Triest. Heinz Tomek

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Название Triest
Автор произведения Heinz Tomek
Жанр Книги о Путешествиях
Серия
Издательство Книги о Путешествиях
Год выпуска 0
isbn 9783990401668



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auszeichnet. Die Durchschnittstemperaturen betragen im Sommer 25° C, im Herbst 16° C, im Winter 8° C und im Frühling 15° C, im Jahresmittel 15,6° C. Die Statistik weist pro Jahr nur 8 Frostnächte auf, dafür aber 2 500 Sonnenstunden. Das Wasser der Oberen Adria erreicht im Hochsommer in Küstennähe bis zu 27° C. Der jährliche Niederschlag beläuft sich auf durchschnittlich 940 mm, die relative Luftfeuchtigkeit auf 64 %.

      Ob man es glaubt oder nicht: in der „Stadt der Winde“ herrscht an beinahe 200 Tagen im Jahr Windstille, das sind mehr Tage ohne Wind als in den meisten anderen Orten am Mittelmeer. Freilich, die Bora, der plötzlich aufkommende kalte, meist trockene Fallwind aus Nordosten, der im Winter in starken Böen vom Land auf das offene Meer bläst, hat es in sich. Manchmal bringt die Bora Nera sogar Eisregen und Schnee mit. Sie wird durch das Hochplateau kanalisiert, ballt sich in der Bucht von Triest zusammen und fegt mit bis zu 200 Kilometern pro Stunde durch die Stadt. Dann steht fast alles still, die Triestiner bleiben lieber in ihren Häusern. Müllcontainer, die durch die Luft wirbeln, entwurzelte Bäume und ein Tempolimit von 40 km/​h auf den Autobahnen sind keine Seltenheit, wenn die Bora Hochsaison hat. Sie bläst zu jeder Jahreszeit, vor allem aber im Winter. Bis zu vierzehn Tage kann das Schauspiel dauern, im Sommer hält die Bora meistens nicht länger als ein paar Stunden an. Ihre Höhepunkte erreicht die Bora fast immer zwischen 7 und 11 Uhr und zwischen 18 und 22 Uhr. Die Menschen haben mit der unkontrollierbaren Kraft zu leben gelernt, obwohl sie schon immer Schrecken und Faszination auslöste. Schon Stendhal berichtet über die Bora, vor der man „Angst haben muss, sich den Arm zu brechen“.

      Vergleichweise harmlos erscheinen dagegen die drei anderen Winde, die für das Triestiner Klima charakteristisch sind. Der sommerliche Mistral oder Maestrale ist eine leichte Brise aus Nordwest, die vom Meer Richtung Land weht und heiße Nächte abkühlt. Der Scirocco, ein warmer, feuchter Ost-Südostwind, wird vom Frühjahr bis zum Herbst in der Regel von schweren Wolken und heftigen Regenfällen begleitet. Im Gegensatz zur Bora ist er meist ein konstanter Wind ohne heftige Böen. Der Libeccio kommt aus dem Südwesten, Libyen klingt schon im Namen an.

      Triest ist ein Ziel für alle Jahreszeiten, am angenehmsten sind freilich Frühjahr und Herbst, wenn man die Natur der Umgebung ebenso wie Museen, Kaffeehäuser und Shopping genießen kann. In den Hochsommerwochen rund um ferragosto (15. August), wenn die Massen zu den Stränden ziehen, sollte man es den Triestinern gleich machen und erst abends zu einem Stadtbummel aufbrechen.

      Wirtschaft

      An vollmundigen Versprechungen und kühnen Projekten mangelt es nicht, um den nach Genua zweitgrößten Hafen Italiens aus seinem wirtschaftlichen Tief herauszuholen. Der jüngste Plan sieht einen gigantischen Ausbau der Häfen von Triest und Monfalcone vor, mit dem deren Kapazitäten wesentlich ausgedehnt werden sollen. Mit einem integrierten und vollautomatisierten logistischen System will man den Schiffsverkehr zwischen Asien und Europa hierher verlagern und eine Alternative zum Riesenhafen von Rotterdam bieten. Ob das Milliardenprojekt in nächster Zeit realisiert werden kann, ist angesichts der allgemeinen Sparzwänge mehr als fraglich.

      Derzeit beläuft sich der Warenverkehr im Triestiner Hafen auf etwa 50 Mio. Tonnen pro Jahr, davon sind 35 Mio. Tonnen Rohöl, das über die Transalpin-Pipeline nach Österreich (Schwechat), Deutschland (Ingolstadt) und Tschechien weitergeleitet wird. Der Großteil der restlichen Waren besteht aus Holz, Kohle, Mineralstoffen, Getreide und Kaffee. Das umgeschlagene Containervolumen liegt bei jährlich 250 000 (Rotterdam: mehr als 9 Mio.), für knapp 200 000 Passagiere ist Triest Ankunfts- oder Abfahrtshafen.

