Wassergeld. Harald Schneider

Читать онлайн.
Название Wassergeld
Автор произведения Harald Schneider
Жанр Триллеры
Серия
Издательство Триллеры
Год выпуска 0
isbn 9783839234921



Скачать книгу

      »So, und was machen Sie den Rest des Tages?«, begann ich meinen Rauswerferdialog.

      Er stotterte vor sich hin, ohne einen verständlichen Satz hervorzubringen.

      »Sie haben doch sicher Verständnis dafür, dass wir Sie bei unserem Einsatz nicht mitfliegen lassen dürfen?«

      »Ja, ja«, kam es endlich aus seinem Mund. »Die Frequenzen dürfen Sie mir nicht sagen, oder?«

      »Herr Becker, ich bin froh, dass ich halbwegs weiß, was eine Frequenz ist. Erstens habe ich keine Ahnung, welche Frequenz benutzt wird, dafür haben wir schließlich Fachleute, zum Zweiten dürfte ich Ihnen diese nicht geben. Sie werden es im Radio hören, wenn wir die Gauner geschnappt haben. Und kommen Sie ja nicht auf die Idee, über die Geschichte einen Krimi schreiben zu wollen. Das funktioniert nämlich nicht, weil wir keinen Toten haben. Einen Krimi ohne Leiche wird kein Verlag drucken wollen.«

      Nach einem kurzen Zögern verließ uns der Student.

      Mir fiel im gleichen Moment etwas existenziell Wichtiges ein. »Du, Gerhard, ich müsste dringend Stefanie anrufen und Hunger habe ich auch.«

      Gerhard schaute mich an, als wäre ich ein kleines Kind. »Dann ruf sie doch an. Wo liegt da das Problem?«

      Ohne ihm zu antworten, ging ich zu meinem Wagen. Nach kurzer Suche fand ich das Handy in meinem Handschuhfach. Ich schaltete es ein, und – oh Wunder – es besaß noch genügend Restenergie, um eine Verbindung zustande zu bringen. Leider nahm Stefanie nicht ab. Wo sie wohl sein mochte? Ich musste sie dringend dazu überreden, sich endlich einmal ein Handy zuzulegen. Solch eine segensreiche Erfindung sollte heutzutage eigentlich jeder bei sich haben. »Was ist mit dir, Gerhard? Willst du deine Alexandra anrufen?« Ich hielt ihm stolz mein Handy hin.

      »Katharina. Sie heißt Katharina. Ne, du, die ist um die Zeit arbeiten.«

      »Deine Freundin arbeitet am Samstag? Wo ist sie denn beschäftigt?«

      Gerhard zuckte mit den Schultern. »So genau habe ich sie das noch nicht gefragt. Was ist, wollen wir schnell etwas essen gehen? Als wir herfuhren, habe ich ein paar Meter weiter vorne an der Straße einen Imbiss gesehen.«

      Dort, wo die Hafenstraße und die Parkstraße in einem spitzen Winkel aufeinandertrafen, befand sich ein einstöckiges Gebäude, das aus der Vogelperspektive wie ein niedergelegter Torbogen aussah. Das Halbrund bestand aus den für einen Kiosk typischen Fensterscheiben. Ich bestellte mir eine Currywurst, einen Cheeseburger, eine große Portion Pommes mit Mayo sowie eine Flasche Cola Light zur gesundheitlichen Abrundung meines in letzter Zeit etwas herausgewachsenen Profils. Gerhard beließ es bei kleineren Portionen. Während wir uns schmatzend unterhielten, bremste ein Wagen. KPD stieg aus und kam auf uns zu.

      »Hier finde ich Sie also, meine Herren!«, begrüßte er uns vorwurfsvoll. »Wir haben in der Vorderpfalz die vielleicht größte Krise seit dem Zweiten Weltkrieg und Sie stehen friedlich vor diesem Etablissement und essen.«

      »Ohne Mampf kein Kampf«, entgegnete ich ihm mit nicht ganz leerem Mund und dabei segelten ein paar Brocken Fleisch an ihm vorbei.

      »Der Helikopter wird gerade präpariert und dabei stören wir bloß«, versuchte Gerhard, eine plausible Lösung anzubieten.

      Unser Chef schaute auf die Uhr. »Da fällt mir ein, dass ich heute auch noch nicht zu Mittag gegessen habe. Frau Wagner ist zu beschäftigt, um sich um meine Lachsschnittchen zu kümmern.« Er drehte sich zu der muskulösen Dame um, die im Kiosk stand. »Würden Sie mir bitte die Speisekarte bringen?«

      »Hä?«, kam es aus dem Innern des Häuschens. »Guck uff die Dafel do unne, do steht alles druff.« Sie zeigte unwirsch auf eine Tafel, die vor dem Kiosk auf dem Boden stand.

      Unser Vorgesetzter registrierte höchstwahrscheinlich nur die Handbewegung, die Sprache dürfte ihm fremd gewesen sein. Er blickte auf das Speisenangebot.

