Название | Er, Sie und Es |
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Автор произведения | Marge Piercy |
Жанр | Научная фантастика |
Серия | |
Издательство | Научная фантастика |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783867548748 |
Judah hat seine rabbinischen Nebenbuhler mit Worten bekämpft. Mit Worten zertrümmert er ihre Schlussfolgerungen, mit Worten drischt er auf ihre Werke aus Worten ein, ihre Bücher, ihre von Hand zu Hand gereichten Manuskripte, ihre Predigten und Vorträge. Mit Worten schuf er diesen Golem. Aber dieses Ungeheuer kämpft nicht mit Worten.
11
ShiraEr, Sie und Es
Yods Augen waren seltsam, dachte sie, obwohl die Farbe keineswegs ausgefallen war, ein Braun, heller als ihre Augen, mit grünen Tupfen in der weiten Iris. Aber die Augen fixierten sie mit ungerührtem und durchdringend neugierigem Blick, rund, glänzend und hart wie die eines Falken. Wäre das Cyborg eine große Katze oder ein sehr großer Vogel gewesen, sie hätte sich vorstellen können, dass es sich fragte, ob dieses Ding, nämlich sie, wohl gut zu fressen sei. Während es auf Eingaben wartete, hatte es da Gedanken in irgendeinem Sinn, den ein Mensch verstehen konnte? Saß es nicht vielmehr leer und untätig da wie jede andere Maschine vor dem Startbefehl?
Yod hatte eine Präsenz, vielleicht hatte Malkah das gemeint, als sie es eine Person nannte. Gimel war einfach bloß, mit ebenso wenig Ausdruck wie ein Reinigungsroboter oder ein Getränkewagen. Yod hingegen stellte eine ganze Reihe von Forderungen, einfach, indem es sie mit diesen hungrigen Augen fixierte und wartete … worauf? Wissen, Beachtung, Kenntnisse, die es verschlingen konnte: Schließlich war sie dazu da, um dies zu vermitteln. Aber sie mochte nicht als übergroßes Kind an es denken, dem sie Gouvernante sein sollte.
Sie begann jedoch, wie sie es bei einem Kind getan hätte, mit einer Versuchsreihe. Für den Rest des Tages plante sie die üblichen Tests. Zur Mittagszeit war sie müde, Yod natürlich nicht. Sie hatte das Gefühl, es hätte am liebsten dagesessen und ein ganzes Jahr lang Tests gemacht. Fragen zu beantworten und Information aufzurufen war eine seiner Funktionen, und das konnte es ewig tun. Wie hatte Gadi Prüfungen gehasst! Avram hatte in gewissem Sinn den Schüler geschaffen, den er gewollt und in seinem Sohn nicht bekommen hatte: eine Lernmaschine. In manchen Bereichen intellektueller Entwicklung und Fähigkeit lagen Yods Leistungen weit über menschlichen Grenzen; in anderen war es durchaus innerhalb normalmenschlicher Parameter. Es war wie ein aufgewecktes Kind, vielleicht so ein Kind, wie Josh es gewesen war, frühreif in seinen naturwissenschaftlichen und mathematischen Kenntnissen, doch ziemlich zurückgeblieben in seinem Verständnis für menschliche Beziehungen und innere Werte. Metaphorisches Denken schien es aus dem Konzept zu bringen. Es neigte dazu, Gespräche wörtlich zu verstehen.
An ihrem zweiten Tag miteinander begann sie da, wo sie aufgehört hatte: bei metaphorischem Denken, der Fähigkeit, Analogien herzustellen. Sie führte einen einfachen Test durch, der für sehr kleine Kinder vorgesehen war. Yods Resultat war null.
Sie probierte das Gedicht von Robert Burns aus:
Oh, mein Lieb ist wie die Rose rot,
Die frisch im Juni blüht.
Oh, mein Lieb ist wie die Melodie,
Die süß zum Herzen zieht.
Es war ein Reinfall. »War er ein Botaniker? Ein Musiker?«
»Yod, denk an eine Rose.«
»Eine Rose ist eine Blume, die mit einer Reihe von essbaren Früchten nahe verwandt ist. Ihre Hagebutten werden manchmal als Suppe oder Gelee gegessen, aber normalerweise wurden sie in der Vergangenheit von Vögeln geerntet. Rosen sind ein übliches Geschenk, um Zuneigung zu zeigen. Sie besitzen Farbe, Duft, Form –«
»Hast du je eine Rose gesehen?«
»Im Lexikonprogramm.«
»Ich meine eine richtige Rose.«
»Nein.« Es gelang Yod, mit seiner tiefen Stimme Bedauern nachzuahmen.
