Menschen im Krieg – Gone to Soldiers. Marge Piercy

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Название Menschen im Krieg – Gone to Soldiers
Автор произведения Marge Piercy
Жанр Книги о войне
Серия
Издательство Книги о войне
Год выпуска 0
isbn 9783867548724



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wann und wo, und das Ganze war keine Sache von Gebettel und Gerangel und Versprechungen, für die man sowieso nicht das nötige Kleingeld hatte, Pflaumenpfingsten.

      Am 24. April formierte sich der Geleitzug. Sein Schiff war voll mit Weizen, in Montreal gebunkert. Sie waren den St. Lorenz-Strom runtergefahren, hatten dann vor Halifax gewartet, wo der Geleitzug zusammengestellt wurde. Konvoi HX-152 war beeindruckend, als er in der Fahrrinne vorandampfte: vierunddreißig Schiffe unter Geleit von einem alten Zerstörer und drei Korvetten, von denen die Matrosen sagten, sie würden selbst auf nassem Gras dahingleiten wie geschmiert. Der Geleitzug war ein großartiger Anblick, eine Schiffsparade hinaus auf den Atlantik bei leichtem Seegang und sanfter Sonne. US-PBY Catalina-Patrouillenflugzeuge hatten von oben ein Auge drauf. Da waren ein früheres Passagierschiff mit kanadischen Truppen, ein Tanker, ein Haufen alte Trampdampfer unterschiedlichster Registrierung und Nationalität und Seetüchtigkeit, ein schmucker norwegischer Frachter mit eigenen Bordkanonen und Frachterungetüme mit ragenden Ladebäumen.

      Die Montauk selber war das neueste Schiff, auf dem er je gefahren war, ein Liberty-Schiff, das erst zweimal draußen gewesen war. Alle Liberty-Schiffe waren langsam, aber ganz in Ordnung, zuverlässig, außer sie wurden mittschiffs getroffen, dann brachen sie auf wie ein Laib Schnittbrot. Die Mannschaftsquartiere waren in den Decksaufbauten, vier Kojen pro Kajüte, für insgesamt vierundvierzig Mann mit den Offizieren. Die Libertys fuhren mit Dampfmaschinen, und die Maschinen waren gut. Es gab sogar gekachelte Duschen für die Mannschaften. Er war auf Schiffen gefahren, wo ein Eimer alles war, was man an Sauberkeit bekam.

      Nebel wickelte sie am zweiten Tag ein, bis sie ihre Nachbarn um sich herum nicht mehr sehen konnten. Das Fahren in Geleitzügen fing in der Karibik und auf den Küstenrouten erst an, so dass es für Duvey neu war. Auf den Großen Seen sah man ein anderes Schiff im Detroit River oder in den Schleusen, aber draußen auf den Seen kam man nicht mal in Rufweite. Es war ihm unbehaglich, bei dichtem Nebel in solch einer Herde schwerfälliger Frachter zu dampfen, wo jedes Schiff näher an den anderen war, als er sicher fand. Sie hatten keinen Geleitschutz durch Flugzeuge, die nach U-Booten Ausschau hielten, aber der Tag verging ohne Angriff. Der Nebel schloss sich dick und klamm und dumpfig um sie, die Luft war wie gasförmiges Eis. Zwei der Schiffe entgingen nur knapp einem Zusammenstoß. Eine der Korvetten musste zurückhängen, um Nachzügler einzutreiben.

      Ohne Sicherung aus der Luft setzten sie ihren Weg die nächsten vier Tage lang fort, bis Duvey mitten in der Nacht vom 29. auf den 30. April eine Detonation hörte. Sogar durch den Nebel konnte er die Feuersäule sehen, was hieß, dass ein Tanker getroffen war, wahrscheinlich die Fitzpatrick. Er hörte Geschützfeuer. Der Zerstörer belegte das U-Boot mit Wasserbomben, so klang es. Dichter Rauch trieb mit Nebel vermischt über das Wasser. Von dem Petroleumgestank wurde ihm leicht übel. Er hörte eine weitere schwere Detonation. Sein Körper stemmte sich gegen die Wucht der Druckwelle. Jede Minute konnte die Montauk die Nächste sein. Automatisch fasste er nach der zugeknöpften Tasche mit seinen Papieren und seinem Geld in einem zugeknoteten Präser. Wenn er die Torpedos überlebte, dann hatte er sie dabei; wenn nicht und wenn die Leiche an Land gespült wurde, dann konnte er identifiziert werden.

      Der Zerstörer meldete ausströmendes Öl von einem getroffenen U-Boot, aber eine halbe Stunde später wurde die Belle Star torpediert. Wrackgeschossen trieb sie ruderlos. Die Montauk musste ihr ausweichen.

      Ohne Mond, ohne Sterne, ohne Lichter von einem der Schiffe stampften sie in eine Finsternis aus Rauch von brennenden Schiffen und der verdammten Nebelsuppe. Alle Schiffe schwatzten miteinander, denn hätten sie Funkstille bewahrt, hätten sie einander unweigerlich gerammt. Das hieß, die U-Boote, die in einem der berüchtigten Wolfsrudel operierten, konnten sich auf die Signale einpeilen und ein Schiff nach dem anderen aufs Korn nehmen. Die Korvetten setzten in gischtender Fahrt den U-Booten nach wie Hunde auf Hasenjagd.

