Mordgelüste in der Schlossklinik Buchenhain. Herbert Seibold

Читать онлайн.
Название Mordgelüste in der Schlossklinik Buchenhain
Автор произведения Herbert Seibold
Жанр Юриспруденция, право
Серия
Издательство Юриспруденция, право
Год выпуска 0
isbn 9783957448330



Скачать книгу

Hüften mit dem Doppelhöcker – ja, es gibt Männer, die stehen darauf. Dafür hat sie einen beschwingten Gang und einen knackigen Hintern. Wenn ich ein Schwabe wäre, würde ich sagen: Dia isch scho recht!“

      Doktor Mai hatte mit Frauen nicht so viel am Hut. Deshalb konnte er nur mit dem Pathologen zusammen so locker daherreden und lästern. Er war ein bisschen kauzig. Das hing wohl mit seinem Beruf zusammen, in dem er, ständig umgeben von Giften und Chemikalien, als „Säulenheiliger“ – so werden intern Spezialisten für die säulenchromatographische Auftrennung und Bestimmung von Substanzen genannt – vor sich hin forschte.

      Jetzt stand er mit den Kommissaren im Flur in der Nähe der Intensivstation. Weil keine Leiche zu begutachten war, konnte man auf die Anwesenheit des forensischen Pathologen verzichten. Von der Abteilung Forensik war er heute allein da. Sein Chef, Professor Krautmann, war im Urlaub. Jetzt war er der Chef. Er setzte sein besonderes, vielleicht etwas verklemmtes Lächeln auf und wandte sich an Gertrude: „Wollen wir beide auf der Intensiv vorbeischauen? Wir müssen uns noch die Injektionsspuren anschauen – angeblich hat ein Doktor Gscheidle so was in der rechten Ellenbeuge gefunden und ich will dafür sorgen, dass zur Bestimmung möglicher betäubender Substanzen Blut abgenommen wird. Dann kann ich gleich mit den Asservaten verschwinden und euch möglichst schnell allein lassen. Unser Fast-Mediziner Joe hat ja den Ablauf des Verbrechens in seinem Superhirn schon richtig zusammengestellt!“

      „Herr Doktor Mai, wirklich witzig!“, antwortete ihm scheinbar entrüstet Joe Moser und lächelte in Richtung Gertrude: „Geh nur – oder wartet noch eine Minute! Als Nächstes steht ja dann die Mitarbeiterbefragung an. Was wir brauchen, sind mögliche Motive und Täterprofile. Das läuft auf endlose Befragungen hinaus.“

      Gertrude stimmte ihm zu. „Aber was sein muss, muss sein oder hast du für heute schon genug?“

      Er überhörte die Bemerkung. „Welche Gruppe willst du? Die Ärzte oder die Pflege?“

      Sie dachte kurz nach. „Ich nehme gern die Schwestern. Die sind mir um einiges sympathischer als die testosterongedopten Pfleger und die Halbgötter in Weiß, die sich hinter der Berufsbezeichnung ‚Arzt‘ verstecken ebenso wie hinter ihrer Schweigepflicht.“

      Moser nickte. „Gut, Frau Kollegin. Das wird wie so oft ein langer Tag.“ Beide wussten, dass sie es nicht schaffen würden, heute noch alle Mitarbeiter zu befragen. Moser setzte Prioritäten. „Gertrude, du könntest mit der Pflegedirektorin beginnen. Ich kümmere mich um die Oberärzte, Chefärzte und den Apotheker. Und morgen nehm ich mir dann die Assistenten vor. Auch die, die frei hatten. Die Sekretärin von Muniel – ich habe kurz mit ihr gesprochen – eine bemerkenswert umsichtige Frau – hat schon alle benachrichtigt. Das Wichtigste ist augenblicklich, Spuren am Tatort zu finden und vor allem Fingerabdrücke. Doktor Mai, im Moment sind Sie unser wichtigster Mann.“

      Joe hatte kurz vorher mit dem Chef der Geriatrie, Professor Seneca, und dem Chef der Inneren Medizin, Professor Pfeiferlich, gesprochen, daher wusste er, welche Einschätzungen über Doktor Muniel kursierten. Er hatte sich schon Notizen gemacht und las Gertrude einige Kommentare und auch Äußerungen über und von Muniel vor: „‚Der hat nur Zahlen und Bilanzen im Kopf‘, ‚Mitarbeiter sind nur dazu da, herumkommandiert zu werden‘, ‚Die Namen der meisten kann man vergessen‘, ‚Wenn hier jemand meckern darf, dann ich.‘“

      Gertrude rümpfte die Nase und lachte kurz auf: „Der scheint ja ein besonders sympathischer Zeitgenosse zu sein und hat es wohl geschafft, von allen gehasst zu werden. Ich bin gespannt, was von Seiten der Pflege berichtet wird.“

      Joe bat sie noch: „Bitte erkundige dich bei der Sekretärin, ob man die Ehefrau erreicht hat.“

      Gertrude schaute auf die Uhr und stürzte mit Doktor Mai los zur Intensivstation. „Bis gleich.“

      Joe Moser war als Erster auf dem Wege zum Besprechungsraum, der von den Ärzten sonst als Bibliothek benutzt wurde. Er wollte dort mit seiner Kollegin und dem Hauptwachmeister Platzer die ersten Schritte besprechen. Bevor Gertrude eintraf, hatte er schon in nur zehn Minuten eine Liste von möglichen rein theoretisch Verdächtigen aufgesetzt, als Grundlage einer ersten Arbeitshypothese. Es gab sogar eine Wandtafel in diesem Raum und einen Flipchart. Gertrude war begeistert, dass Joe aus dem Handgelenk heraus eine Liste der Verdächtigen erstellt hatte. Sie nickte anerkennend, als Joe das Papier in die Hand nahm.

