mehr als genug, aber ein Tötungsdelikt…?«

      »Sie können mir wohl keine Namen zu diesen sogenannten Männergeschichten nennen?«, fragte Anna Auer.

      »Nein, wir können Ihnen da beim besten Willen nicht weiterhelfen. Monika hat uns niemals etwas darüber erzählt, wir vernahmen höchstens ab und zu ein umlaufendes Gerücht.«

      Die Kommissarin erhob sich. »Ich danke Ihnen sehr für die Auskünfte. Es könnte sein, dass ich Sie nochmals belästigen muss. Wo finde ich denn Ihren Bruder?«

      »Den Peter? Er residiert in Riehen, an der Hotzenwaldstrasse, zusammen mit seiner Freundin, Patrizia Staehelin.«

      Rasch verliess Anna Auer die Villa und eilte durch den Park zum Ausgang. Ihr Eindruck von den Sarasins war nicht gerade positiv. Dieser Dünkel, unbedingt etwas Besseres sein zu wollen und das noch so penetrant herauszustreichen! Und da war noch dieses unbestimmte Bauchgefühl, das ihr mitteilte, irgendwo in dieser Familie gäbe es ein dunkles Geheimnis. Aber wo?

      Anna Auer hatte sich unterwegs ein Sandwich gekauft und dieses während der Tramfahrt verzehrt. An der Haltestelle Dorf stieg sie aus und durchquerte den alten Dorfkern von Riehen. In diesem Vorort von Basel, einem ehemaligen kleinen, mehrere Kilometer von der Stadtgrenze entfernten Bauerndorf, lebten mittlerweile mehr als zwanzigtausend Menschen, und die freie Fläche bis zur Stadtgrenze war auf wenige hundert Meter zusammengeschrumpft. Trotzdem war im Zentrum von Riehen ein Teil der dörflichen Atmosphäre erhalten geblieben. Etliche schmale Gässchen durchquerten den Dorfkern, und einige der alten, gemauerten Bauernhäuser aus dem achtzehnten oder neunzehnten Jahrhundert standen in ihrer ganzen, meist frischrenovierten Pracht noch da.

      Anna überquerte die Bahngleise, hinter denen die Strasse allmählich zu steigen begann, und erreichte nach einigen Minuten die Hotzenwaldstrasse. Doch, hier würde ich auch gerne wohnen, dachte sie. Ruhig, vornehm, ländlich und doch stadtnah. Eine lange Reihe von älteren Einfamilienhäusern mit schmucken Gärten säumte die Strasse. Haus Nummer dreiundzwanzig war es, hatte sie im Internet herausgefunden. Sarasin und Staehelin, stand auf der Hausglocke. Interessant, die beiden kürzen ihre Namen nicht ab. Weil sie jung und modern sind, oder weil sie nicht verheiratet sind? Das Haus hatte auch bei weitem nicht den Charakter der Sarasin‘schen Villa im Gellert. Ein solides Einfamilienhaus aus den fünfziger Jahren, mit einigem Umschwung, aber eigentlich ziemlich konventionell, dachte Anna.

      Gleich nach dem Läuten ging die Haustür auf, und eine jüngere, modisch gekleidete Frau mit ernstem Gesicht erschien. Anna präsentierte ihren Polizeiausweis.

      »Oh, natürlich, kommen Sie herein«, sagte die Frau. Ihre Augen waren feucht, ihre Stimme brüchig. »Mein Schwager Sebastian hat vorher angerufen und Ihr Kommen angekündigt. Ich heisse Patrizia Staehelin und bin die Partnerin von Monikas Bruder Peter. Ich arbeite als Ärztin im Kinderspital, aber heute habe ich einen freien Tag.«

      Tränen erschienen in ihren Augenwinkeln. »Vor allem aber war ich Monikas beste Freundin! Unfassbar, dass sie gestorben sein soll! So eine sympathische und lebenslustige Frau soll jemand umgebracht haben, das ist doch unmöglich!«

      Die Frau wandte sich ab und hielt sich ein Taschentuch vor das Gesicht.

      »Glauben Sie mir«, sagte Anna bekümmert, »ich fühle ganz stark mit Ihnen. Leider erleben wir in unserem Beruf immer wieder solche Tragödien. Aber letztlich… Es handelt sich eindeutig um ein Tötungsdelikt, und jemand muss es schliesslich getan haben.«

      Patrizia Staehelin wandte sich wieder der Kommissarin zu. »Peter ist in seinem Arbeitszimmer, ich gehe ihn gleich holen. Darf ich Ihnen einen Kaffee anbieten?«

      »Danke, lieber ein Glas Wasser«, erwiderte Anna und nahm auf dem ihr angebotenen Ledersessel Platz.

      Ein schlanker junger Mann im weissen Hemd mit dunkelroter Krawatte erschien im Türrahmen. Er zuckte etwas zurück, als er die Frau in Uniform erblickte.

      »Oh, Verzeihung. Ich wusste nicht, dass die Polizei schon da ist.«

      »Kein Problem. Ich bin Anna Auer, Kriminalpolizei. Sie haben ja vom Tod Ihrer Schwester Monika gehört, und ich würde gerne von Ihnen und Ihrer Partnerin etwas mehr über die Verstorbene erfahren.«

      Peter Sarasin blickte seine Freundin an. »Was meinst du? Du kanntest sie ja eigentlich viel besser als ich selbst. Gib du doch der Kommissarin Auskunft, ich muss noch rasch ein Telefonat erledigen.«

      Patrizia Staehelin lächelte die Kommissarin an. »Ich weiss, das klingt jetzt merkwürdig für Sie. Immerhin war Monika die Schwester von Peter. Aber die beiden hatten, seit ihre Kindheit vorbei war, tatsächlich wenig Kontakt miteinander. Während Peter fast seine ganze Freizeit auf dem Golfplatz verbringt, teile ich mit Monika die Leidenschaft zum Tennis und war deshalb sehr oft im Club mit ihr zusammen. Sie war wirklich meine beste Freundin! Aber wer hätte ihr so etwas antun wollen? Ich meine, das kann ja nur ein Psychopath gewesen sein, der sich irgendwo im Wald ein zufälliges Opfer für seine perverse Lust ausgesucht hat.« Patrizia hatte wieder zu weinen begonnen.

      Die Kommissarin räusperte sich. »Das wäre grundsätzlich denkbar. Aber wir müssen alle Möglichkeiten offenlassen. Im Hause von Monikas Eltern wurde mir angedeutet, sie habe ein ziemlich bewegtes Liebesleben geführt.«

      Ein Lächeln huschte über Patrizias Gesicht. »Ja, das kann man so ausdrücken. Sie war so attraktiv, dass sie praktisch jeden Mann ins Bett kriegen konnte. Aber eine langfristige Beziehung einzugehen, war ihr irgendwie nicht gegeben. Und immer war sie es, die eine angefangene Beziehung wieder beendet hat, manchmal schon nach kurzer Zeit. Und meist auf ziemlich unsanfte Art, muss ich leider sagen. Irgendwie war das ein spezieller Charakterzug von ihr.«

      »Dann nehme ich an, dass sich der eine oder andere dieser Männer sehr gekränkt gefühlt hat. Ob hier der Schlüssel für das Delikt liegen könnte? Wissen Sie, eine solche Kränkung kann sehr starke Rachegefühle auslösen, bei Männern wie bei Frauen. Ich nehme doch an, Sie als beste Freundin kannten Monika