Totensteige. Christine Lehmann

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Название Totensteige
Автор произведения Christine Lehmann
Жанр Зарубежные детективы
Серия
Издательство Зарубежные детективы
Год выпуска 0
isbn 9783867549264



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bewunderte die Sicherheit ihres Laufs auf Stielen. Sie verschwand im Gang, der ins Querhaus der Burg führte. Im Austausch erschien, als hätte sie hinter der Ecke gelauert, eine Frau Mitte fünfzig mit Haar schwarz wie Teer, dunklen Mandelaugen, Gold an Hals und Handgelenken und teurer Eleganz in Blazer und Rock über perfekten Beinen mit schmalen Fesseln. Auch sie trug Absatz.

      Was für ein Defilee der Damen vor der geschlossenen Tür von Professor Rosenfeld! Er musste ein ausgesprochen vielversprechender Mann sein.

      »Ich bin Dr. Derya Barzani.« Sie reichte mir die Hand. »Stellvertretende Institutsleiterin. Seit Jahren interessiert sich niemand mehr für die Parapsychologie.«

      »In der Not frisst der Nerz Fliegen«, sagte ich. Denn noch herrschte politisches Gähnen. Die arabische Revolution übte erst. Noch gaben sich die Atommeiler von Fukushima beherrschbar. »Ich war mit den Haunt Hunters unterwegs.«

      Dr. Derya Barzani verschob verächtlich die Lippen, was den Zauber ihres Gesichts vergrößerte. »Das sind Scharlatane.«

      »Ja, klar. Aber sie haben Fotos gemacht, und da war ein Gesicht drauf!«

      »Gabriels … Professor Rosenfelds Schreibtisch …« Sie unterbrach sich und fingerte mit lackierten Nägeln suchend und sortierend im Köcher für längliche Bürogegenstände auf Desirées Schreibtisch herum. »… ist voll von Bildern, auf denen Geister zu sehen sind. Aber es sind nur Schatten und Lichteffekte. Wenn bei großer Blende hinten jemand vorbeihuscht, sieht es aus wie ein geisterhafter Schatten. Und die Gesichtererkennungsprogramme der modernen elektronischen Kameras stellen alles deutlicher heraus, was wie ein Gesicht aussieht.«

      »Okay.« Das war eine geistesklare Erklärung für das Gespenst, das seit der Nacht in Ludwigsburg in meinen Neuronen waberte. »Was suchen Sie eigentlich?«

      Dr. Barzani blickte mich zerstreut an. »Die Schere … die große … aber, hm, Gabriel wird sie …« Sie unterbrach sich wieder und entschied sich, erst einmal mich abzuservieren. »Was möchten Sie sonst noch wissen?«

      »Die Stimme von Küfer Paul aus dem Fasskeller, wie kommt die aufs Band?«

      »Üblicherweise kommen Stimmen in Audiofiles, weil jemand ins Mikro spricht, zum Beispiel …« Sie senkte die Stimme. »Ich bin Paul!«

      »Aber das wäre Betrug.«

      »Es wird öfter betrogen, als man gemeinhin denkt.«

      Ach so? Ich wog die Vollbluterotik der zierlichen Türkin mit Titel, Geld und Geschmack gegen die Selbstverkaufs-Offensive des Sonnenscheinchens ab. Männer mögen es jung und unkompliziert. Vermutlich hatte Desirée unlängst gesiegt und Derya beim Professor aus dem Rennen gefickt. Es herrschte Kampfstimmung. Es roch nach Blut.

      »Und Sie«, fragte ich, »decken Sie nur Betrug auf, oder gibt es da wirklich etwas?«

      »Sie meinen Telepathie und Telekinese. Wenn Sie wollen, mache ich einen Test mit Ihnen …«

      »Was für einen Test?«

      »Keine Angst, tut nicht weh.«

      Da klingelte das Telefon auf dem Schreibtisch der Schreibkraft. Die stellvertretende Institutsleiterin blickte sich suchend um und nahm dann selbst ab.

      Eine Klospülung rauschte irgendwo.

      »Oh!«, rief Barzani. »How do you do?« Dann sprach sie deutsch weiter. Nein, sie wisse nicht, wo Gabriel stecke. Ja, er habe vorgehabt, ihn – den unbekannten Gesprächsteilnehmer – vom Flughafen abzuholen, das wisse sie bestimmt. Sie sei aber Freitagnachmittag früher gegangen.

      Desirée stöckelte herbei.

