Dr Crime und die Meister der bösen Träume. Lucas Bahl

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Название Dr Crime und die Meister der bösen Träume
Автор произведения Lucas Bahl
Жанр Триллеры
Серия
Издательство Триллеры
Год выпуска 0
isbn 9783964260161



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Seit Masters und Johnson muss sich auf diesem Gebiet doch was geändert haben – oder? Immerhin liegen bereits Jahrzehnte der sexuellen Revolution zwischen der universitären Vögelei dieser beiden Orgasmus-Forscher und der heute viel hedonistischeren, aber immer noch verklemmt-oberflächlichen Gegenwart. Dafür würde ich mich sogar für kleines Geld zur Verfügung stellen. Aber so was wird in unserem Schnarchladen ja nicht angeboten. Schande!

      Die Träume sind zum Teil ganz schön heftig. Liegt wahrscheinlich am Schlafzwang. Eins der Mädels war nach so einem Albtraum total aufgelöst. Hat Rotz und Wasser gelassen, als wäre ihr das, was ihr da in ihrem Köpfchen zugestoßen ist, realiter passiert. Sie ist dann auch aus dem Projekt ausgestiegen, obwohl ihr Frau Professor eindringlich zugeredet hat, in ihrem Zustand nicht alleine zu bleiben. „Im Institut sind wir auf derartige Ereignisse vorbereitet und können Ihnen helfen!“

      Ich erwähnte es schon mal, Meltendoncks Stimme ist so laut, dass ich sie durch die geschlossene Bürotür hören konnte. Das Geheule der Kleinen aber auch. Ich hab sie abgepasst, weil ich der perfekte Tröster der Witwen und Waisen bin.

      „Hi, Michaela“, sagte ich.

      „Ich bin Marianne“, erwiderte sie zwischen zwei Schniefern.

      „Oh, pardon! – Äh, hier …“ Ich hielt ihr ein Tempo hin, das sie, ohne mich anzusehen, nahm und sich kräftig schnäuzte.

      „Wollen wir irgendwo noch einen Kaffee trinken?“, fragte ich sie.

      Sie schüttelte stumm, aber eindeutig verneinend den Kopf. Inzwischen standen wir vor dem Institut.

      „Um die Ecke ist …“

      „Nein. Ich will jetzt nur noch nach Hause. Sonst nichts.“ Bisher klang sie verheult. Doch jetzt schlich sich ein anderer Ton in ihre Worte. War sie etwa genervt? Nein, das konnte nicht sein, wo ich mich doch so um sie bemühte.

      „Okay, gehen wir ein Stück. Ich hab‘ denselben Weg.“

      „Du weißt doch gar nicht, wo ich wohne, verdammt noch mal.“

      „Ich lerne schnell.“

      „Das sehe ich völlig anders.“

      Sie war auf Armlänge von mir entfernt (ideal, um sie beim kleinsten Signal tröstend an meine Brust zu ziehen!) und blickte mich zum ersten Mal direkt an.

      Wird sie jetzt doch weich?, überlegte ich. Soll ich die Gelegenheit nutzen und sie küssen? Schnell, hart, das lieben sie doch alle! Oder soll ich erst noch ihre blendende Figur loben, die tollen Klamotten, ihren unbestechlich guten Geschmack? Mit anderen Worten noch eine Ladung Schleim absondern? Kann Sie sehen, wie mein Walter stramm steht und aus seinem Gefängnis will? Wie er pocht und darum bettelt, dass ihn jemand aus dieser engen Hose befreit?

      Sie senkte ihre Stimme.

      „Du bleibst hier und ich gehe – und zwar allein!“ Sie machte eine Pause. Wenn ich von dem absah, was sie gerade gesagt hatte, klang ihre Stimme mit diesem tiefergelegtem, rauchigen Timbre einfach geil.

      „Und wenn du noch einen einzigen Schritt näher kommst, fange ich an zu brüllen und zwar so laut, dass man es noch im Institut hört!“

      Diesen Satz sprach sie mit einem Ausrufezeichen hinter jedem einzelnen Wort.

      „Wie du willst“, murmelte ich. Du hast ja keine Ahnung, was dir entgeht, schickte ich ihr unausgesprochen hinterher.

      Schade, aber den Versuch war‘s wert gewesen.

      Gutes Zuhören, das totale Verständnis heucheln, haben mich schon mehr als einmal ans Ziel gebracht. Und den Mädels hat es dann im Endeffekt auch immer gefallen.

