Osteopathie und Swedenborg. David Fuller

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Название Osteopathie und Swedenborg
Автор произведения David Fuller
Жанр Медицина
Серия
Издательство Медицина
Год выпуска 0
isbn 9783941523395



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begleitenden Reformlehren.”219

      Obgleich Swedenborgs Anschauungen rationale Erklärungen zur geistigen und natürlichen Existenzebene sowie zum geistigen Wachsen umfassten, stellten sie zugleich die Grundlage einer Religion dar. Dabei ging es nicht um schlichte Neugier angesichts eines neuen Phänomens wie im Falle des Mesmerismus, denn der Swedenborgianismus appellierte zugleich an den wissenschaftlich orientierten wie auch an den religiösen Menschen. Swedenborg schrieb: „Jetzt ist es erlaubt, die Glaubensmysterien intellektuell zu betreten.” Seine Überlegungen appellierten an die Dissenter der etablierten Denominationen, die nach einer spirituellen, religiösen Weltsicht suchten, welche sich vom orthodoxen Mainstream unterschied. Swedenborg machte das gesamte Universum religiös intelligibel, behandelte nahezu jedes einzelne historische dogmatische Thema und erfreute dennoch auch diejenigen, die sich Freiheit von alten Dogmen wünschten. Er postulierte eine zugrunde liegende Liebe Gottes, welche Freiheit und möglichen menschlichen Fortschritt sowohl in dieser als auch in der nächsten Welt sicherstellte – und er bot eine neue Interpretation der Bibel, die höhere Bedeutungen erschloss.220 Der Historiker Sydney Ahlstrohm schrieb dazu:

       „Daher fand damals jedes der Hauptthemen der Sektierer – Vollkommenheit, Millenarismus, Universalismus, Illuminismus – einen Platz in seiner Botschaft. Kurz: Seine Popularität schuf in Nordamerikas großer Periode religiöser Erneuerung viel Neues.” 221

      Während der 1840 er hielt Emerson Vorträge über Swedenborg und die Transzendentalisten suchten in seinen Werken nach Inspiration. Emersons erstes Buch Nature (1836) wurde fälschlicherweise sogar als swedenborgianisch eingeschätzt. Die Führer der nicht-separatistischen Neuen Kirche lehrten die swedenborgianische Lehre innerhalb der kirchlichen Traditionen, u. a. bei den Universalisten, Quäkern und Episkopalkirchen. Die Versammlungen der separatistischen Neuen Kirche institutionalisierten sich; sie wurden aufgrund ihrer Kontakte und wohl noch mehr durch energische Publikation und Verbreitung von swedenborgianischem Material sehr einflussreich. Die Freien Geister der swedenborgianischen Bewegungen waren zugleich die am stärksten reformorientierten und prüften Ideen wie den Mesmerismus als Beweisgrundlage zur Unterstützung der Paradigmen Swedenborgs. Einer der bekanntesten unter diesen Freien Geistern war der bereits erwähnte George Bush aus New York City.222

      Die Neue Kirche in Nordamerika maß während der 1840 er und 1850 er gemeinsamen Überzeugungen ebenso besondere Bedeutung zu wie Individualität. Damit widersprach sie dem allgemeinen ideologischen Trend der Gesellschaft jener Zeit, ohne sich dabei jedoch von der Außenwelt zurückzuziehen. Mitglieder der Neuen Kirche waren auf allen Ebenen der Gesellschaft aktiv, insbesondere in ihren Berufen und auf intellektueller Ebene. Die Neue Kirche verstand Swedenborgs Schriften als anderen überlegen und erfasste seine Theologie, Kosmologie und Philosophie. Gleichwohl war sie offen für verschiedene Anwendungen dieser Anschauungen und respektierte Individualität. Die Attraktivität der Weltsicht der Neuen Kirche bestand in einer einzigartigen Versöhnung von Religion, Wissenschaft und Spiritualität, die sich besonders an Gebildete wendete.223

      Swedenborgianer hatten das Einfließen von mehr Spiritualität in die amerikanische Gesellschaft, Ökonomie und Politik im Blick. Sie erhofften eine allmähliche Reform der irdischen Gesellschaft in Richtung einer himmlischen. Dies sollten ein kontinuierlicher, schrittweiser Prozess sowie mutige Reformen in Bereichen wie Bildung, Ehe und Medizin erreichen. Der Gruppe zufolge sollte sich dies nicht in Gestalt einer revolutionären oder radikalen Veränderung in einem isolierten Bereich vollziehen. Obgleich die Bewegung sich als ganze weniger Aktivitäten, sondern vielmehr dem mündlichen und schriftlichen Diskurs über Reformen verpflichtet sah, „[…] konnte man vor 1860 dennoch einige Swedenborgianer an allen Frontlinien der Reformbewegungen jener Zeit finden.”224