      Barzani legte auf. »Hat Gabriel Ihnen was gesagt?«

      Das Sonnenscheinchen hob eine Augenbraue. »Was soll er mir gesagt haben?«

      »Er wollte doch Finley McPierson vom Flughafen abholen.«

      Beide Frauen blickten sich nach der verschlossenen Tür um. Insgesamt gingen drei Türen und ein Gang mit weiteren Türen von dem Foyer ab, das als Empfang mit Besucherstuhl, Schreibtisch und Hängeregisterarchiv diente.

      »Seit wann schließt er eigentlich ab?«, überlegte Barzani.

      Der Tod kam leise die Stiege herauf und setzte sich auf den Besucherstuhl. Oder kam es mir nur so vor, weil meine Systeme immer hochfuhren, wenn etwas ungewöhnlich war? »Haben Sie keinen Schlüssel?«

      Desirée zuckte mit den Achseln.

      Kalteneck besaß eine moderne Schließanlage, wie ich bereits gesehen hatte, eine mit Schlüssel ohne Zacken, dafür mit Mulden auf zwei Seiten. Es bedeutete, dass die Sperrstifte im Zylinder in mindestens zwei Richtungen angeordnet waren und ich sie mit meinem Pickset und meinen bescheidenen Fähigkeiten nicht knacken konnte.

      »Was gibt es da drin denn so Wertvolles?«, fragte ich.

      »Daten«, antwortete Barzani. »Wir haben Tausende von Datensätzen, die, wie Sie sich leicht denken können, nicht in unbefugte Hände fallen sollten.«

      Ich schaute zu den Hängeregisterschränken.

      »Das da ist nur das historische Archiv. Unsere aktuellen Fallarchive sind natürlich digital verschlüsselt.«

      Aber um die Schere, die sich möglicherweise dort drin befand, oder die Fallakten ging es eigentlich nicht. Die Tür an sich beunruhigte, weil sie abgeschlossen war.

      »Schon versucht, den Professor anzurufen?«, fragte ich.

      Desirée nickte, was Derya mit einem Augenbrauenzucken quittierte.

      »Käme man über ein Fenster hinein?« Wir befanden uns im ersten Stock. Das Eis im Graben würde mich sicher nicht tragen. »Und gibt es ein Boot?«

      Das Sonnenscheinchen hellte sich auf. »Ja, hinterm Haus. Aber Sie bräuchten eine Leiter.«

      »Gibt es eine?«

      »Gibt es.«

      Frau Doktor war skeptisch. »Das ist viel zu gefährlich.«

      »Dann rufen Sie den Schlüsseldienst!«

      Dr. Derya Barzani strich sich das teerschwarze Haar hinters Ohr, in dessen Läppchen eine filigrane Goldrosette steckte. »Ich weiß nicht.«

      Desirée zog sich schon silberne Moonboots und ein Mäntelchen über.

      3

      Die Wasserburg Kalteneck lag mit wachsamem Blick ins für ­heranrückende Heere geeignete Tal in einer dörflichen Wohngegend. Die Fensterläden waren rot gestrichen, die Wände weiß, das Fachwerk grau. Von der Straße gesehen, sah sie aus wie ein Altstadthaus, deshalb war ich zweimal vorbeigefahren. Erst wenn man an die Mauer herantrat, sah man den Wassergraben.

      Gegen die angrenzenden Grundstücke mit ihren verstädterten Bauernhöfen war der Graben abgezäunt. An seinen Böschungen stand Gebüsch in Winterstarre. Mit dem Festland von Holzgerlingen war die Insel der Geister nur durch einen Steg verbunden. »Institut für Grenzwissenschaften und Parapsychologie« stand auf dem Schild. Darunter die Sprechzeiten für Beratung.

      Das Boot lag hinten an einer Terrasse. Ein paar vereiste Stufen führten hinunter. Die dünne Eisdecke splitterte, als ich in die Nussschale stieg, schwarzes Wasser quoll empor. Vermutlich würde es sich rudern lassen. Nur musste man dazu Ruder haben. Wir fanden sie zusammen mit der Leiter zwischen Bierbänken und Kisten im Gewölbekeller. Ich legte die Aluminiumleiter längs und setzte mich darauf. Bei jedem Zug knackte das Eis unterm Bug. Ich ruderte unterm Steg hindurch. Straßenseitig knallte die Sonne auf die hohe weiße Wand, die mit steinernen Widerlagern verstärkt war. Die erste Reihe der Fenster lag meterhoch, an die zweite musste ich heran. Desirée hatte mir die Fenster von Rosenfelds Eckbüro gezeigt.

      Schnapsidee!

      Allein die Leiter vom Boot ins Wasser schieben, ausziehen und aufstellen, grenzte an Slapstick. Der Wassergraben war allerdings nicht tief. Ertrinken konnte