      Okay, das dumme Huhn wollte nicht. Dabei hätte mich schon interessiert, was sie denn geträumt hatte und natürlich auch, wie sich das Mäuschen auf dem Laken gemacht hätte, sobald sie Leons Säusel- und Trosteinflüsterungen erlegen wäre.

      Aber ich habe genug Fantasie, um zu wissen, wie böse Träume aussehen. Und ich weiß definitiv, dass böse Träume im Institut weder selten noch unerwünscht sind.

      Als ich den Scheiß mit dem Daumennagel geträumt habe, hat mir Meltendoncks Lieblings-Assi, ein schnöseliger Schönling namens Dr. Jörg Evers, am Bildschirm die Hirn-Scans gezeigt und auf einen tiefgrünen Fleck hingewiesen.

      „Dieses Aktivitätsprofil“, so geschwollen drücken die sich hier aus, „ist typisch für Albträume im Verlauf des Helter Skelter-Programms.“

      In meinem Traumprotokoll hatte ich kurz zuvor notiert: „Ich bin in einem feuchten Kellerraum, dessen Wände im Halbdunkel liegen. Irgendwer hat mich auf einen Stuhl gesetzt und meine Arme an spezielle Lehnen gefesselt, sodass ich sie nicht mehr bewegen kann. Eine Lampe blendet mich. Es ist offensichtlich eine Verhörsituation. Doch was wollen sie von mir hören? Und vor allem, wer will hier etwas erfahren? Ich sehe auf meine linke Hand. Mein Folterer umklammert sie und presst die Finger auseinander. Er fixiert den Daumen noch zusätzlich mit einem dunkelblauen Klebeband aus Textil. Dann zieht er langsam mit einer Zange den Daumennagel hoch und schält ihn im Zeitlupentempo vom Nagelbett. Ich starre auf die fleischig-blutige Stelle, wo eben noch der Nagel gewesen ist. Ich weiß in diesem Moment, dass ich schreien und dass es höllisch wehtun müsste, aber nichts dergleichen. Als der Folterer den Zeigefinger mit dem Klebeband umwickelt, wache ich auf.“

      Ich muss gestehen, als ich aufwachte, riss ich als erstes meine linke Hand hoch, um nachzusehen, ob noch alle Nägel dran sind.

       Dr Crime:

      Es ist vermutlich diese Passage in Leons Aufzeichnungen, die mir den Vorfall aus dem Jahr 1974 mit Roberto in Erinnerung gerufen hat.

      Was ich an Leons Traum spannend finde, ist die Stelle mit dem dunkelblauen Textilklebeband. Nur hier wird er in seiner Beschreibung präzise. So funktionieren Träume. Einzelne, letztlich völlig nebensächliche Details werden genau erinnert, während ansonsten nur ein dumpfer Brei aus vagen Eindrücken und Bildern haften bleibt.

      Ich halte es deshalb für wahrscheinlich, dass seine Schilderung tatsächlich einen Traum wiedergibt, den er gehabt hat. Es ist in dieser Anfangsphase des Projekts nicht leicht einzuschätzen, was er sich aus welchen Gründen auch immer einfach aus den Fingern saugt und was echte Traumprotokolle sind.

      Zum traurigen Rest des Geschreibsels, das Leon in seinen Anfällen ungehemmter, ungebremster Logorrhoe in die Tasten hämmert, habe ich schon an früherer Stelle angemerkt, dass er ein hoffnungsloser Fall ist. Leon gehört zu den Persönlichkeiten, die sich nicht scheuen, ihr charakterliches Versagen immer wieder aufs Neue unter Beweis zu stellen. Ich neige nicht zu dem Betroffenheitskitsch, der als Fremdschämen bezeichnet wird. Wegen mir darf sich jeder selbst zum Trottel machen, als unverbesserliche Dumpfbacke präsentieren und mit eiserner Penetranz die Rolle des Hampelmanns zum Besten geben. Deshalb kümmert mich auch sein pubertär-anmaßendes Verhalten nicht wirklich. Ich spreche – unschwer zu erraten – von seiner nicht zu unterbietenden Art, Frauen anzumachen und freue mich über die wohl verdiente Abfuhr, die er dabei erhält. Nur schwant mir allmählich, warum der Meister, als ich ihm die ersten Probanden der Testreihe virtuell vorstellte, antwortete: „Leon is propably the best choice of all.“

       Leider ist immer noch unbeantwortet, welche Ziele bei der Versuchsreihe im Institut für Traumforschung verfolgt werden …

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