      »Ah ja«, meinte er nach kurzer Überlegung, »haben Sie das Rindersteak auch als Entrecôte Chauteau in very rare?«

      Der Dame schienen die Augäpfel aus dem Schädel zu springen. »Die Fleschbrocke liegen seit heit morsche uff’m Grill. Was willscht dezu? Pommes un ä Bier?«

      Ohne auf eine Antwort zu warten, drehte sich die Dame um und knallte mit einer Plastikgabel ein Steak auf einen Pappteller. Als sie KPD das fertige Menü und die offene Flasche Bier hinstellte, wusste er nicht, dass er gemeint war.

      »Was ist das?«, fragte unser Chef vorsichtig.

      »Na, dei Esse«, antwortete die resolute Kioskbesitzerin und steckte sich eine Gauloises in den Mund.

      Aus dem Augenwinkel heraus sah ich, wie sich Gerhard vor zurückgehaltenem Lachen fast einnässte. Auch mir erging es nicht viel besser. »Das haben Sie eben bestellt, Herr Diefenbach«, erklärte ich ihm möglichst steif. »Probieren Sie mal die knusprigen Pommes, die schmecken exzellent. Und das Bier ist immerhin Pilsner Brauart, ein Exportbier würde ich an Ihrer Stelle nicht anrühren.«

      Pikiert wandte sich KPD von dem Pappteller ab. Nachdem er sichtbar mit seiner Fassung gerungen hatte, wurde er sachlich. »Ich habe heute Morgen mit dem Landrat konferiert. Er überlässt alles Weitere mir.« Stolz drückte er seine Brust heraus. »Der Landrat weiß halt um meine Fähigkeiten als Katastrophenmanager.«

      Bisher hatte er immer nur seine eigenen Katastrophen gemanagt, dachte ich.

      »Ich habe alles geplant. Während sich die anderen Hilfsdienste um den Deichbruch und die Camper kümmern, schnappen wir uns die Erpresser. Ich rechne mit einer deutschlandweiten Presse. Frau Wagner ist gerade dabei, diverse Fernsehanstalten und Presseagenturen anzurufen.«

      Gerhard konnte das Gesülze nicht mehr ertragen. »Und wie sieht Ihr Plan nun aus, Herr Diefenbach?«

      »Ach so, ja, der Plan. Herr Palzki wird nachher mit im Hubschrauber sitzen. Über die geforderte Frequenz wird ständig automatisch die per GPS gemessene Position des Hubschraubers durchgegeben. Sobald die Erpresser sich melden, wird Herr Palzki die Anordnungen auf einer anderen Frequenz an Sie und Ihre Kollegin Wagner weitergegeben, Herr Steinbeißer. Sie koordinieren dann den Einsatz unserer Fänger. Wir werden 20 Streifenwagen und 15 Zivilfahrzeuge in Rheinland-Pfalz und Baden-Württemberg zur Verfügung haben. Herr Palzki wird auch alle anderen Besonderheiten, die eventuell während des Fluges auftauchen, per Funk an Sie, Herr Steinbeißer, durchgeben. Wir können uns keine Zeitverzögerung leisten. Egal, an welchem Punkt die Kiste abgeworfen wird, das Zielgebiet muss eine Minute später unter Kontrolle sein.«

      So ein Mist, jetzt war es sicher. Ich musste in das fliegende Gerät steigen. Wenn das mal gut ginge.

      »Was halten Sie von meinem Plan?« Wir nickten zustimmend und synchron. »Dann werde ich gleich wieder losfahren. Ich habe noch einen Friseurtermin. Die Pressekonferenz habe ich für morgen früh um 10 Uhr angesetzt. Staatsanwalt Borgia wird auch daran teilnehmen.«

      Borgia, der hatte mir gerade noch gefehlt. Zum Glück hatten wir in diesem Fall keinen Tatort, an dem mir diese Witzfigur von Staatsanwalt über den Weg laufen konnte.

      »Herr Diefenbach, können Sie mich nach Schifferstadt mitnehmen, wenn es Ihnen nichts ausmacht?«

      Gerhard hatte recht, ich musste hierbleiben und wir waren in einem Auto gekommen.

      »Von mir aus, steigen Sie ein«, antwortete KPD. »Wir fahren gleich los. Machen Sie es gut, Herr Palzki. Ich werde den Funkverkehr zusammen mit Frau Wagner und Herrn Steinbeißer verfolgen. Wir treffen uns anschließend bei der Festnahme der Ganoven. Ach übrigens, in der Kiste sind, wie ich bereits deutlich gemacht habe, nur alte Zeitungen. Das muss aber niemand wissen, ist das klar? Wie sollten wir auch 50 Millionen Euro in 500er- Scheinen so schnell auftreiben? Es gibt rheinland-pfälzische Wirtschaftsminister, die monatelang vergeblich versucht haben, an so viel Geld ranzukommen.«

      Nachdem die beiden verschwunden waren, schaute ich mir das liegen gebliebene Menü an. Bier, selbst ein Pils, kam jetzt wirklich nicht infrage und durch die herrschenden Temperaturen war das Steak inzwischen genauso kalt wie die Flasche. Dummerweise hatte KPD vergessen zu bezahlen,