Lena Halberg: Der Cellist. Ernest Nyborg

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Название Lena Halberg: Der Cellist
Автор произведения Ernest Nyborg
Жанр Триллеры
Серия
Издательство Триллеры
Год выпуска 0
isbn 9783868412277



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Ein sehr arriviertes Unternehmen!« Sie deutete auf die Tasche seines Sakkos, in dem ihre Karte steckte.

      Almeda nahm sie nun doch heraus. Er warf einen Blick auf das große rote Logo und nickte.

      »Nun erinnere ich mich. Ich habe die Unterlagen angesehen, die Sie mir vorweg übersandt haben, und mich auch ein wenig über die Gepflogenheiten der Bank informiert, die Sie vertreten.«

      »Das freut mich«, sagte sie darauf, »dann werden Sie doch festgestellt haben, dass wir zu den wenigen Unternehmen gehören, die …«

      »Die mit der Armee gegen Bauern vorgeht«, ergänzte er den angefangenen Satz und drehte sich ihr zu. Seine Stimme wurde um einen Ton schärfer. »Die Art Union war doch die Bank, die in Projekte in Asien investiert hat, wo die ansässigen Bauern dann mit Gewalt zwangsenteignet wurden?«

      »Das sollte nicht der ausschlaggebende Punkt sein.«

      »Da ein Großteil unserer Bevölkerung von der Landwirtschaft lebt, ist er das sehr wohl.«

      »Ich wollte mit Ihnen eigentlich über die Schulden Ihres Landes sprechen, die offenen Staatsanleihen, die Sie nicht …« Ivy versuchte noch etwas zu sagen, erntete von Almeda aber nur eine abwehrende Geste.

      »Das ist nicht Thema des Abends und unser Gespräch ist damit beendet«, sagte er schroff, drehte sich um und ging hinein ins Hotel.

      Vor dem Stiegenabgang nahm er ihre Visitenkarte und warf sie in einen mit Sand gefüllten Ständer, der dort für Raucher als Aschenbecher stand. Er tat dies so, dass sie es noch sehen konnte und spürte förmlich ihren giftigen Blick im Nacken.

      Wutentbrannt verließ Ivy das Parador. Almeda hatte sie einfach in der Kälte auf der Dachterrasse stehen lassen! So eine Frechheit war ihr noch nie untergekommen – was bildete sich dieser junge, selbstgefällige Südamerikaner denn ein! Sein ganzes Auftreten bei dem Meeting war unpassend gewesen, empfand sie. Zu einem Termin mit Spitzenmanagern der Industrie erschien man als Vertreter der Regierung gefälligst im Anzug und nicht mit Lederjacke und einem Hemd ohne Krawatte.

      Und Taxis standen hier jetzt ebenfalls keine!

      »So ein Kaff«, zerdrückte sie zwischen den Zähnen und stöckelte die schmale Straße zu dem Park bei der Kathedrale kurzerhand zu Fuß hinunter. Sie wohnte in einem modernen Hotel auf der anderen Seite der Altstadt, alte Kästen wie das Parador mochte sie nicht.

      Der Klang ihrer Absätze hallte auf dem nächtlichen Gehsteig und mischte sich mit den Klängen der lateinamerikanischen Gitarrenmusik, die aus einem Restaurant drang. Es war das einzige Haus, in dem noch Licht brannte, sonst lag die Gasse menschenleer da. Die meisten Geschäfte hatten überdies als Schutz vor Dieben schwere Scherengitter oder Rollbalken heruntergelassen. Die sonst so bunte Stadt wirkte fremd und abweisend auf sie.

      Unten am großen Platz nahm sie die längere Strecke an der Außenseite des Parks, da ihr die Anlage nachts zu unsicher erschien. An die prachtvoll beleuchteten Bauten entlang ihres Weges vergeudete sie keinen Blick, für sie waren das einfach nur weiße Häuser und – solange sie ihr nicht gehörten – uninteressant.

      Die Welt der Ivy Schillman bestand aus zwei Kategorien von Dingen: solche, die man besaß, und solche, die man haben wollte. Alles übrige war belanglos. Mit dieser Einstellung hatte sie es von einem kleinen Ort in Idaho, den sie genauso verachtete wie ihre kleinbürgerliche Familie, zu einem ansehnlichen Vermögen und einem eigenen Büro in Washington gebracht. Sie betreute hochbezahlte Kampagnen für die National Rifle Association, die Organisation der Waffenliebhaber in Virginia, und vertrat als Lobbyistin die Art Union Bank aus Tallinn. Wobei ihre Stärke kurze, in sich abgeschlossene Projekte waren, die sie in einer überschaubaren Zeit realisieren konnte. Für Langzeitjobs fehlte ihr die Geduld und sie hasste jede Art von längerer Bindung. Das hielt sie auch bei Beziehungen so, die selten länger als einige Tage dauerten.

