Totgelacht. Manfred Koch

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Название Totgelacht
Автор произведения Manfred Koch
Жанр Зарубежные детективы
Серия
Издательство Зарубежные детективы
Год выпуска 0
isbn 9783990403686



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bist, die frische Luft wird dir guttun und auf einmal wirst du dich so großartig fühlen wie schon lange nicht. Und dann diese Ruhe, weit und breit kein Mensch zu sehen, herrlich, sage ich dir, du wirst staunen.

      Das letzte Mal, als mir dort jemand über den Weg gelaufen ist, das ist schon zwei Jahre her, nein, dass ich nicht lüge, drei Jahre, genau, drei Jahre ist das her. Auf einmal ist er zwischen den Bäumen aufgetaucht, ich bin unglaublich erschrocken. Einer von der Kripo, habe ich gedacht, die suchen also in Wirklichkeit immer noch oder schon wieder, und ich Idiot stehe jetzt da, mitten im Wald und mit einem Spaten in der Hand, na großartig, das war’s dann wohl. Verflucht blöde Situation, da bist du wie gelähmt, nicht einmal eine halbwegs gescheite Ausrede fällt dir ein, weil dass man einen Spaten braucht, um Pilze zu suchen oder Beeren zu pflücken, das glaubt dir ja nun wohl wirklich keiner.

      Erst als der Mann direkt vor mir gestanden ist und mir ins Gesicht gegrinst hat, habe ich ihn erkannt. Es war nämlich gar kein Polizist, sondern mein alter Kumpel Fritz. Das ist der, von dem ich seinerzeit die Tipps für die drei Banken bekommen habe. Erstklassige Tipps, keine Frage, und ich habe ihm dafür auch jedes Mal die Hälfte von der Beute abgegeben, faire Geschäfte, gute Freunde, sag ich nämlich immer. Jeder soll kriegen, was ihm zusteht, und mit fünfzig Prozent war der Fritz nun wirklich mehr als gut bedient, finde ich.

      Ich war wirklich fest davon überzeugt, damit wäre alles klar zwischen ihm und mir und ich sehe ihn nie wieder, so war es nämlich ausgemacht, kein Kontakt mehr, damit wir nur ja nicht die Aufmerksamkeit der Polizei auf uns lenken. Aber was macht der Wahnsinnige? Lauert mir im Wald auf und verlangt allen Ernstes, ich solle ihm zeigen, wo ich das Geld versteckt habe, weil er noch mehr davon haben will.

      Wie er das mit dem Wald herausgefunden hat, weiß ich nicht, hat mich in diesem Moment auch gar nicht interessiert, ich war nämlich einfach nur sauer. Zuerst der Schreck, den er mir eingejagt hat, dann seine Drohung, dass er ausnahmsweise ja auch einmal der Polizei einen Tipp geben könnte, wenn ich nicht das machen würde, was er von mir verlangt, und dazu sein unverschämtes Grinsen, das alles hat mich derart wütend gemacht, da habe ich gar nicht lange überlegt, sondern einfach in einer Art Reflex – also, was soll ich lange drum herumreden – ich habe ihn erschlagen. Halb geköpft, um genau zu sein, mit einem einzigen Spatenhieb auf seinen Hals, so schräg von der Seite, verstehst du, mit dem Spaten weit ausgeholt und dann zack! mit der Kante, sozusagen wie mit einem Schwert. Ganz leicht geht das, ich war selber erstaunt, wie scharf so ein Spaten ist, gut, war auch ziemlich teuer, um den Preis darf man dann schon eine erstklassige Qualität erwarten.

      War allerdings kein schöner Anblick, wie der Fritz dann vor mir gelegen ist, der fast abgetrennte Kopf, das viele Blut und dieses krampfhafte Zucken, sein ganzer Körper hat gezuckt, pausenlos nur gezuckt und gezuckt, du kannst dir das sicher vorstellen. Scheußlich, wirklich scheußlich, ich habe gar nicht richtig hinschauen können und es hat ewig gedauert, bis er aufgehört hat mit dem Zucken. Gesagt hat er allerdings nichts mehr, keinen einzigen Ton hat er von sich gegeben, nicht einmal geröchelt hat er.

      Hinterher hat es mir auch ziemlich leidgetan, völlig überzogene Reaktion, habe ich gedacht, absolut unnötig und übertrieben. Aber so bin ich nun einmal: Wenn man mich über den Tisch ziehen will, raste ich aus. Normalerweise gibt’s nur ein paar Ohrfeigen oder Faustschläge auf die Nase und dann ist es auch schon wieder vorbei, aber dieses Mal habe ich halt blöderweise gerade den Spaten in der Hand gehabt und das war natürlich ein ausgesprochenes Pech für Fritz, dumm gelaufen, richtig dumm gelaufen.

      Ich habe ihn gleich an Ort und Stelle vergraben und dabei war der Spaten dann doch wieder äußerst nützlich. Der Platz ist nur ein paar Meter vom Geldversteck entfernt. Da liegt er gut, habe ich gedacht, weil wo man das Geld nicht entdeckt, findet man die Leiche auch nicht. Aber, soviel ich weiß, hat man den Fritz überhaupt nicht gesucht, obwohl ihn seine Frau gleich bei der Polizei als abgängig gemeldet hat. Und seither hält sich aus irgendeinem Grund hartnäckig das Gerücht, dass er bei Nacht und Nebel abgehauen ist und unter falschem Namen im Ausland lebt. Wenn man seine Frau kennt, kann man sich das gut vorstellen, heißt es.

