Название | Religionsgeschichte Anatoliens |
---|---|
Автор произведения | Manfred Hutter |
Жанр | Документальная литература |
Серия | |
Издательство | Документальная литература |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783170269767 |
[Du], Mezzulla, meine Herrin, (bist) für den Wettergott und die Sonnengöttin von Arinna die geliebte Tochter. Was du, Mezzulla, meine Herrin, dem Wettergott, deinem Vater, und der Sonnengöttin von Arinna, deiner Mutter, sagst, das hören sie. Sie weisen es nicht (zurück).
Ḫattušilis Annalen-Text zeigt somit unübersehbar, dass die Sonnengöttin und der Wettergott an der Spitze des »offiziellen« Pantheons des Staats stehen, was auch dem schon vorhin zitierten Palastbauritual (KUB 29.1 i 17–27) entspricht, wenn dem König das Land von der Sonnengöttin und dem Wettergott zur Verwaltung gegeben wird und er diese beiden Gottheiten metaphorisch als Mutter und Vater bezeichnet.
Ein weiteres Charakteristikum der offiziellen Götterwelt in der althethitischen Zeit ist die Bedeutung einzelner Schutzgottheiten, die ebenfalls dem hattischen Milieu entstammen. Einige von ihnen sind eng mit der Jagd verbunden, so dass man vermuten kann, dass ihr Ursprung – zumindest teilweise – in einer weiter zurückreichenden Epoche liegt, von der wir allerdings kein schriftliches Quellenmaterial besitzen. Die Bedeutung dieser Gottheiten geht – wie Gregory McMahon hervorgehoben hat – in der althethitischen Zeit so weit, dass sie nach dem Wettergott und der Sonnengöttin von Arinna (mit ihrer Tochter Mezzulla) praktisch den dritten Rang im Pantheon einnehmen.32 Wenn man in Inar eine der hethitischen Schutzgottheiten sehen darf, deren Name sich hinter der ideographischen Schreibung DLAMMA verbirgt,33 so bietet zumindest der Illuyanka-Mythos mit der Übergabe des »Hauses« an den König einen Anknüpfungspunkt für die (zeitweilige) wichtige Rolle der Schutzgottheit im Staatspantheon.
Damit ist eine erste Zusammenfassung für die althethitische Zeit angebracht: Die politische hethitische Oberschicht übernimmt weitgehend die hattischen Götter in ihr »Staatspantheon«, wobei offensichtlich politische Räson mitgespielt hat. Für den weiteren Verlauf der hethitischen Religionsgeschichte ist dabei als Kontinuum zu betonen, dass vor allem die Vorrangstellung von Sonnengöttin und Wettergott bis zum Ende der hethitischen Zeit sichtbar bleibt; allerdings kommt es auch zu Erweiterungen und Gleichsetzungen mit lokalen Gottheiten, und lokale Kulte werden in Beziehung zum Staatskult gebracht.34 Dabei scheinen solche Prozesse im Laufe der hethitischen Geschichte zugenommen zu haben, um durch die Schaffung von Beziehungsgeflechten zwischen lokalen Göttern und dem Staatspantheon auch zur Festigung der politischen Interessen beizutragen.
2.1.2 Einige hattische Gottheiten
In der althethitischen Zeit gibt es keine »kanonischen« Götterlisten, die eine genormte Reihenfolge von Götterhierarchien festlegen würden. Allerdings lässt sich anhand von Opferlisten in Festen erkennen, welche Götter innerhalb eines Kultes »wichtig« waren, so dass man daraus zumindest indirekt deren große Wertschätzung in althethitischer Zeit ableiten kann. Dass die Sonnengöttin und der Wettergott die Spitzenposition innehatten, kam schon zur Sprache, so dass hier nur noch andere hattische Götter zu nennen sind. Zu Beginn einer Opferrunde beim KI.LAM-Fest betritt der König den Tempel der Sonnengöttin, um dort Gottheiten durch Opfer und Musik zu verehren. Obwohl der Text nicht vollständig erhalten ist, lassen sich 14 Namen feststellen:35 [Sonnengöttin, Mezzulla], Wettergott, Wašezzili, Inar, [Ḫabantali], Herrin des Palastes, Zababa, Tahampiwu, Waḫzašu, Kataḫḫi, [Telipinu], Ḫašammi, Ḫaratši. Im weiteren Verlauf dieser Opferzeremonie findet ein detaillierter beschriebenes Trinkzeremoniell mit Musikbegleitung für die Gottheiten im Tempel statt, jedoch sind die dabei aufgeführten Götter nicht völlig identisch mit den vorhin Genannten, da wir folgende Aufzählung finden:36 [Sonnengöttin, Mezzulla], Wettergott, Wašezzili, Inar, Ḫabantali, Mondgott, Kunzanišu, Ḫulla, Telipinu, Zababa, (vergöttlichter) Tag, Galzu, Zaiu. Aus verschiedenen, auch junghethitischen Texten ließen sich noch weitere Götternamen, die im Rahmen dieses Festabschnittes mit einem Trinkzeremoniell verehrt werden, hinzufügen.37 Vergleicht man dabei die Liste zu Beginn des Festabschnittes und die (deutlich umfangreichere) Liste in den detaillierten Angaben zum Trinkzeremoniell, so sind die weitgehenden Übereinstimmungen vor allem zu Beginn des Zeremoniells zu finden. Daraus kann man auf die Bedeutung dieser Gottheiten schließen, während im weiteren Festverlauf auch unbedeutendere, vielleicht nur lokale Gottheiten in die Kulthandlung einbezogen werden.
