Название | Heimkehr |
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Автор произведения | Jan Eik |
Жанр | Исторические детективы |
Серия | |
Издательство | Исторические детективы |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783955520182 |
Der Mann redete ruhig und besonnen auf sie ein. Die Stimme klang nicht unangenehm. Und er hatte sie als Fräulein Umbreit angesprochen. Er wusste also, mit wem er es zu tun hatte. Für einen Augenblick fühlte sie sich beruhigt, bevor neues Misstrauen in ihr aufflammte. Wo überall im Haus hatte der bereits geklingelt? Irgendeine gedankenlose oder bösartige Person mochte ihm gesagt haben: «Versuchen Sie es mal bei Fräulein Umbreit. Die wartet schon lange auf ihren Neffen …»
Und richtig, während sie ihn von unten her anstarrte und ihm gar nicht richtig zuhörte, weil ihr so viel gleichzeitig durch den Kopf schoss, fiel Heinz’ Namen. «Sie sind doch seine Tante. Hält er sich nicht bei Ihnen auf?»
«Wie kommen Sie denn darauf?» Es klang viel patziger als beabsichtigt, und es tat ihr im selben Augenblick leid.
Der Mann wich einen halben Schritt zurück. Jetzt sah sie ihn im Profil. Ein scharf geschnittenes Jungengesicht mit einer markanten Nase und tiefliegenden Augen unter einem dicken Kopfverband. Ein bisschen unheimlich, aber keine Verbrechervisage. Nur, was wollte das schon sagen, in solchen Zeiten?
«Er hat oft von Ihnen gesprochen», sagte der junge Mann beinahe entschuldigend. «Deshalb hat er mir die Adresse gegeben, falls ich ihn nicht in der Alfredstraße antreffe.»
Alma horchte auf. Von Heinz’ Frau in der Alfredstraße wussten nicht allzu viele Leute. Heinz hatte eigentlich nur während seiner letzten kurzen Urlaubsaufenthalte in Berlin bei der gewohnt. Anfangs, in Holland, war es ihm noch gutgegangen, und er durfte ein paarmal nach Berlin reisen. Eine wundervolle Strickjacke hatte er Alma mitgebracht, reine Schafwolle und Gold wert im Winter. Heinz hatte bei einem solchen Kurzurlaub dann diese Irmgard kennengelernt und beim nächsten gleich geheiratet, der dumme Junge. Gegen ihren Rat natürlich, aber mit Karls ausdrücklicher Zustimmung. Männer eben.
Männer waren Alma zeitlebens ein wenig unheimlich geblieben, von Karl und Heinz einmal abgesehen. Sie fühlte sich unter Frauen wohl – wie in dem Büro, in dem sie viele Jahre gearbeitet hatte. Dort hatte sie nur Bojar gefürchtet, den unerbittlichen Chef, dem sie ein Gutteil ihres Unglücks verdankte. Hatte der nicht alle gezwungen, in die Partei einzutreten? Gewiss, keine der Frauen setzte dem etwas entgegen. Alle bewunderten den Führer. Auch Alma. Ihr Beitrag für die Winterhilfe war immer der höchste gewesen. Dann kam der Krieg, und all das schreckliche Unglück begann, die Bomben, die Ruinen, die Toten, die Soldaten, die irgendwo in der Fremde fielen. Und ihr Heinz mitten unter ihnen!
«Unsere Mauern brechen, unsere Herzen nicht», hatte es zum Schluss geheißen. Da war Almas Herz längst gebrochen. Für den Führer schlug es jedenfalls nicht mehr, nachdem Karl und Emmi auf so furchtbare Weise ums Leben gekommen waren und von Heinz jede Nachricht fehlte.
Irgendwer im Haus musste sie dennoch als Pg., als Parteigenosse also, denunziert haben. Seit einer Woche lag die Vorladung in der Schale auf dem Vertiko. Entnazifizierungskommission – wie sich das schon anhörte! Wer wollte da den Stab über sie, eine alte, gehbehinderte Frau, brechen? Eine Horde von Männern sicherlich, alles vorbildliche Antifaschisten. Wo die wohl alle den Krieg verbracht hatten? Wahrscheinlich würden sie versuchen, sie als Trümmerfrau zwangszuverpflichten. Das hatte sie schon von anderen Frauen gehört. Davor schützte sie glücklicherweise ihr lahmes Bein.
Jetzt aber stand erst mal dieser verdächtige Landser vor ihr im Treppenflur. «Was wollen Sie denn eigentlich?», fuhr sie ihn an und schielte gleich erschrocken zur Nachbarwohnung. Von da war keine Hilfe zu erwarten. Die Nachbarin war zur Markthalle gegangen. Wenn es dort etwas gab, konnte es Stunden dauern.
«Ich wollte mit Heinz reden», sagte der Landser. Es klang müde. «Das hatten wir so verabredet vor unserer Entlassung. Er weiß ja in Berlin viel besser Bescheid …»
Der junge Mensch machte einen ziemlich erschöpften Eindruck. War er tatsächlich mit Heinz zusammen entlassen worden? «Was wissen Sie denn sonst noch von Heinz?», fragte Alma, immerhin um einige Grade freundlicher.