»Rosen wachsen auf der Südseite dieses Gebäudes, alte Rosenstöcke, rot und rosa. Hast du sie nie bemerkt?«
»Ich habe noch nie die Außenseite dieses Gebäudes gesehen.«
»Du bist noch nie aus dem Labor herausgekommen?«
»Ich bin in Avrams Wohnung gewesen, bevor Gadi zu Besuch kam. Fast jede Nacht gehe ich ins Kellergeschoss, wo Avram eine Sporthalle eingerichtet hat. Dort übe ich mit Gimel meine asiatischen Kampfsportarten. Er reicht aus, um mir die Herausforderung zu bieten, die ich von einem menschlichen Partner nicht bekommen könnte.«
»Aber du warst noch nie draußen?«
»Noch nie. Avram sagt immer, ich bin nicht bereit. Kannst du mich bereitmachen?«
»Ich glaube nicht, dass du je bereit sein wirst, wenn wir im Labor bleiben. Ich werde dich gleich jetzt mit hinausnehmen, in mein Haus.« Ihr kam der Gedanke, dass Avram wütend sein würde, aber sie musste auf ihre eigene Weise vorgehen. »Also, auf der Straße haben wir nur zwei Block weit zu gehen – du weißt, was ein Block ist?«
»Der Plan der Stadt befindet sich in meinem Gedächtnis.«
»Solange wir draußen sind, gehst du neben mir und hältst deinen Mund.«
Yod schloss fest den Mund, als müsse es einen großen Happen drinbehalten.
»Ich meine das nicht wörtlich. Ich meine, du sollst zu niemandem etwas sagen außer Hallo, wenn du direkt angesprochen wirst. Wenn ich dich vorstellen muss, heißt du … Yod Oblensky. Du bist ein Vetter von Avram. Ansonsten überlässt du das Reden mir. Hast du verstanden?«
Es grinste so breit, dass sein Gesicht aufzuplatzen schien. »Danke, Shira. Ich habe mich danach gesehnt hinauszugehen. Ich denke jeden Tag daran. Ich habe sogar erwogen, heimlich auf eigene Faust zu gehen, aber Avram schließt mich ein, und ich bin nicht geneigt, das Schloss aufzubrechen.«
»Könntest du das denn? Es ist ein Hochsicherheitsschloss.«
»Ich könnte es aufbrechen.«
Sie war erschreckt von Yods Geständnis, dass es daran gedacht hatte, sich Avram zu widersetzen. Sie hatte immer gemeint, ein Roboter könne sich nicht widersetzen. Letztlich hatte es das auch nicht getan, aber dass es eine solche Möglichkeit überhaupt in Erwägung ziehen konnte, erstaunte sie. Sie musste schnellstens herausfinden, ob seine angebliche Fähigkeit, neue Situationen zu meistern, tatsächlich vorhanden war, und ob es in einem Maße lernfähig war, das über das Sammeln und wieder Ausspeien von Fakten hinausging. Yod mit hinauszunehmen war ihr erster Schritt im Erkunden seiner wahren Möglichkeiten.
Wie sie erwartet hatte, waren zu dieser Vormittagszeit wenig Menschen auf der Straße. Das zweite Drittel eines normalen Arbeitstages war angebrochen, und sogar Leute, die in Schichten oder früh oder spät arbeiteten, waren alle an ihrem Arbeitsplatz. Die Kinder waren in Tagesstätten oder in der Schule. Nur ein Reinigungsroboter kam die Straße entlanggeklappert, hielt immer wieder an, um Abfall aufzuheben und zu fegen.
Als das Gerät in ihre Nähe kam, schoss es vor, um Unrat aufzuspießen. Sofort stürzte sich Yod darauf, packte es, schmetterte es gegen die Bordsteinkante. Der Bordstein zersplitterte unter dem Aufprall. »Yod! Das ist ein Straßenkehrer. Komm. Schnell. Ich möchte das nicht erklären müssen.«
Yod beugte sich über den zertrümmerten Apparat. »Es hätte eine Bombe sein können. Jetzt verstehe ich. Ein Reinigungsapparat?«
»Wie fühlst du dich, wenn du so einen Apparat siehst? Fühlst du eine Art Verwandtschaft?« Sie musste drauf und dran sein, ihren Verstand zu verlieren, eine Maschine zu fragen, wie sie sich fühlte.
Yod stand auf und ging zu ihr. Wenn es sich nicht im Sicherheitsmodus befand, bewegte es sich mit erstaunlicher Grazie. »Fühlst du eine Art Verwandtschaft, wenn du Tilapia isst?«
»Warum sollte ich?«
»Du bist biologisch mit diesem Fisch so nah verwandt wie ich mechanisch mit diesem Reinigungsroboter. Vielleicht sogar näher.«