      Nach kurzer Zeit kreuzte die Montauk durch Wrackteile, Trümmer von dem, was am Tag noch ein Schiff voll lebendiger Seeleute gewesen war. Steuerbord sahen sie verschwommen Feuerschein auf dem Wasser, das Meer selbst stand in Flammen. Männer schrien. Dann sahen sie kleine rote Lichter von Seeleuten im Wasser, die tanzenden Lämpchen an ihren Schwimmwesten. Während eines Angriffs durften sie keine Überlebenden aufnehmen, aber der Kapitän entschied, da sie nicht unter direktem Beschuss standen, holten sie, wen sie konnten.

      Die ersten Männer, die sie auffischten, waren im Öl ertrunken, das Öl hatte ihnen die Lungen verklebt, als sie ins Wasser gesprungen waren. Aber dann erwischten sie drei, die noch am Leben waren, grässlich vom Öl verschmiert und geblendet. Einer war auf der einen Seite völlig verbrannt und roch wie ein Rostbraten, aber er lebte. Duvey half freiwillig, den armen Teufeln das Öl abzuschaben.

      Auf Anweisung scherte der Kapitän nach backbord und nahm dann wieder Kurs voraus. Sie hörten Salven gedämpfter Unterwasserexplosionen. Wasserbomben. »Das ist der Wabowerfer, mein Junge«, sagte Bootsmann Hogan zu ihm. »Den feuern sie in Salven nach vorn ab. Das ist ihr neues Spielzeug und funktioniert ein ganzes Stück besser als die verdammten Batterien, die sie nach achtern abfeuern mussten.«

      Dann sahen sie im düsteren Schein eines brennenden Schiffes ein U-Boot in einer schäumenden Öllache auftauchen. Eine der angreifenden Korvetten rammte es. Das Heck ragte steil aus dem Wasser wie ein kopfstehender Hai, dann verschwand es, und der Ölteppich schloss sich darüber.

      Duvey war froh, dass er nicht in U-Booten Dienst tat, ganz egal, wie gefährlich die Handelsmarine war. Ihm war lieber, er starb auf Deck in einem Feuerstoß oder ertrank, als dass er in einer Konservendose wie eine Wanze zerquetscht wurde. Er spürte immer einen Stich Mitleid für die schwarze Truppe unten im Maschinenraum. Wenn das Schiff getroffen wurde, hatten die keine Chance. Die wurden auf der Stelle zerkocht. Oben auf Deck konnte er vielleicht noch springen, und wenn er ein Rettungsboot erwischte, umso besser. Sogar die armen gerösteten Teufel, die sie gerade aus dem Wasser geholt hatten, konnten’s noch schaffen, wenn ihre Verbrennungen nicht zu großflächig waren und wenn sie nicht zu viel Öl geschluckt oder eingeatmet hatten.

      Er merkte, seit ungefähr einer Viertelstunde hatte er keine Detonation mehr gehört. Das wollte noch gar nichts heißen, nur, dass die Korvetten und der Zerstörer die U-Boote aus dem Visier verloren hatten und dass die Deutschen abliefen, um auf eine bessere Gelegenheit und bessere Sicht zu warten.

      Er hatte gehasst in seinem Leben: meistens Kerle, die ihn fertiggemacht hatten, einen riesigen Polacken, der ihm das Leben auf seinem ersten Schiff zur Hölle gemacht hatte, einen Maat, der versucht hatte, ihn kleinzukriegen, Father Coughlin, der in Detroit aus allen Radios in den katholischen Nachbarhäusern seinen verbalen Dünnschiss gegen die Juden ergoss. Aber nie hatte er jemanden oder etwas mit der scharfen, stählernen Kraft gehasst, mit der er diese arroganten Nazi-Haie hasste, die U-Boote. Sie hatten den Seekrieg damit eröffnet, dass sie ein unbewaffnetes Passagierschiff, die Athenia, versenkten und dann behaupteten, die Engländer selber hätten es zu Propagandazwecken hochgehen lassen. Sie machten sich über unbewaffnete Handelsschiffe her, eine schöne Jagd und eine glückliche Zeit, leichte Beute für die Kommandanten ohne wen, der zurückschoss.

      Am nächsten Tag waren sie in der Grönland-Luftlücke, dieser sechshundert Meilen langen Seestrecke, wo die auf Neufundland stationierten Flugzeuge sie nicht mehr erreichen konnten und sie noch nicht unter dem Schutzschild der auf Island stationierten Verbände waren. Außerdem, was nutzte ihnen die Luftsicherung, wenn der Nebel die Flugzeuge Tag für Tag am Boden festhielt?

      Aber sie hatten zum ersten Mal Glück. Am Morgen kam schwere Dünung auf, Brecher krachten über die Decks. Der Wind stürmte aus Nord und brachte Schnee. Die Sicht wurde sogar etwas besser, und sie konnten steuerbord die San Martin ausmachen und backbord die Lone Star. Dann wurde der Seegang zu hoch, um irgendwas anderes zu sehen als die nächste Sturzsee. Die Dünung war auf dem Atlantik länger, als er es von den Großen Seen her gewohnt war, und die Wellen waren noch höher, aber schlussendlich trafen sie auch nicht härter. Das Wasser war genauso saukalt und genauso pissnass. Stürme brachen auf dem Michigan und dem Superior Erzkähne in zwei Hälften.

      Sie bahnten sich ihren Weg durch eine Eisbergflottille, aber vor den U-Booten waren sie sicher, denn die konnten bei dem Wetter nicht zum Angriff auftauchen. So fuhren sie ihnen davon. Der Konvoi machte nicht viel Fahrt, aber die U-Boote schafften getaucht nur acht Knoten und