      Was mir inzwischen allerdings ein bisschen Sorge macht, das ist der Geruch. Die Leiche liegt zwar fast zwei Meter tief im Waldboden und lange Zeit war wirklich nichts zu bemerken, irgendwas hat wohl die Zersetzung des Körpers verzögert oder die Erdschicht war dick genug, um keinen Geruch durchzulassen, was weiß ich, aber als ich neulich dort gewesen bin, ist es mir so vorgekommen, als würde nun doch ein leichter Verwesungsgestank in der Luft liegen. Ich kann mich natürlich täuschen, jedoch allein die Vorstellung, dass zum Beispiel der Hund eines Försters Witterung aufnimmt, losdüst, die Stelle findet, wie verrückt zu buddeln anfängt und damit eine Riesenpolizeiaktion auslöst, bei der sie dann die ganze Gegend umgraben und natürlich nicht nur die Leiche entdecken, sondern auch mein Geld, also allein diese Vorstellung bereitet mir seit Wochen schlaflose Nächte.

      Ja, mein Lieber, das ist eben der feine Unterschied zwischen einem Bankraub und einem Mord: Geld stinkt nicht, ein Toter schon. Kleiner Scherz zwischendurch, das kennst du ja nun schon. Immer für einen Spaß zu haben, dein Superonkel, nicht wahr?

      Gut, um auf den Punkt zu kommen, ich fürchte, das mit der Leiche könnte ein Problem werden, und deshalb musst du mir jetzt helfen, dieses Problem zu beseitigen. Das ist wirklich das Einzige, worum ich dich bitte, sozusagen als kleine Gegenleistung für eine große Menge Geld, in Ordnung? Wird auch ganz leicht, du wirst sehen. Wenn wir uns bei der Arbeit abwechseln, haben wir den Fritz in einer halben Stunde ausgegraben, dann teilen wir seine Überreste in ein paar Plastiksäcke auf und die lassen wir später im Moor hinter dem Wald verschwinden, fertig. Alles klar? Also, für den Haufen Geld, den du von mir geschenkt bekommst, würde ich zehn Leichen entsorgen, wenn ich du wäre.

      Denk dran, in ein paar Stunden hast du’s überstanden und kannst deine Sorgen vergessen. Und ich leg sogar noch was drauf, ist schließlich mehr als genug da, wie gesagt, der Fritz hat sich ja nichts mehr unter den Nagel reißen können. Also ich schlage vor, noch einmal dieselbe Summe für deine kleine, kranke Schwester, die ist nämlich bestimmt die Nächste, die eine teure Operation braucht, und sag jetzt bloß nicht, dass du keine kleine, kranke Schwester hast, natürlich hast du eine kleine, kranke Schwester, einer wie du hat immer eine kleine, kranke Schwester, also lüg mich nicht an, sonst werde ich richtig sauer, und was passiert, wenn ich richtig sauer werde, weißt du ja.

      Jetzt bist du sprachlos, was? So eine Großzügigkeit hättest du dir von mir nicht erwartet, wie? Ja, dein Superonkel hat halt ein gutes Herz, und wenn man ihn nett bittet, kann man alles von ihm haben. Ist eine Schwäche von mir, ich weiß. Ist aber auch die einzige, abgesehen von meinen schlechten Ohren. Die hindern mich nämlich nicht daran zu erkennen, ob es jemand ehrlich meint oder mich für dumm verkaufen will, bloß weil ich alt bin. Aber bei dir habe ich ein richtig gutes Gefühl, bist ein anständiger Kerl, dein Vater kann stolz auf dich sein. Und die Geschichte mit dem toten Fritz wirst du mir nichts, dir nichts verkraften, jede Wette. Gut, der Geruch wird dir vielleicht noch eine Zeit lang in der Nase bleiben, aber sonst wird dich bald nichts mehr an ihn erinnern.

      Fein, dann haben wir ja alles besprochen und es kann losgehen. Ich schlage vor, wir treffen uns, sagen wir, in eineinhalb Stunden, du bringst ein paar Plastiksäcke mit und einen Koffer für dein Geld und ich werde meine Taschenlampe aus dem Keller holen. Und natürlich den Spaten. Der Spaten ist wichtig. Ohne den Spaten geht gar nichts.

      Wunderbar. Endlich lerne ich dich kennen, ich kann dir gar nicht sagen, wie sehr ich mich drauf freue. Der Superonkel und sein Superneffe, großartig wird das, toll, ganz unheimlich toll, ja, wirklich ganz, ganz unheimlich.

      Dann also bis gleich auf dem Parkplatz drei Kilometer nach der Autobahnabfahrt West –

      Hallo? Tobias? Hörst du mich? Hallo? Was ist denn? Haaallooo!

      Aufgelegt. Na, endlich. War auch höchste Zeit. Ich hab schon gedacht, der Typ kapiert es nie. Schon der Vierte in dieser Woche, aber so schwer von Begriff wie er war bis jetzt noch keiner. Noch ein bisschen länger und ich hätte tatsächlich nicht mehr gewusst, was ich ihm erzählen soll. Aber gut, ich bin sicher, der ruft nie wieder an.

      So, Fritz, alter Freund, jetzt lass uns weiter Schach spielen. Wer ist am Zug?

      G`schichten