Lena Halberg: Der Cellist. Ernest Nyborg

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Название Lena Halberg: Der Cellist
Автор произведения Ernest Nyborg
Жанр Триллеры
Серия
Издательство Триллеры
Год выпуска 0
isbn 9783868412277



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auf den toten Banker in Wien an. »Und wie komme ich zu so einer Firma? Gehe ich da einfach mit dem berühmten Geldkoffer hin, wie in alten Gangsterfilmen?«

      »Nicht ganz …« Julia schmunzelte über die Vorstellung. »Im Prinzip ist es immer das gleiche Spiel. Ich gebe dir ein Beispiel: Ein Deutscher, der Geld hat, wendet sich an einen einschlägigen Steuerberater und der eröffnet für ihn eine Briefkastenfirma in Panama, wo die Gesetze diesbezüglich locker sind – steuerneutrale Umgebung bezeichnet man das im Fachjargon. Die Scheinfirma gehört auf dem Papier natürlich einem Strohmann …«

      »Natürlich«, wiederholte Lena.

      »Diese Firma eröffnet ganz legal ein Konto bei einer Schweizer Bank, darüber laufen dann die Geschäfte – fertig.«

      »Aber was ist, wenn es bei den Steuerbehörden einen Verdacht gegen den Deutschen gibt und die eine Anfrage an die Bank stellen?«

      »Dann bekommen sie aus der Schweiz keine Auskunft, da die Firma offiziell dem Strohman aus Panama gehört. Solange der Deutsche anonym bleibt, gilt das Bankgeheimnis und es gibt keine Chance für die deutschen Behörden, die Angelegenheit zu verfolgen.«

      Lena wunderte sich. »Klingt sensationell einfach …«

      »Ist es im Grunde genommen auch. Es gibt natürlich auch komplexere Konstruktionen, wo oft mehrere Firmen verzahnt sind, damit es vollkommen undurchsichtig wird.«

      »Danke, aber mir genügt die einfache Variante. Wenn ich Steuerfahnder wäre, könnten die mir alles erzählen, denn ich blicke bei solchen Verschachtelungen einfach nie durch.« Sie grinste und verdrehte die Augen. »Daran, mir das verständlich zu machen, ist Tom bereits gescheitert. Das regt ihn dann meistens ziemlich auf und er bekommt so einen eigenen Blick …«

      Julia musste lachen.

      »Mich interessiert«, setzte Lena wieder ernst hinzu, »warum jemand das unheimliche Risiko eingeht, entdeckt zu werden. Bei solchen, die strafbare Geschäfte verstecken, kann ich das nachvollziehen, aber welches Motiv haben Menschen, die ihre Millionen legal verdienen? Wie man an eurer Berichterstattung sehen kann, kommen die Sachen ja immer irgendwann ans Tageslicht. Was treibt die also an?«

      »Wahrscheinlich nur Gier.«

      »Aber wonach, wenn ich sowieso alles haben kann? Macht es denn einen Unterschied, ob ich eine Milliarde habe – was immerhin tausend Millionen sind – oder zwei? Bei mir klinkt es da aus, ich kann mir derartige Summen nicht einmal mehr vorstellen.«

      »Es gibt eben eine Parallelwelt der Geldelite, die mit unserer Realität nichts mehr zu tun hat. Die oben können inzwischen machen, was sie wollen. Und sie tun es aus Machtstreben, aus Geltungssucht oder einer ständigen Angst, den Hals nicht voll genug zu bekommen …«

      »Um zehn Villen zu haben? Bescheuert – man kann ja doch nur eine bewohnen!«

      »Apropos«, hakte Julia ein, »wie geht es eurer Villa?«

      »Villa ist gut …« Lena atmete durch, lehnte sich amüsiert zurück und nahm einen Schluck vom süßen Mango-Lassi. »Ein altes Steinhaus, in dem wir derzeit nur die Küche und ein Zimmer benutzen können, mit einer feuchten Mauer, die wir erst trockenlegen müssen.«

      »Aber es funktioniert und ihr seid glücklich?« Julias letzter Informationsstand war die Übersiedlung nach Südtirol gewesen.

      Lena nickte. »Sehr!«

      »Und der Job?«

      »Die RAI ist ein angenehmer Sender. Mein Chefredakteur mag die Themen, die ich aufgreife, mein Einstandsbericht über die Hintergründe zu den Londoner Anschlägen war ein Erfolg und ich bin wirklich froh, ein geruhsames Magazin zu machen.«

      »Geruhsam wäre neu bei dir«, sagte Julia grinsend.

