Monikas Reigen. Urs W. Käser

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Название Monikas Reigen
Автор произведения Urs W. Käser
Жанр Триллеры
Серия
Издательство Триллеры
Год выпуска 0
isbn 9783967525823



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ein Kompliment…?«

      »Bist du eigentlich verheiratet? Hast du Kinder?«

      Monika begann schallend zu lachen. »Oh nein, meine Liebe, eine Heirat tue ich mir bestimmt nicht an. Momentan bin ich Single, aber ab und zu einen hübschen Mann angle ich mir gerne. Und ein Kind? Da schwanke ich tatsächlich. Ich bin ja auch schon fünfunddreissig und sollte es wohl langsam wissen. Aber wahrscheinlich bin ich doch zu freiheitsliebend, um mich für eine solch langfristige Verpflichtung entscheiden zu können.«

      »Lass dir ruhig noch etwas Zeit. Vielleicht ist dann das Bedürfnis nach einem Kind ganz plötzlich da.«

      Monika schaute eine Weile in unbestimmte Ferne. »Ja, wer weiss?«

      Christa fühlte sich rundum wohl mit dieser neuen Kollegin, sie spürte, dass ihre Wellenlängen einfach zusammenpassten. Wie wohl die anderen Kollegen waren?

      »Du, Monika, wer unterrichtet sonst noch in den Klassen, die ich bekommen habe?«

      »Oh, da mach dir mal keine Sorgen. Ich bin sicher, dass du mit allen gut auskommen wirst. Jeder hat so seine kleinen, harmlosen Macken, wie ich sie natürlich auch habe, aber das wirst du schon selber merken. Speziell gut mag ich das Ehepaar Moser. Guido unterrichtet Mathematik und Physik, Barbara Biologie und Chemie. Beide sind seit Jahrzehnten hier am Gymnasium tätig. Und ebenso den Andreas Vischer, unseren Altphilologen, der ja schon fast zum Inventar der Schule gehört. Die Rektorin Annina Burckhardt, unsere Romanistin, hast du ja schon kennengelernt. Nun ja, sie hat auch einen weichen Kern, aber ihre Schale kann schon ziemlich hart sein. Ein klassischer Karrieretyp eben. Lass dich nur nicht ins Bockshorn jagen, wenn sie dich mal etwas härter anfassen sollte! Bleib einfach ruhig, ihr Ärger vergeht meist ziemlich schnell.«

      »Vielen Dank für die Tipps, Monika.«

      Die beiden Frauen tranken noch einen Kaffee und spazierten dann gemütlich zurück zum Münsterplatz.

      Die Glocke schrillte, und die Schülerinnen und Schüler der Klasse 2b verliessen schwatzend und polternd das Klassenzimmer. Monika Sarasin atmete auf. Der erste Tag des neuen Schuljahres war überstanden! Die 2b war gar nicht ihre Lieblingsklasse. Irgendwie stimmte der Mix nicht, die Klasse hatte keinen Zusammenhalt, es fehlte, wie man so schön sagt, der Klassengeist. Auch nach einem Jahr im Gymnasium hatte die Klasse noch nicht zu einer Einheit gefunden. Es waren alles Einzelkämpfer, die einen intelligent und wissbegierig, die anderen apathisch, träge und zu Störungen des Unterrichts geneigt. Die Atmosphäre in der Klasse war und blieb unharmonisch, dagegen war wohl auch die beste Lehrerin machtlos. Nun ja, sie würde auch diese Herausforderung überleben! Am besten war es in so einem Fall, nicht zu viel zu grübeln, sondern einfach straff den Lehrplan durchzuziehen.

      Monika Sarasin packte ihre Utensilien zusammen, verliess das Schulgebäude und trat auf den Münsterplatz hinaus. Von einem beinahe wolkenlosen Himmel brannte die Sonne auf den weiten Platz herunter, und Monika musste in dem grellen Licht die Augen zusammenkneifen. Sie zog ihre Sonnenbrille an und überquerte dann den Platz, immer vorsichtig auftretend, um mit ihren hohen Absätzen auf dem unebenen Kopfsteinpflaster nicht ins Stolpern zu geraten. Wie immer blieb sie vor dem Münster einen Moment stehen und blickte staunend zur Kirchenfassade und den beiden schlanken Türmen empor. Am schönsten wirkte das Münster jetzt, am frühen Abend, wenn die tieferstehende Sonne den rötlichen Sandstein der Westfassade in ein zauberhaftes Licht tauchte und alle Konturen kristallklar hervortreten liess. Und am besten gefielen Monika die beiden überlebensgrossen Skulpturen zu beiden Seiten des riesigen Hauptportals. Links, am Fuss des Georgsturmes, war das Reiterstandbild des Heiligen Georg, der von seinem Pferd aus dem feuerspeienden Drachen mutig den Speer in den Rachen stösst. Rechts, unter dem Martinsturm, ritt der Heilige Martin, gerade im Begriff, seinen Mantel entzweizuschneiden, um ihn mit einem Bettler zu teilen.

      Monika warf einen letzten Blick auf das Münster, wandte sich nach rechts und ging dann gemächlich ein enges Gässchen hinunter zum Barfüsserplatz, wo sie im Schatten des Kioskhäuschens auf das Tram wartete. Es war schon siebzehn Uhr vorbei, aber immer noch sehr heiss. Der ganze Sommer war beinahe unerträglich heiss gewesen. Seit Anfang Juli hatte die Stadt förmlich geglüht, und auch in der Nacht war die Temperatur häufig nicht unter zwanzig Grad gefallen.

