Die 50 bekanntesten archäologischen Stätten an der Türkischen Riviera. Jörg Wagner

Читать онлайн.
Название Die 50 bekanntesten archäologischen Stätten an der Türkischen Riviera
Автор произведения Jörg Wagner
Жанр Историческая литература
Серия
Издательство Историческая литература
Год выпуска 0
isbn 9783943904871



Скачать книгу

Müzesi, Kesikkapı Mah., Okul Sok. 6, 48300 Fethiye, Tel. 02 52/​6 14 11 50

      03

      An der Strecke von Fethiye nach Denizli in dicht bewaldeter Landschaft gelegen, ist Kadyanda vom Dorf Üzümlü aus gut zu erreichen. Am Parkplatz wartet zumeist der Antikenwärter (bekçi), der die Besucher über einen steilen Pfad in das antike Stadtgebiet hinaufführt und vor allem den Weg zu zwei mit großartigen Reliefs versehenen Grabbauten zeigen kann.

      Kadyanda – Bilder von Krieg und Frieden

      Lykien

      Zur Geschichte von Kadyanda schweigen die literarischen Quellen, obgleich nach den öffentlichen Bauten zu urteilen, diese Stadt nicht unbedeutend gewesen ist. So sind wir auf im Stadtgebiet gefundene Inschriften angewiesen. Diesen können wir entnehmen, dass Kadyanda in der Mitte des 4. Jhs. v. Chr. gegen finanzielle Subsidien mit einem Truppenkontingent an einem Feldzug des karischen Herrschers Pixodares gegen Kaunos teilgenommen hat und Kaiser Vespasian (69 – 79 n. Chr.) den Bau der Thermen aus seiner Privatschatulle großzügig unterstützt hat. In hellenistischer Zeit erhielt die Stadt eine Befestigungsmauer, doch stammen die meisten erhaltenen Bauten aus der römischen Kaiserzeit, während unter den Byzantinern die Stadtmauer noch einmal instandgesetzt wurde.

      Innerhalb des Mauerrings haben sich mehrere öffentliche Gebäude recht gut erhalten, darunter das Theater, eine 80 m lange Stoa, eine säulenumstandene Agora und die Thermen, wogegen zwei dorische Tempel nur noch als Trümmerhaufen zu verifizieren sind. Besonderes Interesse beansprucht zwischen den Thermen und den beiden Tempeln eine langgestreckte, etwa 15 m breite Freifläche, die im Süden von einer dorischen Säulenhalle und im Norden von sechs Sitzreihen begrenzt wird. Da dort einige Athletenstatuen und agonistische Inschriften gefunden worden sind, hat man diese Anlage lange Zeit als Stadion gedeutet. Aufgrund der Tatsache aber, dass vor einigen Jahren die Pflasterung dieser Fläche freigelegt worden ist und diese Anlage im Herzen der Stadt liegt, wird man sie wohl eher als Prachtstraße ansprechen, auf der öffentliche Veranstaltungen wie Prozessionen stattfanden.

      Am Abschluss eines Besuches von Kadyanda sollte ein Streifzug durch die Nekropolen stehen, in denen man zwei Grabbauten mit wunderbaren Reliefs besichtigen kann. Nördlich unterhalb der Stadt liegt ein freistehendes, aus dem anstehenden Felsen geschlagenes Grab, das die Dorfbewohner unter dem Namen Atlıtaş („Stein mit Pferd“) kennen (Abb. 11). Auf der südlichen Langseite ist der Bestattete auf einer Kline liegend dargestellt, in der Linken eine Schale haltend, während er mit der Rechten wohl ein Rhyton hielt. Auf der nördlichen Langseite ist der Grabherr als berittener Krieger abgebildet, der über einen gefallenen Feind hinwegsprengt und einen weiteren Gegner mit seiner Lanze attackiert, der bereits in die Knie gezwungen dem Angreifer verzweifelt mit letzter Kraft Schild und Lanze entgegenstreckt. Eine lykische Inschrift neben dem Kopf des Reiters nennt mit Uzebeimi dessen Namen.

      Unterhalb vom Grab des Uzebeimi liegt versteckt im Waldgelände das Grab des Zzala, freistehendes Grabhaus, ebenfalls aus einem mächtigen Felsbrocken herausgeschlagen ist und einen Sarkophag trug. Der reiche, allerdings stark beschädigte Reliefschmuck ist dem Gegensatz von Krieg und Frieden gewidmet: Kampfbilder und Szenen des friedlichen Familienlebens wechseln einander ab. Die Krieger tragen sowohl ihren lykischen als auch ihren griechischen Namen, wogegen von den weiblichen Gestalten nur eine als „Frau des Zzala“ bezeichnet wird. Von den Familienszenen verdient ein Bild unsere besondere Aufmerksamkeit, zeigt dieses doch Frauen bei einem Würfelspiel, das allgemein als Domäne von Männern angesehen wird.

      ■

      Literatur

      Marksteiner, Lykien 44 – 47.