Er winkte ab. «Wir sind beide halbe Invaliden», sagte er müde. «Ihn hat’s im Rücken und an der Hüfte erwischt und mich am Kopf.» Er wies auf den schmutzigen Verband.
«Das meine ich nicht. Hat er Ihnen sonst nichts von seiner Familie erzählt?»
Der Mann schien sie nicht gleich zu verstehen. Schließlich sagte er zögernd: «Seine Frau heißt Irmgard. Und die Eltern hießen Karl und Emmi. Sie sind in der Annenstraße umgekommen …»
Alma atmete auf. Das konnte er nur von Heinz wissen. Wenn er ihr hätte etwas antun wollen, war dazu ausreichend Gelegenheit gewesen. «Kommen Sie rein!», sagte sie kurz entschlossen. Die Nachbarin würde ihr die Hölle heiß machen wegen dieser Unvorsichtigkeit. Das war jetzt egal. Der Mann wusste etwas über ihren Heinz. Nur darauf kam es an.
In der Küche stand der Kuchen auf dem Tisch, und sein hungriger Blick entging ihr nicht. «Ich habe mich nicht einmal vorgestellt», sagte er. Er war größer als Heinz und wahrscheinlich älter. «Werner Böhnisch.» Er streckte seine Hand aus, die sie zögernd ergriff. «Aus Gartz an der Oder. Aber da liegt alles in Trümmern …» Er war unrasiert und roch streng.
Sie bot ihm einen Stuhl an.
Er sank darauf nieder, als hätte er seit Wochen nicht mehr gesessen. «Hat Heinz meinen Namen nicht erwähnt?», fragte er. «Wann kommt er denn zurück?»
«Das frage ich Sie!», entgegnete Alma, und die Tränen traten ihr in die Augen. «Hier hat er sich jedenfalls noch nicht gemeldet.» Sie baute sich mit einigen Schritten Abstand vor ihm auf und musterte ihn erwartungsvoll. «Ich denke, Sie sind zusammen entlassen worden?»
Er schüttelte den Kopf. Seine blonden Haare über dem schmutzigen Verband sahen ungewaschen und strähnig aus. Hoffentlich hatte der keine Läuse!
«Nicht direkt», sagte er. «Wir sind nur bis Frankfurt/Oder zusammen gewesen. Er müsste eigentlich schon vor zwei, drei Tagen entlassen worden sein.»
Alma nickte. So lange erwartete sie ihn ja. Ihr fiel etwas ein. «Aber Sie heißen Böhnisch mit B, und er heißt Umbreit mit U.»
Wieder schüttelte Böhnisch den Kopf. «Bei den Russen geht es nicht nach dem Alphabet», sagte er. «Die haben ihr eigenes System. Wer mit dem Hintern nicht mehr hochkommt, den entlassen sie. Die anderen …», er machte eine ungewisse Handbewegung, «… ab nach Sibirien.»
Alma schauderte es. «Sie meinen, dass die Heinz noch in letzter Minute …»
«Das glaube ich eigentlich nicht. Er hatte alle Papiere und hat sich von mir verabschiedet. ‹Wiedersehen in Berlin›, hat er gesagt. ‹Vergiss die Adressen nicht!›» Er blickte Alma, deren zerfurchtes Gesicht sich auf gleicher Höhe mit dem seinen befand, ungläubig an. «Und nun sagen Sie, er ist hier noch gar nicht aufgetaucht?»
Alma nickte beklommen. Das hatte sie insgeheim die ganze Zeit befürchtet, dass alles nur Propaganda war und gar nicht alle entlassen wurden, deren Namen in der Zeitung standen. Vielleicht hatte Heinz gutgläubig ihren Namen genannt und ihre Adresse, und sie hatten herausgefunden, dass sie demnächst vor diese Kommission musste, und hielten ihn deshalb zurück. Aber das konnte sie diesem Böhnisch nicht erzählen, wer weiß, was das für einer war. Zwölf Jahre lang hatten die Leute Angst davor gehabt, denunziert zu werden, und nun war alles noch genauso schlimm …
Ach was! Entschlossen ging sie zum Gaskocher und griff nach dem Kessel. «Ich brühe Ihnen wenigstens einen Kaffee auf», sagte sie. «Was anderes kann ich Ihnen nicht anbieten.»
Mit seinem Blick verschlang er den Kuchen.
«Den habe ich für Heinz gebacken», sagte Alma widerstrebend, bevor sie das Schubfach aufzog, um ein Messer herauszunehmen.
FÜNF
«WANN sind die Fotos fertig?», wollte Kappe wissen.
Schieck hob die Schultern. «Erst muss mal der Film entwickelt werden und trocknen. Vor morgen Mittag ist da nichts zu machen.»
Mit Mühe hatten sie sich in Buch in die S-Bahn gedrängt,