      Mit dem Tram Nummer sechs fuhr Monika bis zur Station Burgstrasse in Riehen. Von hier waren es nur noch zweihundert Meter bis zu ihrer Wohnung im Dachgeschoss eines vor sieben Jahren erbauten Fünffamilienhauses. Als sie ihr Wohnzimmer betrat, blieb ihr fast die Luft weg, und ein Blick auf das Thermometer bestätigte es: Einunddreissig Grad im Raum, und das, obwohl sie morgens die Sonnenblenden heruntergelassen hatte! Hoffentlich kühlt es wenigstens nachts ein wenig ab, dachte sie. Aber ich gehe jetzt trotzdem, wie jeden Montag, eine Runde im Wald laufen, wenn auch vielleicht wegen der Hitze etwas langsamer als üblich.

      Der Montag war, wie schon im Vorjahr, Monikas strengster Schultag. Sieben Lektionen in Geschichte und Geografie, das war schon sehr ermüdend. Deshalb hielt sie sich den Montagabend immer ganz frei. Sie nahm keine Arbeit nach Hause, traf keine Verabredungen, und die Lektionen vom Dienstag bereitete sie jeweils schon am Wochenende vor. Der Montagabend gehörte nur ihr allein: Nach dem Waldlauf würde sie eine Dusche nehmen und dann auf dem schönen Balkon eine gemütliche kleine Mahlzeit mit einem Glas Rotwein zelebrieren.

      Um zehn nach sechs verliess sie im Sportdress das Haus und trabte locker dem etwa dreihundert Meter entfernten Waldrand entgegen. Immer noch brannte die Sonne heiss auf den Asphalt. Doch kaum hatte Monika den Waldesschatten erreicht, wurde es schlagartig um einige Grade kühler. Sie atmete tief durch und beschleunigte ihr Tempo. Da bemerkte sie, wie ihr ein Mann im gemütlichen Spazierschritt entgegenkam. Oh je, das ist ja Andreas Vischer, was macht denn der hier? Wie peinlich, dachte sie, am besten halte ich gar nicht an. Sie hob eine Hand zum Gruss und wünschte ihm im Vorbeilaufen noch einen schönen Abend. Andreas Vischer blickte sie mit einem Lächeln an, hob ebenfalls die Hand und schlenderte dann weiter in Richtung Waldrand.

      Nach einer längeren, fast schnurgeraden Strecke auf einem breiten Waldweg bog Monika nach rechts in einen schmalen Pfad ab, der quer durch ein grösseres Waldstück mit dichtem Unterholz führte. Das war ihre Lieblingsstrecke. Während auf den breiten Wegen meist viele Jogger und Spaziergänger mit Hunden unterwegs waren, traf man auf diesem schmalen, gewundenen Wegstück kaum je andere Menschen an. Der kleine Pfad wurde nicht gepflegt, und immer wieder musste Monika sich im Laufen bücken oder kurz zur Seite hüpfen, um herabhängenden Zweigen auszuweichen. Sie genoss dieses kleine Abenteuer immer, und ausserdem war dies ein gutes Koordinationstraining für die Muskulatur.

      Plötzlich schrak sie auf. Was ist denn das? Neben ihr raschelte und knackte es im Geäst. Ein Reh so nahe? Sie verlangsamte ihr Tempo. Nein, es ist doch ein Mensch! Abrupt blieb sie stehen und wandte sich nach rechts. Der Angstschrei blieb ihr im Halse stecken. Sie fühlte einen harten Schlag auf den Kopf, taumelte zu Boden, versuchte vergeblich, den zweiten Schlag abzuwehren, sah noch die Messerklinge aufleuchten, und dann wurde alles schwarz.

      

       Dienstag, 11. August 2015

      Lukas Lauber und Anna Auer parkten am Waldrand, wo ein hagerer, etwa siebzigjähriger Mann, der einen grossen schwarzen Pudel an der Leine hielt, auf sie wartete und, als sie ausstiegen, sofort zu sprechen begann.

      »Bühler, Armin Bühler ist mein Name. Ich wohne in der Keltenstrasse und gehe jeden Morgen mit meinem Blacky in den Wald. Heute begann er plötzlich, wie verrückt zu schnüffeln und zu winseln, und zog mich nach rechts auf einen kleinen Pfad ins Dickicht hinein. Und da lag sie in ihrem Blut… Ich bin übrigens sicher, dass ich die Frau kenne, dass ich sie schon oft hier im Wald gesehen habe. Ich glaube, sie wohnt bei Marta Hadorn im Haus…«

      »Also gehen wir endlich«, erwiderte Lukas Lauber unwirsch, und sie folgten dem Mann in den Wald hinein.

      Die tote Frau lag auf dem Rücken, den Kopf nach links gedreht, Arme und Beine weit von sich gestreckt. Ihr weisses T-Shirt war zerrissen und blutgetränkt. Die drei Männer von der Spurensicherung waren bereits an der Arbeit. Sie fotografierten die Tote von allen Seiten und suchten die Umgebung sorgfältig ab. Einige Meter entfernt stand Rechtsmediziner