      04

      Oinoanda liegt in einer rauhen Bergwelt auf dem Ausläufer eines schroffen Höhenrückens – eine antike Kleinstadt abseits großer Verkehrswege, die man vom Dorf Incealiler erst nach 45 Minuten auf einem Fußpfad erreicht. Wer aber glaubt, in Oinoanda nichts besonderes erwarten zu dürfen, der täuscht sich gewaltig, denn in einer Stoa war die größte Inschrift der Antike eingemeißelt, die der Boden erst nach und nach wieder freigibt.

      Oinoanda – Die epikureische Philosophie des Diogenes von Oinoanda

      Lykien

      Oinoanda gehörte im 2. Jh. v. Chr. mit Boubon und Balboura zu einer Tetrapolis unter der Führung von Kibyra, doch währte die gemeinsame Geschichte nur bis zum Jahre 84 v. Chr., in dem dieser Städtebund im 1. Mithradatischen Krieg von Murena aufgelöst wurde: Kibyra kam zur Provinz Asia, Boubon, Balboura und Oinoanda wurden Mitglieder des Lykischen Bundes und gingen 43 n. Chr. in der Provinz Lycia auf. In der Kaiserzeit wurden in Oinoanda, das offensichtlich sehr gut von Ackerbau, Holz- und Viehwirtschaft lebte, zahlreiche öffentliche Bauten errichtet, denen die Byzantiner drei Kirchen hinzufügten, bis die Stadt im 9. Jh. aufgegeben wurde. Erdbeben hinterließen ihre Spuren und die Natur holte sich das Stadtgebiet zurück, was heute dessen Reiz ausmacht, den Archäologen aber große Probleme bereitet.

      Im antiken Stadtgebiet

      Der steile Aufstieg nach Oinoanda führt durch einen Kiefernwald, vorbei an einem Aquädukt und Sarkophagen mit liegenden Löwen auf den Deckeln, zum von Türmen flankierten Südtor der hellenistischen Mauer, die aus polygonalen Blöcken besteht. Etwa 300 m später folgt eine Mauer des 3. Jhs. n. Chr., eine Neubefestigung nach einer Siedlungsverengung, mit der die Bürger auf die sich abzeichnende Gotengefahr reagierten. Diese Rückzugsmauer, in die ältere Bauten integriert wurden, umgibt das Stadtzentrum mit der Agora und zwei Thermen, im Norden ausgeschlossen bleiben das Theater und eine von zwei Säulenhallen gesäumte, als „Esplanade“ bezeichnete weitläufige Platzanlage. Dort wurde auf der Rückwand einer Stoa im 1. Drittel des 2. Jhs. n. Chr. die berühmte Inschrift mit Abhandlungen des epikureischen Philosophen Diogenes von Oinoanda angebracht, mit der sich die Wissenschaft seit den ersten Inschriftfunden des Jahres 1884 beschäftigt. Dieses „Lesebuch“ der Philosophie wurde wohl schon beim Erdbeben des Jahres 141 n. Chr. zerstört, zahlreiche Inschriftblöcke fanden beim Wiederaufbau der Agora eine neue Verwendung, andere wurden in der späteren Rückzugsmauer verbaut.

      Die Philosophie des Diogenes

      Glaubte man in den 60er Jahren noch, mit 50 beschrifteten Blöcken ein Drittel der gesamten Inschrift zu kennen, so hat sich das Bild inzwischen erheblich gewandelt. Martin Ferguson Smith konnte ab 1968 den Bestand an Inschriftblöcken um 38 Neufunde erweitern, seit 1974 hat ein britisches Surveyteam unter Alan Hall weitere 72 Fragmente gefunden und festgestellt, dass diese Inschrift erheblich umfangreicher ist, als in den kühnsten Träumen angenommen werden konnte. Bis heute ist die Zahl der Inschriftfunde durch ein im Jahre 2007 begonnenes Forschungsprojekt des Deutschen Archäologischen Institutes (DAI), das sich zugleich eine Dokumentation der ganzen Stadtanlage zum Ziel gesetzt hat, auf 299 angewachsen (Abb. 12), im Depotgebäude lagert die beeindruckende Zahl von 177 Fragmenten. Aber noch immer nimmt man an, erst ein Drittel der Inschrift zu kennen. Rekonstruktionsversuche haben ergeben, dass der in 3 cm hohen Buchstaben gesetzte Text etwa 3,60 m hoch und 60 – 80 m lang war. Wer konnte so kleine Buchstaben in einer Höhe von über 3 m lesen? War die Säulenhalle vielleicht zweistöckig – das ist nur eine von vielen offenen Fragen.

      In den erhaltenen Texten erweist sich Diogenes von Oinoanda als begeisterter Anhänger der Lehre Epikurs, der im hohen Alter diese Philosophie möglichst vielen Menschen bekannt machen will. So stellt diese Inschrift, deren Kosten Diogenes selbst getragen hat, einen großartigen Versuch dar, in Zeiten, in denen Bücher nur für eine kleine Oberschicht