Einige der in diesen Aufzählungen erwähnten Götter kamen vorhin schon zur Sprache, wobei viele hattische Götter hauptsächlich in Texten zu Festen, die aus dem hattischen Milieu stammen, belegt sind – meist in relativ stereotyper Formulierung, so dass es schwierig ist, detaillierte Aussagen über deren Rolle und Aufgaben innerhalb der religiösen Praxis zu machen. Ebenfalls erschwert wird die präzise Bestimmung der Aufgaben mancher hattischer Gottheiten durch den bislang nur unzureichenden Kenntnisstand über hattische Wortbedeutungen. Franca Pecchioli Daddi hat – als wichtigen Schritt in der Deutung – verschiedene Götternamen analysiert.38 Dabei konnte sie einerseits zeigen, dass in manchen Fällen individuelle Namen – z. B. Taru oder Inar – vorliegen, in anderen Fällen jedoch Substantive als Göttertitel bzw. Götternamen verwendet werden. Dazu gehören z. B. Kataḫḫa (»die Königin«), Tappinu (»die Tochter«) oder Zintuḫi (»die Enkelin«). In wieder anderen Fällen ist der Gottesname oder Titel eine Ableitung von Ortsnamen, so z. B. Ariniddi für die Sonnengöttin von Arinna oder Ziplantil für den (lokalen) Wettergott von Ziplanta. Andere Namen stellen Komposita dar, z. B. Wurunkatte (»der König des Landes«) oder Wurunšemu (»die *[se]mu des Landes«). Wieder andere Namen sind Komposita aus einem Adjektiv und einem Substantiv, z. B. Telipinu (»der erhabene/große Sohn«), Kataḫzipuri (»die Königin der Erde«) oder Tetešḫapi (»die erhabene Göttin«). Als besondere Gruppe nennt Pecchioli Daddi schließlich noch jene Namen, die mit dem Suffix -šu gebildet werden.39 Diese letztere Gruppe scheint eng zusammengehörige Götter zu umfassen, die vor allem in Festen der althethitischen Zeit im Norden Anatoliens verehrt wurden, wobei Teile dieser Festtraditionen (und die Götter) bis in die Großreichszeit in den beiden großen Jahreszeitfesten im Frühling (AN.TAḪ.ŠUM-Fest) und im Herbst (nuntarriyašḫa-Fest) weiter rezipiert wurden.
Fasst man die Rolle der hattischen Götter zusammen, so prägen sie das Pantheon der althethitischen Zeit sowohl des Staatskults als auch der lokalen Kulte. Wahrscheinlich darf man annehmen, dass diese Götter auch in der alltäglichen Religionsausübung der Bevölkerung verehrt wurden, die zum Großteil in der althethitischen Zeit in Ḫattuša hattisch gesprochen hat bzw. in der »politischen« Oberschicht wohl hattisch-hethitisch zweisprachig war. »Fremde« Götter – außer den palaischen Göttern, auf die in einem späteren Abschnitt noch eingegangen wird – spielen im »Pantheon« der althethitischen Zeit keine Rolle.
2.2 Die alten hattischen Kultstädte und die Hauptstadt Ḫattuša
Es entspricht dem dominierenden hattischen Milieu, dass neben der religiösen Bedeutung der Hauptstadt Ḫattuša auch drei alte Kultorte eine besondere Stellung im »Staatskult« einnehmen und sich dadurch auch von lokalen Kultzentren, auf die später einzugehen ist, unterscheiden. In Paragraph 50 der hethitischen Gesetze, deren ältestes Exemplar in althethitischer Schrift geschrieben ist, wird der Sonderstatus der drei alten Städte wie folgt umschrieben:40
Der …-Mann, der in Verantwortung (?) über Nerik steht, der als Priester in Arinna (oder) in Ziplanta ist, deren Familien (wörtlich: »Häuser«) sind in jeder Stadt frei, nur ihre Verbündeten haben Arbeitsverpflichtungen.
Die Kultorte Nerik, Arinna und Ziplanta spielten im Kult eine wichtige Rolle, so dass im Laufe der Geschichte mehrfach hochrangige Mitglieder der königlichen Familie in jenen Städten als Priester fungierten, was ebenfalls die besondere Stellung dieser Städte verdeutlicht. Ferner empfingen diese Priester aus Anlass der größeren Feste besondere Rationen von Nahrung oder verschiedene Güter. Auch königliche Geschenke bzw. Tribute wurden manchmal an diese Kultstädte und deren Priester übersandt. Solche Sonderregelungen galten dabei bis in die Spätzeit des Großreiches, wobei auch andere Städte gelegentlich oder zeitweilig eine solche bevorzugte Stellung als »Kultstadt« mit allen Vergünstigungen erlangen konnten, wie beispielsweise Tarḫuntašša in der Regierungszeit Tudḫaliyas IV. im letzten Drittel des 13. Jahrhunderts.41