      »Na, zumindest ohne den Stress, dass mir irgendwelche seltsamen Typen nach dem Leben trachten oder ich in einem Gefängnis lande.«

      »Vermisst du London?«

      »Nein, fast gar nicht. Ich vermisse manchmal die Bequemlichkeit der Großstadt, mir eine Pizza an der Ecke zu holen, wenn ich keine Lust auf Kochen habe oder am Abend schnell in eine Bar auf einen Drink zu gehen, ohne es vorher groß zu planen. Aber sonst finde ich das Leben im Grünen recht erstrebenswert.«

      »Tom auch?«

      »Ach der! Der fühlt sich überall zu Hause, wo seine Bücher sind und zieht sich in seinen Turm zurück – das Haus hat nämlich einen kleinen Aufbau, in dem er jetzt sein Arbeitszimmer hat. Dort schreibt er, raucht seine Pfeife und vergisst die Welt!«

      »Klingt toll …«

      »Na ja«, Lena schüttelte etwas unwillig den Kopf, »aber wie kann man sich so abschotten? Meistens hört er nicht einmal die Nachrichten – da ist es leicht, immer gut aufgelegt sein!«

      Julia musste über die Bemerkung auflachen. »Hast du nicht gerade etwas von geruhsam gesagt?«

      »Ja, aber nicht so. Das regt mich dann eben doch auf …«, schmollte Lena und leerte ihr Glas.

       6

      Am Vormittag nach dem Treffen im Parador und ihrem Versuch mit Almeda alleine zu sprechen, der gründlich missglückt war, rief Ivy im Büro der Minengesellschaft an. Aber zuerst hieß es, sie möge es gegen Mittag nochmals versuchen, dann war er bei Tisch und zu guter Letzt erhielt sie von seiner Sekretärin die lapidare Auskunft, er käme nachmittags nie ins Amt und am besten wäre es, Montag wieder anzurufen.

      »Shit!«, schnaubte Ivy und warf ihr Handy aufs Bett.

      Sichtlich ließ sich Almeda verleugnen, um einem Gespräch mit ihr auszuweichen. Das bedeutete eine sehr unangenehme Situation, denn Kurkov wartete auf eine Nachricht und nun war es hier drei Uhr nachmittags und in der Schweiz durch die Zeitdifferenz bereits später Abend. Sie konnte es nicht mehr länger hinauszögern und musste ihn jetzt anrufen.

      *

      Die Sonate für Cello und Klavier in d-Moll von Schostakowitsch mit ihren klangvollen Akzenten, den nachdenklichen Passagen und dem feurig kraftvollen Finale war ein Standardwerk der Celloliteratur der russischen Moderne und Kurkovs erklärtes Lieblingsstück.

      Niemand, dachte er, bewältigt den Wechsel zwischen dem elegisch gestrichenen Legato und dem harten Pizzicato so geschmeidig wie Andrej Majinski. Der russische Cellist lief in seiner Interpretation wieder einmal zur Höchstform auf.

      Für Martin Kurkov war dies aber nicht bloß Genuss, sondern ein wichtiger Teil seiner persönlichen Imagepflege als Kunstmäzen. Er saß seitlich – in unmittelbarer Nähe des Podiums – vor einer der breiten Fensterflächen, durch die man auf den abendlichen See hinaussah, und lauschte mit hingebungsvoller Miene den Klängen. Jeder sollte sehen, dass er ein Kenner klassischer Kompositionen war. Schon der Name seiner Bank, die er von der Schweiz aus leitete, spiegelte dies in ihrem Namen wider: Art Union Bank. Damit wollte er die Verbindung von Kunst und Geld, von geistiger Erbauung und materieller Dominanz betonen – beides Pfeiler seiner Weltanschauung. So investierte er, neben seinem Engagement für Musik, auch mit Vorliebe in Werke der bildenden Kunst und wusste deren Wertsteigerung sehr zu schätzen. Waren die Künstler jung und unbedeutend, erwarb man ihre Bilder für ein Butterbrot, lagerte sie einige Jahre ein und ließ sie dann um ein Hundertfaches bei Christie’s in London versteigern. Künstler, die den erwarteten Marktwert nicht erreichten, blieben hingegen im Depot, wobei es vorkommen konnte, dass dort ein verheerendes Feuer ausbrach. In einem solchen Fall erstattete die entsprechend hohe Versicherung zumindest einen Teil des unwiederbringlichen Verlustes.

      Hinter halb geschlossenen Augen beobachtete Kurkov seine Gäste in dem Konzertsaal des Splendid Royal in Lugano. Sein Büro befand sich nur wenige Straßen entfernt in der Nähe des Casinos und er mietete den intimen Raum des Luxushotels gelegentlich für auserwählte Klienten seiner Bank, um sie zu beeindrucken. Von dem reichen Banker hierzu eingeladen zu werden, galt in Kreisen des Geldadels als besondere Auszeichnung, denn oft ergaben sich bei solchen Gelegenheiten