Stress-Familie Robinson. Adrian Plass

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Название Stress-Familie Robinson
Автор произведения Adrian Plass
Жанр Религия: прочее
Серия
Издательство Религия: прочее
Год выпуска 0
isbn 9783865067234



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- warum hast du mir das alles erzählt? Ich meine, du hast deine ganze Tarnung platzen lassen, nicht wahr? Wie kannst du dich jetzt noch dünnemachen und dein Spielchen mit der Kontaktsperre spielen, wenn wir doch genau wissen, was mit dir los ist, und mit riesigen Blumensträußen und Schwüren ewiger Freundschaft bei dir auf der Matte stehen werden, sobald wir dich einmal länger als einen oder zwei Tage nicht sehen? Verstehst du, was ich meine?“

      Ich war entschlossen, nicht zu weinen. Ich holte tief Luft.

      „Die Sache ist die, Mike, ich habe keine Lust, mit dir und Kathy und den anderen Spielchen zu spielen. Ich bin fast einundfünfzig Jahre alt, und ich glaube nicht, dass noch die Chance besteht, dass mir jemand Besonderes über den Weg läuft - nicht, wenn ich realistisch denke. Ich habe es ernst gemeint, als ich gerade sagte, dass ich mir heute nicht mehr vorstellen kann, jemandem auf diese Weise so nahe zu kommen. Aber in letzter Zeit habe ich angefangen …“

      Mike, der spürte, dass ich ein Zeichen seiner Aufmerksamkeit brauchte, drehte sich um, stützte sich auf seinen Schrubber und nickte mir zu. „Weiter, ich höre zu.“

      „In letzter Zeit habe ich angefangen, mich auf eine neue Art und Weise einsam zu fühlen - es steckt eine Art Panik mit darin, eine Furcht, dass ich alt werden könnte, ohne etwas …“, ich rang einen Augenblick lang nach Worten, „ohne mich an jemanden zu verschenken, ohne die Spielchen und die unnötige Zurückhaltung und die ruhige und zuverlässige Fassade und all das. Ich möchte niemandem ein Klotz am Bein sein, aber ich würde gern irgendwo hingehören.“ Ich starrte den Wäschetrockner an. „Du und Kathy und die Kinder, ihr habt - wie soll ich es beschreiben? -, ihr habt mich in alles mit hineingenommen, was bei euch los ist, ohne eure christliche Fassade in Ordnung zu bringen, bevor ich sie zu sehen bekomme. Ihr habt mich dahin gelassen, wo ihr wirklich seid, und, nun ja, ich habe bisher nie gewusst, was für ein Gefühl das ist. Ich möchte, dass das so bleibt. Das wünsche ich mir sehr. Habe ich dich in Verlegenheit gebracht?“

      Mike verlagerte sein Gewicht auf dem Schrubberstiel. „Gestern Abend, als alle weg waren“, sagte er langsam und ernst, „lagen Kath und ich im Bett und führten ein ziemlich altbekanntes Abendgespräch. Es läuft fast immer gleich ab. Sie verzweifelt an ihrer miserablen Mutterschaft und ihrem Aussehen und dem Verfall ihrer schriftstellerischen Begabung und ihrer Undankbarkeit gegen Gott für das, was er ihr in all diesen Bereichen geschenkt hat, und ich sage Sachen wie:, Nun komm schon, Kath, du weißt doch, dass es in Wirklichkeit gar nicht so schlimm ist.‘ Dann sagt sie mir, was mit mir nicht stimmt, und ich höre zu, sage aber nichts - früher ja, aber jetzt nicht mehr -, bis sie gesagt hat, was immer sie auf dem Herzen hat; dann weint sie meistens, und wir kuscheln uns aneinander, und alles ist mehr oder weniger wieder in Ordnung. Na ja, wir haben das alles durchexerziert, und dann, als wir gerade schlafen wollten, sagte Kath plötzlich:, Mike, ich wünschte, Dip würde zu uns ziehen und mit uns zusammenleben. Ich fühle mich sicher und geborgen, wenn sie hier ist.‘ Das waren ihre Worte -, sicher und geborgen‘.“

      Er zögerte einen Moment; er wollte mir zu verstehen geben, wie ernst es ihm war.

      „Dip, wir sind eine chaotische Familie - das brauche ich dir nicht zu sagen. Wir verbringen offenbar schrecklich viel Zeit damit, so zu tun, als wären wir besser organisiert oder heiliger oder enger miteinander verbunden, als wir es wirklich sind. Zeitverschwendung, sicher, aber ich fürchte, so sind wir nun einmal. Du bist die erste Person, bei der es uns nicht stört, dass sie uns einfach so sieht, wie wir sind.“ Er lächelte. „Ob es dir gefällt oder nicht, Elizabeth Reynolds, du hast eine Wärme und Herzlichkeit an dir, die Kath und ich einfach - nun - einfach lieben. Neulich haben wir beide genau dasselbe gesagt. Wenn du zur Haustür hereinkommst, wird alles ein bisschen heller.“

      Er drehte sich abrupt um und begann, den Fußboden noch heftiger als zuvor zu attackieren.