      Im Hotel schlüpfte sie aus den unbequemen Schuhen, warf ihre Jacke aufs Bett und nahm sich einen Drink aus der Minibar, um den Ärger über diesen Almeda hinunterzuspülen. Er hatte ihr einfach das Wort abgeschnitten und war dann grußlos verschwunden. Damit entzog er sich jeder weiteren Diskussion und sie fand keine Möglichkeit, mit ihm näher über die hohe Staatsverschuldung Boliviens zu sprechen. Das wäre aber der Kernpunkt der Botschaft gewesen, welche sie ihm im Auftrag der Bank übermitteln sollte. So hatte er jetzt keine Ahnung von den schweren Konsequenzen für das Land, wenn er sich weigerte, den Vertrag mit ihnen zu unterzeichnen.

      Deshalb – und das verstärkte ihren Zorn noch – würde sie morgen versuchen müssen, ihn zu erreichen und ihn trotz seiner rüden Art nochmals freundlich zu einem Gespräch zu bewegen. Sie stürzte den Rest des Drinks in einem Zug hinunter, ging ins Bad unter die Dusche und drehte das Wasser brühheiß auf.

       5

      Die Straße über den Fernpass war am Morgen noch kaum befahren, nur gelegentlich behinderten LKWs, die sich mit schweren Containern die steile Straße bergan quälten, die freie Bahn. Die störten nicht lange, denn zwischen zwei Kurven genügte ein kurzes Drehen der rechten Hand am Gashebel und die knallrote Suzuki GSX-R750 mit Sportverschalung schoss vorbei. Lena war früh um sieben aufgebrochen und hatte die deutlich längere Route über Garmisch-Partenkirchen gewählt, um ihre geliebte Maschine wieder einmal so richtig zu spüren. Am besten ging das für sie auf solchen Bergstrecken, denn mit neunzig tief in eine scharfe Kehre einzutauchen und dahinter voll heraus zu beschleunigen, brachte ihr mehr Lustgewinn als mit zweihundertfünfzig über eine Rennstrecke zu rasen. Dass sie das zuweilen überzog, wie es ihr auf den langen schnurgeraden Straßen in England öfter passiert war, und daraufhin einen Bußgeldbescheid mit einem höheren dreistelligen Betrag bekam, nahm sie dafür in Kauf.

      Nicht nur deshalb war sie froh, aus London weg zu sein. Ziemlich genau zwanzig Jahre hatte sie nach ihrem Studium nahe der Metropole gelebt und als Journalistin für heikle Recherchen eine solide Karriere hingelegt. Nur in letzter Zeit war sie zweimal bei Redaktionen gelandet, die selbst in verschiedene Dinge verstrickt waren. Dabei hatte Lena einen Freund verloren, mit dem sie eine kurze intensive Zeit verbrachte und der ihre Leidenschaft für schnelle Motorräder teilte. Und am Ende wurde es auch für sie selbst noch sehr gefährlich.

      Nach Garmisch blieb sie durch die Dörfer noch auf der Bundesstraße bis zum Starnberger See und fuhr erst für das letzte Stück hinein nach München, auf die Autobahn. Sie schaffte die ganze Strecke von Meran in knapp drei Stunden und landete genau im dichten Vormittagsverkehr des Freitags.

      Warum sollte es hier anders sein als in London, dachte sie und bekam doch wieder ein wenig Sehnsucht nach dem Leben in einer Großstadt. Trotzdem war sie zufrieden mit Südtirol und dem Job bei der RAI in Bozen. Sie war vom Redaktionsteam wirklich begeistert und das politische Magazin, das sie für den italienischen Sender betreute, gab ihr die lange vermisste Freiheit, über ihre Themen ohne große Konfrontationen selbst bestimmen zu können. Aber mit England war es sicher kein Abschied für immer. Ihr Haus in Twickenham, einem Londoner Vorort, hatte sie behalten und einer Freundin vermietet – falls sie irgendwann einmal das große Heimweh überfallen sollte oder es mit Tom vielleicht doch nicht …

      Sofort verwarf sie den Gedanken mit einem energischen Kopfschütteln, ging vom Gas und bog in gemäßigtem Tempo in die Münchner Umfahrung ein, die dann weiter in den Ring führte. Hier war der Verkehr ziemlich zäh – jeder versuchte anscheinend noch alle Besorgungen vor dem Wochenende zu erledigen und Lena überkam wie so oft die Vermutung, dass viele Autofahrer einfach ihren Spaß am Stau fanden.

      Genauso lange wie vom Starnberger See bis zur Stadtgrenze – geschlagene dreißig Minuten – brauchte sie dann auch für das Stück bis zur Abfahrt Zarndorf im Osten des Zentrums. Von dort waren es nur mehr zweihundert Meter bis zum Tower der Süddeutschen. Doch zu allem Überdruss war die Straße vor der Einfahrt zur Tiefgarage aufgerissen und die Umleitung führte zu dem großen Parkplatz vor der langen Halle der Druckerei. Entsprechend genervt stellte Lena die Maschine ab und ging zu Fuß durch den Gewerbepark zum Redaktionsgebäude im blauen Glasturm.

      Julia hatte beim Empfang die nötige Besucherkarte hinterlegt, mit der