      Die damaligen Swedenborgianer standen der Medizin des frühen 19. Jahrhunderts kritisch gegenüber und erkannten deren wichtigste theoretischen und therapeutischen Irrtümer. Die Mainstream-Medizin in jenen Tagen war die sogenannte allopathische Medizin. Sie verfügte über keine einheitliche Theorie der Gesundheit oder einen wirklich vernünftigen Behandlungsansatz. Tatsächlich galten ihre Behandlungsmethoden als nicht hilfreich und sogar gefährlich. Viele Mitglieder der Neuen Kirche waren Ärzte oder Angehörige vergleichbarer Berufe. Doch sie hatten kein schlechtes Gewissen, wenn sie den beklagenswerten Zustand der Medizin in Nordamerika kritisierten. Tatsächlich verließen viele die allopathische Medizin, um Alternativen auszuprobieren, insbesondere die Homöopathie, die bei ihrer Entwicklung in Nordamerika nachhaltig durch Swedenborgianer beeinflusst wurde.225

      Eine weniger formelle Form des Swedenborgianismus verbreitete sich auch unter jenen Kirchenfernen, die sich nicht als Teil einer organisierten religiösen Denomination betrachteten, sich aber dennoch nach einer intellektuell ansprechenden Spiritualität sehnten. Swedenborgs Überlegungen, wie die der einander entsprechenden geistigen und natürlichen Wirklichkeitsebenen und die eines liebenden, nicht richtenden Schöpfers, der die Schöpfung nach ihr zugrunde liegenden und verständlichen Gesetzen geschaffen habe, sprach manche an, die auf der Suche nach einer Einheit von Wissenschaft und Geist waren. Swedenborgs Anschauungen durchdrangen die metaphysischen Bewegungen dieser Zeit. Der Historiker Robert C. Fuller schreibt:

      „Swedenborgs Einfluss kann in nahezu jeder Philosophie oder Bewegung des 19. Jahrhunderts wahrgenommen worden.” Im selben Abschnitt schließt er: „Der Grund für Swedenborgs Einfluss auf eine derart uneinheitliche Gruppe von Individuen und Sachverhalten ist schlicht, dass seine Schriften eine Vision artikulierten, die unsere wissenschaftlichen und spirituellen Bestrebungen versöhnte.”226

      Einige Historiker bemerkten, dass Swedenborg zu einem bedeutenden Symbol der alternativen religiösen Szene wurde. Dies ist ein Beispiel dafür, wie Swedenborg verschiedene Menschen mit sehr unterschiedlichen Interessen ansprach. Obgleich alle Gruppen, die in diesem Kapitel erwähnt wurden, swedenborgianisch geprägt waren, variierten sie von institutionell gebundenen bis hin zu freigeistigen und kirchenfernen Menschen. Die 1840 er und 1850 er wurden deshalb auch als swedenborgianische Renaissance in den Vereinigten Staaten bezeichnet.227

      Es ist allerdings wahrscheinlich, dass die Tiefe im Verständnis für Swedenborgs Gedanken stark variierte. Weil der genuine Swedenborgianismus eine komplexe Theorie darstellt, die viele Anschauungen in sich einschließt, wurde sie nicht immer vollständig rezipiert. Häufig sprachen bestimmte Aspekte einzelne Menschen mehr an als andere. Viele Gruppen gebrauchten Swedenborgs Anschauungen auf verschiedene Weise, obschon sie alle in seinen Werken eine gemeinsame Basis fanden.228

      Die 1840 er waren eine Zeit neuer Ideen und philosophischer sowie metaphysischer Bewegungen. Drei der bedeutendsten waren der Mesmerismus, der Transzendentalismus und der Swedenborgianismus. Die swedenborgianischen Ideen wurden sehr populär und innerhalb wie außerhalb der institutionalisierten swedenborgianischen Kirchen verbreitet. Viele von Swedenborgs Gedanken wurden durch den Transzendentalismus einbezogen und popularisiert. Mehr noch aber wurden sie durch eine folgende, noch größere metaphysische Bewegung transportiert, die auf einer Mischung aus Magnetismus und Swedenborgianismus beruhte und die 1850ern dominieren sollte: den Spiritismus. Wie es Whitney Cross bereits formulierte:

       „Der Mesmerismus führte zum Swedenborgianismus – und der Swedenborgianismus zum Spiritismus.” 229

      Seit Jahrtausenden wurden Versuche unternommen, Kontakt mit den Geistern der Verstorbenen aufzunehmen. Die Neue Kirche war empfänglich für dieses Thema, denn eine Gruppe früher Swedenborgianer in Schweden hatte in den 1780ern bestimmte Anstrengungen in diese Richtung unternommen und stand im Kontakt zu den frühen Nachfolgern Mesmers in Kontinentaleuropa. Doch sie versiegte schnell, weil sie keine andauernden Wirkungen auf die swedenborgianischen Bewegungen ausüben konnte, wenn man von dem Rest an Empfänglichkeit absieht, der mit Blick auf die unerwünschten Praxis des Kontakts mit Geisterwesen in der Neuen Kirche zurückblieb. Dieser war unerwünscht, da Swedenborg in seinen theologischen Schriften sehr deutlich geäußert hatte, dass jeder Versuch von anderen, Kontakt mit der Geisterwelt aufzunehmen, nur zu Störung und Verwirrung führen werde. Er erklärte, dass er selbst vom Herrn besonders darauf vorbereitet worden sei, als Botschafter der Wahrheit zu dienen – eine singuläre Rolle. Er durfte