      „Möchtest du die Notizen auf dem Flipchart erstellen? Wir können zuerst mal ohne Selektion mögliche Verdächtige auf der linken Seite der Tafel festhalten und dann, wenn wir mehr Informationen haben, eine Wahrscheinlichkeitsordnung der am meisten Verdächtigen erstellen.“

      Gertrude ergänzte, dass sie auf der rechten Seite der Tafel gern Informationen, die sich für die Aufklärung positiv auswirken könnten, auflisten würde.

      „Okay.“ Joe nahm die Liste zur Hand und fragte: „Was meint ihr, wer als Täter oder Täterin infrage kommen könnte? Gertrude, wer hat die günstigste Gelegenheit zur Tat gehabt und das plausibelste Motiv?“

      „Ich weiß es noch nicht.“

      Joe schaute kurz auf die Tafel, zog das Jackett aus und fing an: „1. Ein gemobbter, hasserfüllter Arzt oder Pfleger mit Venenpunktionserfahrung, der entlassen wurde. 2. Ein Mann aus dem familiären Umfeld von Muniels Frau – ein Liebhaber?“

      Gertrude schlug vor: „3. Muniels Frau selbst? 4. Lobbyisten, die aus Konzernen mögliche Interessen, zum Beispiel einen Einstieg in Organtransplantationen, organisieren wollten, aber damit bei Muniel abgeblitzt sind.“

      Jetzt wollte auch der Hauptwachmeister was sagen und platzte heraus: „5. Ein Mann aus der Studienzeit, dem er die Frau ausgespannt hatte, der jetzt arbeitslos ist und eine arme Frau geheiratet hat.“

      Gertrude schaute ihn nur verdutzt an und ergänzte: „6. Ein Unbekannter, dessen Angehöriger von Muniel bei einem Verkehrsunfall getötet wurde? Gibt es einen Gerichtsvorgang? Einen Verkehrsdelikt, bei dem er beteiligt war?“

      Joe nickte und schlug noch vor: „7. Gibt es Angehörige, die stinksauer waren, weil Patienten mit Risikoprofil aus ökonomischen Erwägungen zu früh in weniger qualifizierte Krankenhäuser verlegt wurden? Herr Platzer, bitte rufen Sie doch gleich die Sekretärin von Muniel an wegen einer Liste abgelehnter und früh verlegter Patienten vom letzten Jahr und vor Ablauf der Probezeit entlassener Assistenten. Dann können Sie auch gleich erfahren, ob die Ehefrau sich schon gemeldet hat.“

      Herr Platzer strahlte, schlug die Hacken zusammen, machte eine Kehrtwendung und verschwand im Nebenraum. Er konnte es einfach nicht lassen. Dabei hatte er nur sechs Monate in der Bundeswehr verbracht.

      Joe fasste jetzt zusammen: „Unsere Ermittlungen laufen in viele Richtungen. Vorerst bleiben – wie immer zu Beginn – viele Fragen und leider gibt es noch keine Antworten. Welche Punkte sind am wichtigsten auf der Favoritenliste?“ Er zeigte auf die Nummer eins und sprach: „Für mich ist diese Gruppe die verdächtigste. Die Fingerabdrücke und DNA-Spuren sind leider noch nicht ausgewertet. Platzer wird uns in zehn Minuten vielleicht eine Aufstellung dieser Personen bringen.“

      Joe Moser hatte bei seinem kurzen Gespräch mit den Chefärzten erfahren, dass noch bis vor einem Jahr aus purem Personalnotstand auch unqualifiziertere Leute eingestellt worden waren.

      „Nach Abgleich der Fingerabdrücke auf den Tassen wissen wir hoffentlich mehr!“

      „Die DNA konnte noch nicht ausgewertet werden. In zwei Tagen sollte das Ergebnis vorliegen“, ergänzte Gertrude und fuhr fort: „Frau von Hess-Prinz’ Fingerabdrücke waren auf jeden Fall auf den Tassen. Sie hat in ihrem Leben aber bestimmt keine Spritze in der Hand gehabt. Geschickte Hände hat sie allerdings. Ich habe sie vorhin beim Schreiben am PC gesehen. Sie antwortete mir auf meine Frage, dass sie mit ihrem Chef keine Probleme habe. Höchstens, dass sie sich andere Blumen wünsche. Ich denke, die Sekretärin können wir ausschließen. Der Oberarzt von Risseck hat mir zudem verraten, dass Muniel zu ihr als fast einzige Person freundlich war und sie, als er wieder bei Bewusstsein war, mit ihm witzig wie mit einem Vertrauten gesprochen habe.“

      Joe nickte und fügte hinzu: „Wichtig ist, ob die ausgewerteten