      „Dies ist ein großes, altes Haus, Dip“, sagte er über die Schulter hinweg. „Reichlich Platz für ein Wohn- und Schlafzimmer im Obergeschoss. Denk darüber nach, während wir in Amerika sind, ja?“

      „Aber Kathy …“

      „Gerade eben hast du gesagt, du möchtest gern für jemanden die Nummer eins in seinem Leben sein, stimmt's? Also, das kann ich dir zwar nicht garantieren, aber ich kann dir sagen, dass du bei Kath leicht auf den sechsten Platz kommst - ich würde sogar sagen, wie die Dinge mit Mark im Moment stehen, bist du auf den fünften Platz aufgestiegen. Denk darüber nach, während wir weg sind, ja? Versprochen?“

      „Ich verspreche es.“

      Die Küchenuhr zeigte genau zwei Uhr fünfundzwanzig, als Kathy, Mike, Jack, Felicity und ich uns an den Tisch setzten, um ein spätes Mittagessen mit Fisch und Chips zu uns zu nehmen, das Jack aus der High Street besorgt hatte. Sein Zimmer sah jetzt (nach den Worten seiner Mutter) aus, als wäre etwas Trauriges und Schreckliches notdürftig verborgen worden. Von Mark war immer noch nichts zu sehen.

      Kathys Methode musste ziemlich gut funktioniert haben, denn es war alles gepackt, aber sie sah sehr müde und verdrießlich aus.

      „Wir halten uns nicht lange mit Tellern und dergleichen auf“, sagte Mike leicht nervös, während er das Essen auspackte. „Hat ja keinen Sinn, alles abzuspülen und dann wieder zu benutzen. Wir können genauso gut mit den Fingern vom Packpapier essen; dann brauchen wir nur noch das Papier wegzuwerfen und uns die Hände zu waschen, stimmt's?“

      „Ich weiß gar nicht, wieso wir überhaupt jemals Teller benutzen“, bemerkte Jack, „die machen doch nur das Leben komplizierter, oder nicht? Meiner Meinung nach ist Essen nur Brennstoff. Man steckt es hinein, und es bringt den Motor zum Laufen.“

      Er steckte ein großes Stück gebratenen Brennstoff in seinen Mund und kaute es mit sichtlichem Genuss.

      „Ich esse gern mit den Fingern“, sagte Felicity fröhlich. „Warum sprechen wir eigentlich kein Tischgebet, wenn wir unter uns sind? Wir sprechen nie ein Tischgebet, wenn nicht jemand hier ist - ein Gast.“ Das letzte Wort sprach sie aus, als verberge sich dahinter eine gefährliche Krankheit.

      „Aber Dip ist doch hier, Felicity“, sagte Mike, „zählt sie denn nicht?“

      „Natürlich nicht“, erwiderte Felicity verächtlich, „Dip gehört doch zu uns. Mami, warum beten wir nicht, wenn wir unter uns sind? Glaubst du, Gott möchte, dass wir ihm nur dann für unser Essen danken, wenn jemand Wichtiges zum Essen kommt? Bei Emily zu Hause beten sie vor dem Frühstück und vor dem Tee und vor allem, selbst wenn nur Emily und ihre Mami und ich da sind. Bei Emily zu Hause …“

      „Felicity, hör schon auf mit Emily s Zuhause“, unterbrach Kathy gereizt. „Mir ist völlig egal, wie es dort zugeht. Offenbar sind bei Emily zu Hause viel tollere Menschen als bei Felicity zu Hause, aber ich fürchte, dir bleibt nichts übrig, als hier mit deiner eigenen nichtsnutzigen Mutter zu wohnen, also iss deinen Fisch, und sei still!“

      In der darauf folgenden Stille traten zwei riesige Tränen in Felicitys Augen und rannen langsam an ihrem Gesicht herab. Mike hatte aufgehört zu essen und starrte Kathy an. Vielleicht wartete er darauf, dass sie den angerichteten Schaden wieder gutmachen würde, bevor jemand anderes es tun musste. Schließlich brach Jack das Schweigen. Er würde niemals den Prozess der Brennstoffaufnahme für irgendetwas unterbrechen, aber immerhin fand er zwischen zwei Bissen Zeit, seine Ansicht zu äußern.

      „Das ist ein bisschen unfair, Mum. Flitty hat nur darauf hingewiesen, wie heuchlerisch es ist, vor manchen Leuten eine Show abzuziehen, während man sich bei anderen die Mühe spart.“

      Eine riesige Fuhre Fisch und Chips unterbrach Jacks im Entstehen begriffene Verteidigungsrede für seine kleine Schwester, aber er hätte sowieso keine Gelegenheit gehabt, noch mehr zu sagen. Was immer sich gerade in Kathy aufheizte, kam in diesem Moment zum Kochen. Sie beugte sich über den Tisch, hob einen steifen Zeigefinger und stach damit in die Richtung ihres ältesten Sohnes.

      „Von dir lasse ich mir keine Vorträge über das Thema Heuchelei halten. Ich bin eine Expertin auf diesem Gebiet, nachdem ich das letzte Jahr mit dir erlebt habe. Du sitzt da, stopfst dir Chips ins Gesicht und erzählst mir, dass Teller das Leben komplizierter machen - also,