      Größtes Problem ist nicht die Kapazität der 2,3 Mio. Quadratmeter großen Hafenanlagen mit ihren 12 Kais und nahezu 50 Anlegeplätzen, sondern die Anbindung an Straße und Schiene. Dringend erforderlich wäre ein Ausbau der längst zu einem Nadelöhr mit kilometerlangen LKW-Staus gewordenen Autobahn Triest – Venedig sowie der Schienen-Infrastruktur, ist doch die derzeitige Bahnlinie bereits mehr als 150 Jahre alt. Das 2006 mit einem „Letter of Intent“ zwischen Polen, Tschechien, der Slowakei, Österreich und Italien besiegelte Großprojekt „Baltisch-Adriatische Achse“ soll dazu beitragen, die europäischen Verkehrsströme dem Wandel der wirtschaftlichen Gegebenheiten anzupassen.

      Auch als Zentrum für Handel und Dienstleistungen braucht Triest dringend verbesserte Verkehrswege zu Land. Immerhin hat Italiens größter Versicherungskonzern, die 1831 hier gegründete Assicurazioni Generali, nach wie vor ihren Hauptsitz in der Hafenstadt, von der aus die weltweiten Aktivitäten der Gruppe koordiniert und gesteuert werden.

      Einen wichtigen Schritt in die Zukunft hat man bereits 1982 mit der Errichtung des „AREA Science Park“ in der Karst-Hochebene zwischen Padriciano und Basovizza gewagt. Mit derzeit 88 Unternehmen, Forschungslabors und Beratungseinrichtungen – das Spektrum reicht von der Finanzwelt über Dienstleistungen, Hi-Tech, Physik, Informatik und Umwelt bis hin zu Medizin – sowie 2 600 Beschäftigten gilt die Anlage heute als einer der international renommiertesten Technologieparks (Infos unter www.area.trieste.it).

      Am Schnittpunkt der Kulturen nimmt das Thema Bildung einen großen Stellenwert ein. Die Universität Triest (Università degli Studi di Trieste) wurde 1924 gegründet und musste zunächst im Spannungsfeld der habsburgischen beziehungsweise italienischen Vorherrschaft während des Ersten und, später, während des Zweiten Weltkriegs einige stürmische Zeiten durchleben.

      Begonnen hatte man mit einer juridischen und wirtschaftlichen Fakultät, bald kamen Philosophie und Philologie hinzu. Heute gibt es in Triest 12 Fakultäten und knapp 20 000 Studierende. Müßig zu erwähnen, dass sich unter den Persönlichkeiten aus dem Universitätsbereich nicht nur bekannte Wissenschafter, sondern auch renommierte Schriftsteller befinden, darunter Claudio Magris. In den seit einigen Jahren italien- und weltweit durchgeführten Universitätsrankings schneidet die Universität Triest jedenfalls stets sehr gut ab.

      Von kosmopolitischem Zuschnitt ist aber auch die Internationale Schule in Triest, die 1964 gegründet wurde und ihren Sitz hoch oben im luftigen Vorort Opicina hat. Vom Kindergarten bis zur Maturaklasse wird hier von hochqualifizierten muttersprachlichen Lehrern in englischer Sprache unterrichtet, natürlich mit Italienisch als fixem Bestandteil des ambitionierten und innovativen Lehrplans.

      Eine weitere Kaderschmiede befindet sich gleich in der Nähe von Triest, nämlich in Duino. Ausgewählte Schüler aus etwa 80 Nationen dürfen hier mittels Leistungsstipendium zwei Jahre lang das „United World College of the Adriatic“ besuchen, das eines von weltweit dreizehn UWCs darstellt. Die Schwerpunkte der hier gebotenen Ausbildung, die mit einem Diplom (und damit einer Universitätszugangsberechtigung) abschließt, liegen nicht nur im sprachlichen, kreativen oder auch naturwissenschaftlichen Bereich, sondern in speziellen Projekten zur Förderung der sozialen Kompetenz.

      Es kann nicht nur das magische Kreativzentrum Kaffeehaus gewesen sein, weshalb sich Triest in seiner kurzen Glanzzeit zu einer der literarischen Hauptstädte Mitteleuropas entwickelte. Die Multinationalität dieser Stadt, die kulturelle Strömungen aus allen Himmelsrichtungen aufsaugte, schuf ein geistiges Klima, in dem etwa in den letzten drei Jahrzehnten des 19. Jahrhunderts nicht weniger als 560 Zeitungen und Zeitschriften in verschiedenen Sprachen gedeihen konnten.

      Anhand lebensgroßer Statuen von Nino Spagnoli kann man in Triest auf den Spuren der berühmtesten Dichter und Schriftsteller wandeln, die hier geboren wurden, eine Zeit lang gelebt oder die Stadt zum Schauplatz ihrer Werke gemacht hatten. Am Ponte Rosso über dem Canal Grande begegnet man dem großen Iren James Joyce (1882 – 1941). In Bronze gegossen, mit einem Hut auf dem Kopf, die linke Hand lässig in der Hosentasche – in der Pose eines in Gedanken versunkenen Spaziergängers steht